Stefan Frei bei der Klub-WM
Die Klub-WM in Gold und Grün
11. Juli 2025, 19:23 Uhr

Stefan Frei kann die Kritik der Europäer an der Klub-WM nicht verstehen. Der Torwart von Seattle Sounders spricht darüber, warum ihm das Turnier gefallen hat, was er verbessern würde – und wie er als leidenschaftlicher Künstler den Wettbewerb malen würde.
Gold und Grün: Das wären die Farben, die Stefan Frei verwenden würde, sollte er ein Bild vom derzeit stattfindenden interkontinentalen Klubwettbewerb in den USA malen. Der gebürtige Schweizer aus dem Kanton St. Gallen, der vor acht Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb, ist nicht nur Stammtorwart der US-Fussball-Franchise Seattle Sounders FC, sondern auch ein passionierter Künstler. Seine Werke präsentiert er in einem eigenen Online-Atelier und bietet sie zum Verkauf an. Mit Seattle qualifizierte sich der inzwischen 39-jährige Stefan Frei – seit elfeinhalb Jahren für den Verein aktiv – als Kontinentalmeister Nord- und Zentralamerikas sowie der Karibik im Jahr 2021 für das Weltturnier. Bei der Auslosung erwischte der Klub die wohl anspruchsvollste Vorrundengruppe und schied nach Niederlagen gegen Botafogo FR (1:2), Atlético Madrid (1:3) und Paris Saint-Germain (0:2) aus. Zwei der drei Matches trug Seattle im futuristischen Heimstadion Lumen Field mit Blick auf die Skyline der Stadt aus.
Seattle verlor alle Vorrundenspiele, konnte aber mithalten
Das Duell gegen Champions-League-Sieger PSG nahm Frei im Videogespräch mit der «NZZ» zum Anlass, die Farbe Gold zu wählen – sie soll die herausragende Qualität des europäischen Kontrahenten symbolisieren. Die grünen Pinselstrichen hingegen stehen für den neu verlegten Naturrasen, den der Weltfussballverband (Fifa) eigens für das Turnier im Stadion von Seattle verlegen liess. Normalerweise bestreitet Seattle seine Heimspiele auf Kunstrasen. Stilistisch, erzählt Stefan Frei, würde seine Illustration einem geometrischen Ansatz folgen, mit klaren Linien, die charakteristische Bezugspunkte des Spielfelds aufnehmen. «Hier kommt der Torwart in mir durch», schmunzelt er.
Als Zeichner steht Frei für abstrakte Darstellungen. Auch sprachlich formuliert der Goalie eine eigenständige, originelle Sicht auf den in Europa skeptisch betrachteten Klubvergleich, den die Fifa mitten in die Sommerpause der europäischen Spitzenvereine gezimmert hat. Er sei von Anfang an angetan gewesen von der Idee, den bislang am Jahresende mit wenigen Teilnehmern ausgetragenen Wettbewerb zu reformieren, berichtet Frei. In seiner Haltung sieht er sich bestätigt: Die Spiele hätten gezeigt, dass attraktiver Fussball nicht allein in Europa gespielt werde, sondern weltweit. Vor den Halbfinals wurden lediglich sechs von sechzig Spielen mit einem Torabstand von mindestens vier Treffern entschieden, darunter zwei Partien mit dem ozeanischen Halbprofi-Klub Auckland City.
Stefan Frei hebt die unterschiedlichen Spielstile der Teams hervor
Besonders fasziniert Frei der sichtbar gewordene «clashing culture» – die unterschiedlichen Spielstile der einzelnen Kontinentalvertreter. Südamerikanische Mannschaften etwa überzeugten weniger durch technische Finesse als vielmehr durch beeindruckende Physis. Botafogos Robustheit und Aggressivität seien deutlich ausgeprägter gewesen als die von PSG und Atlético, erzählt Stefan SFrei. Solche Eindrücke, die es ohne das Turnier nicht geben würde, trügen zur Entwicklung von Klubs wie Seattle bei, die nur selten die Gelegenheit haben, sich mit der internationalen Elite zu messen. Einen speziellen Lerneffekt erkennt Stefan Frei darin, dass die besten Spieler «keinerlei verrückte Dinge» machten und dagegen «einfache Sachen in Perfektion» ausführten. Davon habe sein Team für den bereits wieder aufgenommenen MLS-Betrieb profitieren können.
