Champions-League-Aus für FC Liverpool
Sternenuntergang in Liverpool
18. März 2025, 20:10 Uhr

Der FC Liverpool scheidet gegen Paris Saint-Germain im Elfmeterschießen aus der Champions League aus, weil Trainer Arne Slot zu viel Risiko geht. Damit könnte der Zyklus einer der erfolgreichsten Spielergenerationen des Klubs enden. Besonders schmerzlich ist die Niederlage für Torjäger Mo Salah.
Die Tränen von Mohamed Salah werden wahrscheinlich genauso in Erinnerung bleiben wie das Duell zwischen seinem FC Liverpool und Paris Saint-Germain, von dem sich viele Fußballfans wünschten, es möge niemals abgepfiffen werden. Nach der 1:4-Niederlage im Elfmeterschießen, bei dem lediglich Salah als erster Schütze Liverpools den überragenden PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma überwinden konnte, lief der Ägypter allein zum Stadionausgang. Einige Kollegen versuchten, ihn aufzumuntern, aber der Torjäger war von niemandem zu trösten. Denn Salah spürte wohl, dass im Stadion an der Anfield Road soeben mehr verloren gegangen war als ein Achtelfinale der Champions League – für seinen Verein, für seine Mannschaft und für ihn selbst.
In der sternklaren Dienstagnacht wirkte es, als wären zwei lange leuchtende Europapokalsterne des Vereins plötzlich ausgebrannt. Zum einen verlor Liverpool erstmals ein Elferschießen in der Champions League, zum anderen büßte der Klub einen weiteren Mythos ein: Bisher hatte sich Liverpool in allen K.-o.-Duellen im eigenen Stadion durchgesetzt, wenn mit einem Auswärtssieg vorgelegt worden war. Nach dem 1:0 in Paris deuteten also alle Vorzeichen auf den Einzug ins Viertelfinale. Doch beim 0:1 im Rückspiel nach regulärer Spielzeit und Verlängerung mussten die Reds erkennen, dass selbst die größten Sterne nicht unendlich existieren. Vielleicht, weil man sich diesmal zu sicher war.
Der Spielverlauf im Rückspiel war eine spiegelverkehrte Kopie des ersten Duells
Für diese These sprach, dass Trainer Arne Slot die Taktik im Vergleich zum Hinspiel ohne ersichtlichen Grund verändert hatte. Trotz des Vorsprungs, der die Pariser zu mehr Risiko gezwungen hätte, suchte Liverpool zum ersten Mal in dieser Saison unter Slot von Beginn an einen offenen Schlagabtausch. Dabei war es bislang die Kernkompetenz des Teams gewesen, sich geduldig den Gegner zurechtzulegen und gegebenenfalls zuzuschlagen, wenn es der Spielstand erforderlich machte. Stattdessen schlug Liverpool mit der Unterstützung der Fans ein ähnlich hohes, kaum über das ganze Spiel durchzuhaltendes Tempo an wie Paris vor einer Woche. Entsprechend war der Spielverlauf des Rückspiels eine fast spiegelverkehrte Kopie des Hinspiels: Statt PSG dominierte jetzt Liverpool, vergab überhastet sehr viele Torchancen – und wurde dafür auf der Gegenseite gnadenlos durch den Pariser Ousmane Dembélé (0:1/12. Minute) ausgekontert.
Das Königsklassen-Aus für den Premier-League-Tabellenführer fühle sich wie ein „Schock“ an, räumte Slot ein. Durch den ungewohnten Powerplay-Fußball deckte der Trainer gewissermaßen selbst die größte Schwachstelle seines Kaders auf: die nicht den höchsten Ansprüchen genügende Qualität der Ersatzspieler. Liverpools Klubstrategie basiert auf einer Weltklasse-Startelf, aber dahinter versucht man, die Reihen mit eher kostengünstigen Lösungen aufzufüllen. Als Slot den verletzten Rechtsverteidiger Trent Alexander-Arnold und den angeschlagenen Innenverteidiger Ibrahima Konaté vom Feld nehmen musste und darüber hinaus weitere Wechsel vornahm, begannen die Probleme. Unübersehbar wurde das in der Verlängerung und im Shootout: Einige der besten Schützen – Mac Allister, Szoboszlai und Alexander-Arnold – saßen bereits ausgewechselt auf der Bank. Stattdessen traten die eingewechselten Darwin Núñez und Curtis Jones an – und verschossen ihre Elfer. Am Ende jubelte Paris.
