Saudi-Klub Newcastle United

Saudischer Fußball-Satellit wartet auf Signal

15. Dez. 2024, 21:22 Uhr

Geht er oder bleibt er: Die Zukunft von Mittelfeldstratege Bruno Guimarães ist bei Newcastle United ähnlich ungewiss wie die Ambitonen der saudischen Besitzer mit dem Klub. (Foto: Richard Callis / Imago Images)
Geht er oder bleibt er: Die Zukunft von Mittelfeldstratege Bruno Guimarães ist bei Newcastle United ähnlich ungewiss wie die Ambitonen der saudischen Besitzer mit dem Klub. (Foto: Richard Callis / Imago Images)

Nach der Übnernahme von Newcastle United durch den saudischen Staatsfonds kündigten die neuen Besitzer an, den Klub an die Spitze zu führen. Doch nun stagniert das Projekt, die Fans sind unzufrieden und im Mangement vollzieht sich ein Personalwechsel. Im Winter drohen Abgänge der wichtigsten Spieler.

Von Sven Haist, London

Newcastle United nahm die offizielle Vergabe der Fußball-WM 2034 nach Saudi-Arabien am vergangenen Mittwoch überraschend kommentarlos hin. Obwohl sich der Verein seit drei Jahren im Besitz des saudischen Public Investment Fund (PIF) befindet und von mehreren saudischen Staatsfirmen gesponsert wird, gab es keinerlei Eintrag dazu auf den Klubkanälen. Nur der frühere Miteigner Mehrdad Ghodoussi, der bis zum Sommer an der Seite seiner Ehefrau Amanda Staveley das Tagesgeschäft verantwortet hatte, postete eine Glückwunsch-Nachricht mit Bild des saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman. Er wisse um die Fußball-Bedeutung für das Königreich und sei zuversichtlich, dass die Saudi „alles daran setzen“ würden, eines der besten Turniere aller Zeiten zu organisieren, schrieb Ghodoussi. Die Zurückhaltung des Vereins dürfte auch daran gelegen haben, dass die Newcastle-Fans derzeit nicht unbedingt positiv auf ihre Eigentümer zu sprechen sind. Denn sie haben den Eindruck, den Saudi-Funktionären sei gerade mindestens die eigene Fußball-WM wesentlich wichtiger als ihr Klub.

https://twitter.com/ghodoussi/status/1866903688566219221

Seit dem Saisonauftakt hängt Newcastle im Tabellenmittelfeld der Premier League fest. Das 4:0 gegen Aufsteiger Leicester City am Samstag war erst der dritte Ligasieg seit September. Diesem oblag zudem mehr Wiedergutmachung als Aufbruchsstimmung: In der Vorwoche erlebte Newcastle ein Debakel in Brentford (2:4). Das Team des beliebten Trainers Eddie Howe spielt in den Augen der stolzen Anhängerschaft aufgrund mangelnder Fürsorge des Managements ein wenig zu ambitionslos vor sich hin. Manch einer fühlt sich fast schon zurückerinnert an die miserable Klubepoche unter dem umstrittenen Vorbesitzer Mike Ashley. Der nutzte den Verein vor allem als Gratiswerbefläche für sein Sportartikelimperium aus.

Newcastles Ambition vor einem Jahr war, die „Nummer eins“ zu werden

Unter den neuen Vorsitzenden aus Saudi-Arabien gleicht Newcastle einem Fußball-Satelliten in Europa, der auf ein Signal wartet. Momentan ist dessen Verwendung nämlich nicht genau ersichtlich. Nach der Übernahme des damals stark abstiegsgefährdeten Vereins gab das saudische Management in den folgenden anderthalb Jahren knapp eine halbe Milliarde Euro für Spielertransfers aus. Die Magpies (Elstern) flogen sofort die Tabelle hinauf. Und qualifizierten sich für die Champions League, wo man in der Vorsaison in der Gruppenphase unglücklich scheiterte. Seinerzeit gab Yasir al-Rumayyan, der den PIF verwaltet und Chairman des Klubs ist, auf der Vereinsseite die Ambition aus, Newcastle solle in Zukunft die „Nummer eins“ werden. Dafür habe man sowohl den Willen als auch die Zutaten.

