Newcastle United gewinnt Ligapokal

Wiedergeburt mit saudischer Hilfe

18. März 2025, 18:04 Uhr

Grün-weißes Konfetti für die Schwarz-weißen: Newcastle United gewinnt mit saudischer Finanzhilfe erstmals seit 70 Jahren einen Pokal. (Foto: Anthony Hanc / Shutterstock / Imago Images)
Grün-weißes Konfetti für die Schwarz-weißen: Newcastle United gewinnt mit saudischer Finanzhilfe erstmals seit 70 Jahren einen Pokal. (Foto: Anthony Hanc / Shutterstock / Imago Images)

Newcastle United gewinnt erstmals nach 70 Jahren wieder einen Pokal. Der Erfolg im League Cup gegen Liverpool basiert auf einer Mischung aus guten strategischen Entscheidungen und der finanziellen Unterstützung aus Saudi-Arabien.

Von Sven Haist, London (Wembley)

Dan Burn lief mit ausgebreiteten Armen auf die Fankurve von Newcastle United zu, er sah aus wie ein Engel aus Fleisch und Blut. Die Pose des Abwehrspielers erinnerte an die Skulptur „Angel of the North“ am Stadtrand Newcastles, 20 Meter hoch, 54 Meter breit. An ihr war vor Newcastles League-Cup-Finale am Sonntag im Londoner Wembley-Stadion gegen den FC Liverpool eine Flagge angebracht worden. Darauf stand: „25“ und „Tell me ma“ – in Anlehnung an das Kalenderjahr und einen Fangesang („Sag Mama, wir fahren ins Wembley“), als suchten die Anhänger der nordenglischen Stadt himmlischen Beistand. Die Engelsstatue, die einstigen Bergleuten gewidmet ist, repräsentiert auch die Träume der Geordies, wie die Menschen in Newcastle genannt werden. Deren Fußballträume, von denen viele dachten, sie würden nie mehr in Erfüllung gehen, ließ Dan Burn nun wahr werden.

70 Jahre nach seinem bislang letzten Titel im FA-Cup 1955 hat der ewige Leidenschaftsklub am Sonntag wieder einen nationalen Pokal gewonnen. Mit 2:1 setzte sich Newcastle United gegen ein vom Champions-League-Aus ermattetes Liverpool durch. Der als Spieler des Spiels ausgezeichnete Engländer Burn erzielte mit einem Kopfballtorpedo aus zwölf Metern das Führungstor (45. Minute), dazu traf Torjäger Alexander Isak (52.); Liverpools Anschlusstreffer durch Federico Chiesa (90.+4) kam zu spät. Er wolle heute nicht einschlafen, weil er das Gefühl habe, dass er träume und dass alles eine Lüge sei, stammelte Newcastles Identifikationsfigur Burn. So erging es vielen United-Fans, sie feierten bis in die Morgenstunden.

Auch Promi-Fan Alan Shearer ist tief gerührt

Der Triumph sei für den Klub wie der Gewinn einer Weltmeisterschaft, bekannte der aus Brasilien stammende Kapitän Bruno Guim­a­rães. Er habe keine Worte dafür, es sei der beste Tag seines Lebens. Auf den Wembley-Tribünen hatten Fans Tränen in den Augen, auch der Promi-Fan Alan Shearer war zutiefst gerührt. Der Sky-Experte Gary Neville, der sonst eigentlich nur bei seinem Herzensklub Manchester United am Mikro emotional wird, weinte beinahe vor Freude mit und forderte einen „Geordie-Feiertag“. Noch aus der Kabine schickte der Klub eine Nachricht, die zeigt, wie groß die Sehnsucht nach einem Pokal war: „Wir haben keinen nationalen Titel seit 0 Jahren gewonnen.“

Für viele wirkt Newcastles Cup-Sieg wie die Wiedergeburt des 1881 gegründeten viermaligen englischen Meisters. Eine Wiedergeburt, der allerdings nachgeholfen werden musste. Im Oktober 2021 hatte sich Saudi-Arabien über den Staatsfonds PIF in den Verein eingekauft. Seitdem wirkt United wie die europäische Fußballraumstation des Regimes in Riad, das sich kürzlich auch die Fußball-WM 2034 gesichert hat. Der Vergleich liegt nahe zur arabischen Investorenkonkurrenz aus Abu Dhabi, die im Jahr 2008 Manchester City übernahm und den Klub innerhalb von vier Jahren mit komplett neuen Spitzenspielern zur Meisterschaft hochjazzte. Doch im Vergleich zu dieser Geschichte musste man beim damaligen Premier-League-Letzten Newcastle United seit dem Start vor dreieinhalb Jahren strategischer vorgehen.