Gegen das junge PSG-Team zeigt sich, dass Liverpool in die Jahre gekommen ist
In den vergangenen Jahren galten die Reds kräftemäßig als unverwüstlich, doch am Dienstagabend entstand der Eindruck, dass der Zyklus für eine der erfolgreichsten Spielergenerationen des Klubs enden könnte. Beim Champions-League-Sieg 2019 waren alle Startelfspieler jünger als 30 Jahre, die meisten von ihnen befanden sich damals in der Mitte ihrer Zwanzigerjahre. Jetzt betrug Liverpools Altersschnitt 27,9 Jahre, der von Paris lag deutlich darunter (24,8 Jahre) und verringerte sich während des Matches sogar auf 23,1 Jahre. Dies dürfte insbesondere die LFC-Klubführung beschäftigen, denn in den kommenden 15 Monaten laufen fünf Stammspielerverträge aus. Dazu gehören die nach wie vor nicht über diese Saison hinaus verlängerten Kontrakte mit Abwehrchef Virgil van Dijk, 33, Torjäger Salah, 32, und Alexander-Arnold, 26.
Aus dem Generationsduell zwischen Liverpool und PSG lässt sich ableiten, dass sich Fußballer im fortgeschrittenen Alter zunehmend schwertun, mit wesentlich jüngeren Konkurrenten physisch mitzuhalten. Damit ist weniger die Körperlichkeit in den Zweikämpfen gemeint als die Dynamik, das Sprint- und Laufvermögen sowie die Erholungszeit. Besonders betroffen davon sind offenbar Teams der Premier League – aufgrund der enormen Spielintensität und der hohen Zahl an Pflichtspielen in England.
Die Hoffnungen von Salah, Weltfußballer zu werden, dürften passé sein
Liverpools am häufigsten eingesetzte elf Akteure haben zusammengerechnet 30 Pflichtspiele mehr absolviert als jene von Paris. Selbst am vergangenen Wochenende, beim Ligasieg gegen den Tabellenletzten Southampton, schonte Slot keine Stammkräfte. Zuletzt deutete der Niederländer an, dass Liverpool an einer Auffrischung des Kaders arbeite. In dieser Saison gab es mit dem Italiener Federico Chiesa, der bisher überhaupt nicht zurechtkommt, nur einen einzigen Zugang.
Die Pariser Strategie, inzwischen fast ausnahmslos auf hoch veranlagte Talente zu setzen, könnte die Tendenz verstärken, dass in Zukunft bei der Verpflichtung von Spielern noch mehr auf das Alter geachtet wird. Obwohl die meisten PSG-Profis nie zuvor in Anfield gespielt hatten, machte ihnen die fehlende Erfahrung überraschend wenig aus. Beispielhaft dafür: der Linksverteidiger Nuno Mendes, 22, der Salah neutralisierte. Dessen beste Torchance vereitelte Mendes, indem er Salahs Schuss kurz vor der Linie blockte. Ein Tor hätte Liverpools Führung bedeutet.
Seinem Karriereziel, einmal den Ballon d’Or zu gewinnen, schien Mohamed Salah in dieser Saison so nah wie selten zuvor zu kommen. Weil er sich in der Form seines Lebens befindet – und weil in diesem Jahr keine WM ansteht, bei der er mit der ägyptischen Nationalelf nur Außenseiter wäre und die Konkurrenten vorbeiziehen könnten. So wurden dem bald 33-Jährigen aussichtsreiche Chancen eingeräumt, in diesem Jahr Weltfußballer zu werden, sofern er mit Liverpool den Königsklassenthron bestiegen hätte. Die Hoffnung auf diese Auszeichnung ist nun wohl passé.