In der MLS ist Seattle im Verfolgerfeld
Seattle rangiert auf Platz fünf der Western Conference. Am Sonntag trennte sich der Klub 1:1 von Columbus Crew – in jener Partie zog sich Frei eine unglückliche Verletzung zu, als er mit dem Kopf gegen das Knie eines Gegenspielers prallte. Trainer Brian Schmetzer gab immerhin Entwarnung: Es gehe seinem Torwart den Umständen entsprechend gut.
Frei bestreitet derzeit seine 17. Saison in der MLS. Sein Auftreten wirkt robust, geprägt auch durch die Profierfahrungen in den USA. Viele Spiele im Sommer finden unter extremer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit statt, oft begleitet von wetterbedingten Verzögerungen. Darüber beklagten sich zuletzt europäische Vereine. Als Argument lässt Frei das nicht gelten, die Bedingungen seien schliesslich für beide Mannschaften gleich. Im Zweifel müsse man den Spielstil anpassen. Das sei fast allen Team geläufig – mit Ausnahme der mitteleuropäischen, die nahezu ganzjährig in einem für Fussball idealen Klima spielen könnten. Frei selbst hat auf den häufig weiten Auswärtsreisen innerhalb der USA nahezu alles erlebt: von Wüstentemperaturen bis hin zu kurzfristigen Spielabsagen wegen Sturmwarnungen. Viele aktuelle Beschwerden im Rahmen der Klub-WM hält er deshalb für übertrieben.
Freis Kritik an der Fifa: Die Anstoßzeiten und riesigen Stadien
Trotz seines insgesamt positiven Grundfazits übt Frei auch Kritik: Die Fifa müsse aus einigen Entscheidungen lernen – etwa in Bezug auf die frühen Anstosszeiten und die riesigen Stadien. Beides habe dazu geführt, dass bei vielen Vorrundenspielen ganze Tribünenränge leer blieben. Aus Freis Sicht habe sich der Verband womöglich zu stark am europäischen TV-Markt orientiert. Ein Spiel zwischen zwei eher unbekannten Klubs an einem Werktag zur Mittagszeit funktioniere beim amerikanischen Publikum schlicht nicht, erklärt er. Die US-Fussballfans hätten zwar zunächst, ähnlich wie in Europa, mit dem Wettbewerb gefremdelt, dann aber zunehmend Gefallen an den Pflichtspielen gefunden – eine Seltenheit, da die internationalen Topteams sonst nur für Testspiele in die Staaten reisen.
Als Vermächtnis der Klub-WM wünscht sich Stefan Frei einen zusätzlichen Schub an Begeisterung und Wachstum. Im besten Fall habe das Turnier als Einstimmung auf die WM 2026 in Nordamerika gedient. Frei wähnt den Fussball in den USA grundsätzlich im Aufwind. In seinen Anfangsjahren habe ein Jahresgehalt von 35 000 US-Dollar gegolten, zu Auswärtsspielen seien Linienflüge gebucht worden und viele ältere europäische Spieler hätten die Liga als eine Art Ruhestandsdomizil empfunden. Doch das sei längst Vergangenheit, betont Frei. Die Klub-WM dürfte zur weiteren Entwicklung beitragen. Auch deshalb hofft Stefan Frei, dass der Wettbewerb eine Zukunft hat – und künftig alle vier Jahre stattfindet. Vielleicht stellt er es dann irgendwann als Bild aus.