Newcastle United wirkt wie eine europäische Fußballraumstation von Saudi-Arabien

Das liegt an den inzwischen deutlich verschärften Finanzregularien. Und auch daran, dass sich in der englischen Milliardenliga selbst mit dem PIF-Vermögen, das auf knapp tausend Milliarden Euro geschätzt wird, der Wettbewerbsvorteil in Grenzen hält. Der Erfolg basiert vielmehr auf einer Mischung aus den saudischen Finanzsubventionen und den Managemententscheidungen der Strippenzieherin Amanda Staveley, die den Deal für die Saudis einst eingefädelt hatte. Allerdings wurde Staveley im vergangenen Sommer uncharmant aus dem Klub verwiesen, es heißt, sie sei den Saudi-Besitzern zu sehr zum Gesicht des Vereins geworden. Am Sonntag hielt aus der Führungsriege einzig der saudische Klubvorsitzende Yasir Al-Rumayyan den Pokal hoch, dann lief er mit seiner Entourage eine Ehrenrunde auf dem Platz.

Der Titel sei für Newcastle United wie eine Weltmeisterschaft, sagt Kapitän Bruno Guimaraes. ( Foto: Graham Hunt / Imago Images)

Newcastles Vorgehen spiegelt sich in den beiden Finaltorschützen Burn und Isak wider. Der Rekordeinkauf Isak kam im Sommer 2022 für 70 Millionen Euro von Real Sociedad aus San Sebastián und gehört mit den Mittelfeldspielern Sandro Tonali (60 Millionen) und Guim­a­rães (40 Millionen) zu den hochpreisigen Verpflichtungen. Ohne die saudischen Besitzer könnte sich der Klub diese Spieler sicher nicht leisten. Doch um sie herum engagiert Newcastle teamdienliche Profis, die insbesondere den Arbeiterspirit der Stadt verkörpern. Sechs Newcastle-Profis, die schon vor den Saudis da waren, standen im Finale auf dem Platz. Stellvertretend dafür ist der im Umkreis geborene Mentalitätsmann Burn, 32, der kurz nach dem Saudi-Einstieg für eine geringe Ablöse aus Brighton kam, um das Teamklima zu stärken.

Eddie Howe ist der erste englische Trainer seit 17 Jahren, der einen Titel gewinnt

Diese beiden Ansätze hat der Trainer Eddie Howe in Einklang gebracht. Über den Engländer, der seinerzeit zweite Wahl gewesen war hinter dem nun bei Aston Villa tätigen Unai Emery, sagte Staveley einst, er passe „hervorragend“ zu dem, was man aufbauen wolle. Rückblickend empfinde sie „fast Scham“, sich zunächst auf jemand anderen fokussiert zu haben. Howe hatte zuvor Bournemouth sensationell aus der vierten in die erste Liga geführt, stieg 2020 aber mit dem Klub wieder ab und trat zurück. Mit seiner Art der Menschenführung, mit Akribie und taktischer Flexibilität hat der 47-Jährige die Mannschaft zu einem erweiterten Spitzenteam in England geformt.

In der Liga kämpft man im engen Verfolgerfeld um die neuerliche Teilnahme an der Champions League mit, in der man in der Vorsaison unglücklich in der Gruppenphase gescheitert war. Howe ist nun – kaum zu glauben – der erste englische Trainer seit Harry Redknapp vor 17 Jahren, der im Spitzenfußball einen Titel gewonnen hat. Sehr emotional sei er, obwohl das für ihn eher ungewöhnlich sei, gab er zu. Vor dem Finale hatten die Newcastle-Fans ein Banner in Gestalt einer Doppelbuchseite ausgerollt, darauf zu sehen waren eine Schreibfeder und der Schriftzug: „Tragt eure Namen in die Geschichtsbücher ein!“ Das ist der Mannschaft um Trainer Eddie Howe gelungen.

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