Suspendierter Schiedsrichter Coote
In den Schlagzeilen – aber nicht wegen einer Fehlentscheidung
16. Nov 2024, 17:48 Uhr
Nach der Suspendierung von David Coote wegen obszöner Beleidigungen soll ein Video zeigen, wie der englische Schiedsrichter kurz nach seinem VAR-Einsatz im EM-Viertelfinale ein weißes Pulver schnupft. Auch die Uefa hat Ermittlungen aufgenommen. Die Affäre gefährdet die Fortsetzung seiner Karriere.
Bisher ist David Coote als Schiedsrichter im Spitzenfussball kaum aufgefallen. Der Engländer pfeift seit der Saison 2017/18 in der Premier League. An internationalen Wettbewerben und Turnieren hat er als Hauptreferee noch nicht teilgenommen. An der EM 2024 war er jedoch als Videoschiedsrichter im Einsatz. Der ehemalige Premier-League-Referee Peter Walton charakterisierte Coote in der «Times» als «Captain Vernünftig», der «vielleicht manchmal ein bisschen übernervös» wirke. Man sehe ihn bei seiner Spielleitung «selten mit den Spielern lachen», sagt Walton.
Seit Wochenbeginn steht David Coote in den Schlagzeilen – aber nicht wegen einer Fehlentscheidung. Er hat angeblich den FC Liverpool und den damaligen Trainer Jürgen Klopp in obszöner Sprache beleidigt und steht unter dem Verdacht des Drogenkonsums. Am Montag war ein undatiertes, mutmasslich aus der Corona-Saison 2020/21 stammendes Video aufgetaucht. Darin ist der heute 42-Jährige auf einem Sofa zu sehen. Neben ihm sitzt ein Mann, der das Gespräch wohl mit der Handykamera aufnimmt. Er fragt Coote, was er nach seinem kürzlich erfolgten Einsatz als vierter Offizieller bei einem Liverpool-Match (vermutlich dem 2:7 bei Aston Villa im Oktober 2020) vom Klub und von Klopp halte. Cootes Antwort: Liverpool sei «shit» und Klopp eine «German cunt» (zu deutsch Fotze). Die Obszönität gegenüber Klopp wiederholt er mehrmals.
Die Uefa ermittelt wegen eines Verstoßes gegen die Disziplinarordnung
Des Weiteren bezichtigt Coote Klopp der Lüge, er bezieht sich auf das Ligaspiel zwischen Liverpool und Burnley (1:1), das er im Juli 2020 hauptverantwortlich geleitet hatte. Er habe «überhaupt kein Interesse, mit jemandem zu sprechen, der verdammt arrogant» sei, sagt Coote. Im besagten Match beschwerte sich Klopp nach Abpfiff wütend bei Coote für einen seiner Ansicht nach ausgebliebenen Penalty. Von den acht von Coote geleiteten Liverpool-Spielen unter Klopp gewann dessen Mannschaft fünf, zwei gingen verloren. Ein Verdacht, dass Coote absichtlich gegen Liverpool entschieden hätte, besteht bis anhin nicht.
Nach Bekanntwerden der Aufnahme wurde Coote von Englands Referee-Vereinigung PGMOL und der Uefa mit sofortiger Wirkung suspendiert. Dem Vernehmen nach war er für ein Spiel im laufenden Länderspielblock als Videoassistent eingeplant gewesen. In einem weiteren Mitschnitt forderte Coote seinerzeit, der genannte Clip dürfe auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen. Eine andere Person sprang ihm bei, die sagte, dass damit «nicht die Karriere eines Mannes ruiniert» werden solle; gemeint war die von Coote. Das ist jetzt aber womöglich der Fall.
Von Cotte gibt es bislang keine Stellungnahme
Zusätzlich zu Cootes Schimpftirade brachte die Boulevardzeitung «Sun» am Mittwoch das nächste pikante Video in Umlauf. Darauf ist ein Mann zu sehen, der ein weisses Pulver durch eine zusammengerollte Dollarnote in die Nase zieht: Kokain? Bei der Person handle es sich um Coote, schreibt die «Sun». Er soll die Sequenz selbst aufgenommen und an einen Bekannten weitergeleitet haben. Laut der Zeitung stammt die Aufzeichnung vom 6. Juli aus einem Hotelzimmer; am Tag zuvor war Coote als Assistent des Video-Referees beim EM-Viertelfinale zwischen Frankreich und Portugal im Einsatz gewesen.
Die Uefa teilte am Donnerstag, am Tag nach der Veröffentlichung des neuen Videos, mit, ein Inspektor sei damit beauftragt worden, einen «möglichen Verstoss» gegen die Disziplinarordnung zu untersuchen. Zuvor hatten bereits Englands Football Association und die PGMOL Ermittlungen zu den Vorfällen eingeleitet. Ein PGMOL-Sprecher sagte, man nehme die Vorwürfe «sehr ernst», sei jedoch «zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, weitere Kommentare abzugeben». Von Coote gibt es bis jetzt keine Stellungnahme, die PGMOL ging nicht auf eine BTL-Anfrage zu einem möglichen Statement des Referees ein.
Die Affäre greift die Glaubwürdigkeit und Professionalität der Referees an
Die Angelegenheit greift die Glaubwürdigkeit, Professionalität und Reputation der zunehmend kritisierten englischen Schiedsrichtergilde um ihren Chef Howard Webb an. Der frühere Weltklasse-Referee führte nach der Übernahme des Postens im Dezember 2022 das Format «Mic’d Up» ein, um Entscheidungen der Unparteiischen auf dem Platz für die Öffentlichkeit transparenter zu machen. Dabei arbeitet Webb die strittigen Szenen des Spieltags auf und gibt seine Einschätzung ab.
Die Schiedsrichter sind einem enormen Druck ausgesetzt
Zudem veranschaulicht der Vorfall um Coote, welchem Druck die Referees ausgesetzt sind. Die Komplexität des Spiels, die Rücksichtslosigkeit in der Leistungsbewertung und die damit oft verbundenen Anfeindungen machen den Job zu einer psychischen Belastungsprobe. Daran tragen ebenso aufbrausende Spieler, Trainer und Funktionäre eine Mitschuld. Auch Klopp hat es in seiner Liverpool-Zeit von 2015 bis 2024 den Schiedsrichtern nicht immer einfach gemacht.
Die PGMOL betonte, trotz den Vorwürfen verpflichte man sich, «Coote in dieser Zeit die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen». Eine Rückkehr von ihm als Schiedsrichter in die Premier League ist aber fraglich.