Krise bei Crystal Palace
Glasners Adler landen zurück in der Realität
06. Okt. 2024, 17:17 Uhr

Oliver Glasner ist mit Crystal Palace auch nach sieben Spieltagen weiter sieglos. Trotz bisher nur drei Remis genießt der Trainer den Rückhalt der Klubchefs. Denn für die Misere ist vor allem die Transferpolitik verantwortlich.
Mit schlechten Saisonstarts kennt sich Crystal Palace aus. Der Londoner Vorstadtverein wartet nach der neuerlichen Niederlage – einem 0:1 im Heimspiel gegen den Tabellenführer FC Liverpool am Samstag – weiter auf den ersten Ligasieg in dieser Spielzeit. Bisher holte das Team von Trainer Oliver Glasner bloß drei Remis in sieben Matches. Die Situation auf dem drittletzten Tabellenplatz erinnert an die Saison 2017/18, als Palace sogar die ersten sieben Spiele alle verloren hatte. Die Bilanz kostete den damals neuen Coach Frank de Boer frühzeitig seinen Posten. Er wurde durch Roy Hodgson ersetzt, der den Klub letztlich in der Liga hielt.
Diesmal allerdings gilt ein schneller Trainerwechsel bei Palace erst einmal als nahezu ausgeschlossen. Glasner genießt ein hohes Ansehen im Verein, beim Mehrheitsbesitzer John Textor und auch beim Vereinschef Steve Parish. Der soll möglichen Abwerbeversuchen der Konkurrenz zuletzt vorgebeugt haben, indem er für den Österreicher angebliche 100 Millionen aufrief – und ihn damit quasi unverkäuflich machte. Im Frühjahr hatte unter anderem der FC Bayern über Glasner nachgedacht.
Auch in der Vorsaison gelang Glasner der Turnaround erst nach sechs Spielen
Die Überzeugung zum einen auf der Entwicklung in der Vorsaison. Nachdem Glasner die abstiegsgefährdete Mannschaft im Februar 2024 übernommen hatte, blieb er nach seinem Einstandserfolg in den nächsten fünf Spielen auch ohne Sieg. Erst dann schaffte der Österreicher den Turnaround – mit einem Auswärtssieg gegen Liverpool. In den abschließenden sieben Saisonpartien kassierte Palace fortan keine Niederlage mehr und arbeitete sich auf den zehnten Platz vor, der besten Platzierung in der Premier-League-Historie des Klubs.
Zum anderen ist die aktuelle Ergebnismisere weniger dem Trainer anzulasten als dem Verein. Im Sommer gab Palace zwei Schlüsselspieler für insgesamt 80 Millionen Euro ab, den Verteidiger Joachim Andersen zum FC Fulham und den Angreifer Michael Olise zum FC Bayern. Zudem verließ Routinier Jordan Ayew den Klub – und bis zum Transferende wackelte der letztliche Verbleib des englischen Nationalspielers Marc Guéhi. Newcastle United hatte sich intensiv um Guéhi bemüht und eine hohe zweistellige Millionensumme geboten. Vereinsboss Parish verteidigte die Transferentscheide, indem er sagte, der Klub sei stolz, Spieler an Topklubs zu verkaufen und respektiere, für diese „ein Teil des Weges dorthin“ zu sein. Denn man hätte keine Chance, selbst große Talente zu verpflichten, wenn diese denken, sie sitzen bei Palace fest, erklärte er.
Die meisten Zugänge kamen erst kurz vor Transferschluss
Trotz der Abgänge gelang es Palace erst am letzten Transfertag, wirklichen Ersatz zu beschaffen. Der Verein holte Maxence Lacroix vom VfL Wolfsburg für die Abwehr und Eddie Nketiah vom FC Arsenal für den Angriff, beide kosteten zusammen rund 50 Millionen Euro. Zudem lieh Palace den Abwehrspieler Trevoh Chalobah vom FC Chelsea aus. Möglicherweise hätte diese Transfer schon „fünf Wochen früher“ getätigt werden können, monierte Glasner. Aber dies sei aus „verschiedenen Gründen“ nicht passiert. Zum Zeitpunkt der genannten Zugänge waren bereits zwei Spieltage absolviert, die dritte Partie stand damals unmittelbar an. Zuvor waren nur Flügelspieler Ismaïla Sarr, Talent Chadi Riad und der Spielmacher Daichi Kamada engagiert worden. Letzteren hatte Glasner bei Eintracht Frankfurt trainiert, Lacroix kannte er aus seiner Zeit in Wolfsburg.
Die Auswirkungen wurden gegen Liverpool erneut sichtbar: Der Mannschaft fehlt es an Stabilität und Abstimmung. Bisher trat Palace, auch wegen Verletzungen, in allen sieben Ligaspielen mit unterschiedlichen Abwehrformationen an. Bei Liverpools Siegtreffer durch Diogo Jota in der neunten Minute kam Chalobah bei seinem Palace-Debüt zu spät, zuvor stimmten beim Steilpass und der Flanke des Gegners die Abstände nicht. Die enttäuschenden Leistungen stufte Glasner kürzlich als ein „Willkommen zurück in der Realität“ ein. Nach der Vorsaison sei man vielleicht „zu hoch geflogen“ und habe vergessen, lange abstiegsgefährdet gewesen sei, gab der 50-Jährige zu. Derzeit fliegen die Palace-Adler deutlich unter der eigenen Flughöhe.
Vielleicht sei man in der Vorsaison „zu hoch geflogen“, sagt Oliver Glasner
Erstmals seit seiner Ankunft im Klub wird deshalb auch der Trainer kritisiert. Glasner wird in den Medien vereinzelt vorgehalten, zu viele personelle Änderungen in der Startelf vorzunehmen. Tatsächlich sieht es so aus, als wäre Glasner noch auf der Suche nach der besten Zusammenstellung des Teams. Aufgrund des Länderspielblocks im September hat Glasner mit seinem vollständigen Kader erst drei Wochen richtig trainieren können. Für ihn besteht die Herausforderung darin, wie er die neuen Spieler am effektivsten einbindet.
In jedem Fall wirkt das Potenzial der Mannschaft gut genug, um sich aus der Abstiegszone zu befreien. In allen Spielen trat Palace bisher konkurrenzfähig auf, sie verliefen stets knapp. Selbst gegen Liverpool war ein Remis denkbar: Glasners Team hätte einen Elfmeter bekommen können und Angreifer Eberechi Eze scheiterte in der Schlussphase freistehend. Beim vermaledeiten Auftakt vor sieben Jahren fuhr Crystal Palace den ersten Sieg übrigens am achten Spieltag ein. Der steht in der Premier League als nächstes an, Crystal Palace trifft auswärts auf Nottingham Forest.

Oliver Glasner lässt die Adler wieder fliegen
Dem neuen Trainer gelingt mit Crystal Palace ein Traumdebüt in der Premier League. Das 3:0 gegen Burnley vergrößert den Abstand auf die Abstiegsränge und deutet an, zu welchen Höhenflügen Glasner die Londoner führen könnte.