Brighton & Hove Albion

Möwen im Angriffsmodus

25. Aug 2024, 18:32 Uhr

Die Seagulls sind zum Saisonstart auf Beutejagd: João Pedro (Mitte) bejubelt mit seinen Teamkollegen seinen späten Siegtreffer gegen Manchester United. (Foto: Charlotte Wilson / Imago)
Die Seagulls sind zum Saisonstart auf Beutejagd: João Pedro (Mitte) bejubelt mit seinen Teamkollegen seinen späten Siegtreffer gegen Manchester United. (Foto: Charlotte Wilson / Imago)

Seit 2017 hat sich Brighton & Hove Albion in der Premier Leauge etabliert. Mit dem neuen Trainer Fabian Hürzeler hat der Klub vor, die Elite in der Premier League zu attackieren. Mit zwei Siegen zum Auftakt ist der Saisonstart gelungen – und noch stand keiner der für 170 Millionen Eurio geholten Zugänge in der Startelf.

Von Sven Haist, Brighton

Der Fußballklub Brighton & Hove Albion hat sich zuletzt ähnlich entwickelt wie die eigene Stadt Brighton und das unmittelbar angrenzende Viertel Hove. Der Küstenort am englischen Ärmelkanal, der berühmt ist für seine kilometerlange Strandpromenade, galt lange als Ausflugs- und Wochenendziel für Menschen, die Ausgleich suchen vom geschäftigen Treiben in der nur eine Zugstunde entfernten Millionenmetropole London. Doch Brig­hton & Hove ist inzwischen weit mehr als nur ein beschaulicher und frei denkender Ferienort. Die Region wird aufgrund ihrer zahlreichen Erholungs- und Sportmöglichkeiten häufig in Großbritannien für die hohe Lebensqualität hervorgehoben. Und auch der örtliche Vorzeigefußballklub Albion ist für viele andere Vereine in England zu einem Trendsetter avanciert.

Seit dem erstmaligen Aufstieg in die Premier League vor sieben Jahren hat sich der Brighton & Hove Albion FC kontinuierlich in der Liga etabliert. Das Fundament legte zunächst Trainer Graham Potter, der in seiner Amtszeit von 2019 bis 2022 die Mannschaft zu einer der defensiv am kompliziertesten zu spielenden Teams der Liga machte. Der Abwehrstärke fügte Roberto De Zerbi in den vergangenen zwei Saisons einen anspruchsvollen auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil hinzu. Beide Ansätze soll nun der Deutsche Fabian Hürzeler vereinen, den Brighton & Hove Albion vor zwei Monaten vom Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli loseiste – für neun Millionen Euro, der höchsten Ablösesumme, die der Kiez-Klub je eingenommen hat.

We are top of the league“, jubilieren die Fans von Brighton & Hove Albion

Das Vorhaben lässt sich nach zwei Premier-League-Spieltagen vielversprechend an: Nach dem klaren Auftaktsieg in Everton besiegte Brighton & Hove Albion bei Hürzelers Heimdebüt am Samstagmittag auch Rekordmeister Manchester United. Durch das 2:1 (1:0), das João Pedro in der Nachspielzeit nach einer Vielzahl an vergebenen Torchancen sicherstellte, sortiert sich Albion weit vorn im Klassement ein. Für wenige Stunden war der Verein sogar Spitzenreiter, bis Manchester City wegen des um einen Treffer besseren Torverhältnisses vorbeizog. „We are top of the league“, jubilierten die Fans über das für sie ungewohnte Tabellenbild. Er habe nicht verstanden, was sie sangen, flunkerte Hürzeler; „realistisch, niemals euphorisch“ sei er. Der Trainer kennt solche Platzierungen schon von der Zweitligameisterschaft mit St. Pauli. Nächsten Samstag gastiert Brighton zum Topspiel beim ebenso verlustpunktfreien Arsenal.

Fabian Hürzeler fühlt sich schon jetzt wohl beim neuen Verein Brighton & Hove Albion.

