Englische Klubs im Europapokal

Das Ende einer langen Europapokalreise

19. Apr 2024, 14:11 Uhr

Auch der FC Liverpool muss mit Jürgen Klopp im Euroapapokal die Segel streichen. Der Rückbesinnung auf die Premier League wohnt eine erstaunliche Würde inne. (Foto: Daniele Buffa)
Auch der FC Liverpool muss mit Jürgen Klopp im Euroapapokal die Segel streichen. Der Rückbesinnung auf die Premier League wohnt eine erstaunliche Würde inne. (Foto: Daniele Buffa)

Erstmals seit 2015 steht kein englischer Klub im Halbfinale der Champions League und Europa League. Die Ambitionen der Engländer fallen der Stärke der eigenen Premier League zum Opfer. So wird das Liga-Saisonende zum Grand Final – speziell für Jürgen Klopp, der vor den Fans die Kappe zieht.

Von Sven Haist, London

Wie emotional der Abschied von Jürgen Klopp als Trainer beim FC Liverpool zum Saisonende ausfallen dürfte, deutete sich bereits am Donnerstagabend nach dem Aus im Europapokal an. Nach dem Abpfiff lief der Deutsche in seiner roten Trainingsjacke, die dem Spielertrikot zum Verwechseln ähnlich sieht, auf die eigenen Fans zu, bedankte sich mit langem Beifall für die Unterstützung und legte als Ausdruck der Verbundenheit die rechte Hand aufs Herz. Die Geste hat sich in seinen achteinhalb Dienstjahren am River Mersey zu einem Ritual nach jedem Match entwickelt, häufig zeigt er dazu bei Siegen auf Drängen der Anhänger seine Jubelfaust.

Doch diesmal zog Klopp seine schwarze Kappe vor den Zuschauern und verneigte sich vor ihnen – eine tiefe Respektsbekundung, die er sich ausschließlich für besondere Anlässe aufbewahrt. In der Regel verehren die Fans mehr die Spieler und Trainer der Klubs als andersherum. Aber Klopp empfindet für die Leute in Liverpool so viel Zuneigung wie diese für ihn. Gemeinsam haben sie in acht Europapokal-Spielzeiten, sechs in der Champions League und zwei in der Europa League, den Kontinent bereist und 2019 eine unvergessliche Juninacht erlebt: Damals gewann Liverpool den sechsten Königklassentitel gegen Tottenham Hotspur in Madrid.

Salah trifft früh, aber das reicht nicht

Vielleicht kamen einige Erinnerungen auch in Klopp hoch, als er die finalen Europapokalminuten mit Liverpool am Seitenrand in sich gekehrt auf einem Stuhl verfolgte. Nach der klaren Hinspielniederlage (0:3) gegen Atalanta Bergamo im Viertelfinale der Europa League im heimischen Anfield rappelte sich Liverpool zwar beim Wiedersehen zu einem versöhnlichen 1:0 auf, das Tor erzielte Mohamed Salah durch einen Handelfmeter in der siebten Minute. Aber trotz der Führung blieb das erhoffte Comeback aus. Klopps Mannschaft schien mit zunehmender Spieldauer die Kraft auszugehen.

In der Aufarbeitung des Atalanta-Duells empfand Jürgen Klopp “gemischte Gefühle”. Ihm habe das Spiel seiner Elf gefallen, der Einsatz, der Wille, die Power. Aber er hätte sich natürlich gewünscht, das Europapokal-Endspiel in Dublin zu erreichen. So hat sich Klopps Abschiedsball jetzt um drei Tage vorgelegt, auf den letzten Premier-League-Spieltag am Pfingstsonntag zu Hause gegen die Wolverhampton Wanderers. Nach dem Triumph im League Cup kann Liverpool noch die Meisterschaft gewinnen, der Rückstand auf Tabellenführer Manchester City beträgt nur zwei Punkte.

Erstmals seit 2015 steht kein englischer Klub im Halbfinale der Champions League oder Europa League

Der Rückbesinnung auf die Premier League wohnt erstaunliche Würde inne. Denn neben dem FC Liverpool mussten sich auch Manchester City, der FC Arsenal und West Ham United in dieser Woche international verabschieden. So steht erstmals seit neun Jahren kein englischer Verein in einem Halbfinale der Champions League und Europa League. Seinerzeit hatte das Mutterland des Fußballs einen Tiefpunkt erreicht; die Klubs waren bereits steinreich, verprassten aber ihr Vermögen. Die Verpflichtung von Klopp im Oktober 2015 gilt in Liverpool als Wendepunkt. Seine bodenständige und gewissenhafte Arbeit wirkte wie eine Vorlage für die Konkurrenten.

Zusammen mit seinem Dauerrivalen Pep Guardiola, der ein Jahr später als Trainer bei City anfing, machte Klopp die Premier League wieder salonfähig. Er trug dazu bei, dass sie sich in den vergangenen Jahren die Reputation als attraktivste Fußballliga der Welt zurückerworben hat. Das Niveau und die Ausgeglichenheit sind so hoch, dass die Premier League gewissermaßen einer englischen Form der Champions League gleicht. Deshalb fallen die Ambitionen der Engländer im Europapokal auch der Stärke der eigenen Liga zum Opfer. Ohne die internationalen Matches wird das Saisonende in der Premier League jetzt zum Grand Final – für Jürgen Klopp ohnehin.

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