Doch von diesem Vorhaben ist der Klub inzwischen weiter entfernt als damals – auch weil er ziemlich ausgebremst worden ist. Als Reaktion auf den PIF-Geldspeicher, der auf eine Billion Dollar taxiert wird, weshalb United als vermögendster Verein der Welt angesehen wird, verschärfte die Premier League auf Drängen der Konkurrenz die eigenen Finanzregeln. Diese erlauben nur einen operativen Verlust von maximal 105 Millionen Pfund über drei Jahre hinweg, sonst drohen Punktabzüge. Zudem müssen Sponsoringdeals mit Firmen aus dem Umfeld der Besitzer immer markgerecht sein. Kürzlich gab der Trainer Howe zu, die Einnahmequellen des Vereins seien nicht auf dem Niveau angelangt, wo man sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich haben wollte. Hoffentlich sei man deshalb nicht gezwungen, alsbald Spieler zu verkaufen, sagte Howe. Seit einiger Zeit halten sich die Gerüchte um einen Abgang des Mittefeldstrategen Bruno Guimarães.

Im Sommer musste Newcastle zwei Talente abgeben, um die Ligaregeln einzuhalten

Bereits im Sommer musste United kurz vor Bilanzstichtag die Talente Elliot Anderson und Yankuba Minteh für 75 Millionen Euro veräußern, um nicht gegen die Ligastatuten zu verstoßen. Im Gegenzug holte Newcastle nur drei Profis. Einer von ihnen ist der bisher nur einmal im EFL-Cup eingesetzten Torwart Odysseas Vlachodimos für 20 Millionen. Diese ernüchternde Transferbilanz dürfte auch den massiven Umstrukturierungen in der Führungsetage zugrunde liegen. Im Februar 2024 wurde bekannt, dass der Sportchef Dan Ashworth zu Manchester United wechseln möchte. Der Klub stellte diesen daraufhin bei Fortzahlung des Lohns frei. Nach der Saison erhielt Ashworth letztlich die Freigabe und ging nach Manchester, wo sein Vertrag kürzlich wieder aufgelöst wurde.

Als Ersatz engagierte Newcastle den Engländer Paul Mitchell, der einst auch für RB Leipzig tätig gewesen war. Darüber hinaus wird sich der Geschäftsführer Darren Eales, 52, zurückziehen. Bei ihm ist eine chronische Form von Blutkrebs diagnostiziert worden ist. Und die Strippenzieherin Staveley, die einst den Deal mit Ashley für die Saudi eingefädelt hatte, wurde angeblich aus dem Klub gedrängt. Es heißt, sie sei den Saudi zu umtriebig worden. Ihre Klubanteile haben sich der PIF und RB Sports & Media aufgeteilt, hinter dem die Immobilienbrüder Reuben stecken. Hinter vorgehaltener Hand wird gespottet, dass die Erhöhung der PIF-Beteiligung von ungefähr 80 auf 85 Prozent zuletzt das größte saudische Kommittent zu Newcastle gewesen sei.

Das Trainingsgelände und das Stadion müssen dringend modernisiert werden

Unabhängig von den sportlichen Belangen benötigt United dringend eine Modernisierung des Trainingsgeländes und des Heimspielstadions St. James‘ Park. Trotz der angekündigten PIF-Bereitschaft für beide Projekte befinden sich diese schon seit vielen Monaten in der Warteschleife. Im Juli verlautbarte Eales zum Beispiel zur durchgeführten Machbarkeitsstudie für das Stadion, dass eine Mitteilung „unmittelbar“ bevorstehe. Doch bis jetzt ist weiterhin unklar, ob der Klub eine Renovierung der ehrwürdigen Spielstätte bevorzugt. Oder doch einen Neubau an anderer Stelle. Die Kosten dafür dürften auch für die Saudi empfindlich sein. In letzter Zeit schien der PIF sein einst fulminantes Investment im Ausland deutlich herunterzufahren.

Saudi-Arabiens Fokus auf die WM 2034 und die damit verbundenen gewaltigen eigenen Infrastrukturmaßnahmen könnten sich für Newcastle United in Zukunft also also abträglich erweisen – und zugleich wiederum auch als förderlich. Soeben gaben die Saudi ihr Organisationskomitee für das Turnier bekannt. Mit vertreten im Gremium ist Newcastles Boss Yasir al-Rumayyan.

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