Im Duell mit United überzeugte Albion – eine alte Bezeichnung für Großbritannien respektive England – mit facettenreichem Angriffsfußball, den man eigentlich vom Gegner erwartet hätte. Dessen Kaderwert mit knapp 900 Millionen Euro liegt ungefähr um ein Drittel höher als der von Brighton & Hove Albion. Der Independent analysierte pointiert, dass Brighton auf Sieg spielte, während United nur versucht hätte, im Spiel zu bleiben. Hürzeler baute dabei auf den von De Zerbi eingeübten Ballzirkulationen auf, beide verbindet eine verwandte Spielidee. Aber im Vergleich zu seinem Vorgänger verpasste er den Kombinationen seines Teams deutlich mehr Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit.

Dynamisch, innovativ, versiert: Die Arbeitsweise des Trainers passt zur Klubausrichtung

Die Qualität des Teams resultiert in erster Linie aus der Eingespieltheit. Anders als in den Vorsaisons verließ diesmal nur ein Leistungsträger den Klub, der DFB-Nationalspieler Pascal Groß wechselte zu Borussia Dortmund. Die Spieler ergänzen sich sowohl von ihren fußballerischen Charakteristiken als auch den Persönlichkeiten. Immerzu bilden ein Talent und ein Routinier gewissermaßen ein Pärchen auf dem Platz, in der Abwehr, auf der rechten und linken Seite, im Mittelfeld sowie im Sturm. Zum Beispiel agieren Billy Gilmour und James Milner in der Zentrale nebeneinander: Der 23-jährige Gilmour zählt zu den begabtesten Spielgestaltern, ihm hält der zweikampfstarke Milner, mit 38 Jahren zweitältester Profi der Liga, den Rücken frei.

Das Management führt den Klub, der im Besitz des strategischen Glücksspielmilliardärs Tony Bloom ist, seit Jahren auf dynamische, innovative und versierte Art. Die Attribute treffen auch auf die Arbeitsweise von Hürzeler zu, der bei St. Pauli bewiesen hat, Spieler und Mannschaften gleichermaßen weiterentwickeln zu können. Der 31-Jährige ist mit Abstand der jüngste Trainer der Ligahistorie. Damit folgt erstmals ein Premier-League-Verein dem in Deutschland gestarteten Trend, zunehmend auch auf unerfahrene Coaches zu setzen. In Brighton unterschrieb Hürzeler einen Vertrag bis 2027. Die Seagulls (Möwen) planen mit ihm den Angriff auf Englands Elite.

Gegen Manchester United stand noch kein Zugang in der Startelf

Der Steigflug hat bereits begonnen. In der bisherigen Transferperiode hat Brighton schon jetzt 170 Millionen Euro für Spielerablösen ausgegeben, so viel wie noch nie. In der Ausgabenliste der Premier League wird der Verein auf dem dritten Platz geführt, nur der FC Chelsea und Aston Villa liegen davor. Das Geld wurde fast ausschließlich in Talente investiert: Stürmer Georginio Rutter von Leeds United (47 Millionen), Flügelspieler Yankuba Minteh von Newcastle United (35 Millionen), Mittelfeldprofi Mats Wiedder von Feyenoord Rotterdam sowie der stark umbworbene Offensivspieler Brajan Gruda vom FSV Mainz 05 (beide 30 Millionen).

Von den insgesamt sieben Zugängen, die bedacht eingegliedert werden sollen, stand noch kein einziger gegen Manchester United in der Startelf. Das demonstriert das zukünftige Potenzial der Mannschaft. Um es mit den Spitzenklubs über eine Saison hinweg aufnehmen zu können, bedarf es vor allem an Konstanz und Kadertiefe, beides ging Brighton & Hove Albion immer wieder ab. Sollte es Fabian Hürzeler nun gelingen, die aussichtsreichen Anlagen des Klubs und der Mannschaft umzusetzen, dürfte Brighton bald auch für Fußballfans zu einem Hotspot werden.

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