Oliver Glasner bei Crystal Palace

Nur Oliver Glasner ist unverkäuflich

13. Dez. 2024, 18:53 Uhr

Selbst nach acht sieglosen Spielen zum Auftakt hielt der Spielerfreund Oliver Glasner zu seinem Team: Hier umarmt er seinen Rechtsverteidiger Daniel Muñoz. (Foto: Javier Garcia / Shutterstock / Imago Images)
Selbst nach acht sieglosen Spielen zum Auftakt hielt der Spielerfreund Oliver Glasner zu seinem Team: Hier umarmt er seinen Rechtsverteidiger Daniel Muñoz. (Foto: Javier Garcia / Shutterstock / Imago Images)

Der FC Bayern warb um die Dienste von Oliver Glasner. Doch Crystal Palace ließ den Trainer nicht ziehen. Aus gutem Grund: Trotz Verkäufen und Verletzungen ist es Glasner erneut gelungen, den Klub zu stabilisieren und von Abstiegszone zu befreien. Seine Erfolgsstrategien verrät er Studenten im King’s College.

Von Sven Haist, London

Crystal Palace hat schon lange nicht mehr so konsequent an einem Trainer festgehalten wie an Oliver Glasner. In den vergangenen Jahren war der Londoner Vorstadtverein berüchtigt dafür, bei einem Abrutschen in die Abstiegszone der Premier League relativ schnell die Geduld mit Trainern zu verlieren. Doch trotz den schlechten Ergebnissen zu Beginn von Glasners Amtszeit im Februar 2024 als auch dem misslungenen Start in diese Saison mit acht sieglosen Ligaspielen zum Auftakt stand der Klub dem Vernehmen nach immer hinter dem Österreicher. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass Palace zum Ende der Vorsaison ein Angebot des FC Bayern an Glasner ausgeschlagen hatte. Kürzlich sagte Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß, man sei auch „nicht allmächtig“, um dem Palace-Mana­g­ement auftragen zu können, den Trainer freizugeben. Diesem hatte der Klub damals die symbolische Ablösesumme von 100 Millionen verpasst – und machte ihn damit quasi als einzigen Angestellten unverkäuflich.

Dieses Vertrauen hat Oliver Glasner inzwischen zurückgezahlt. Erneut ist es Glasner gelungen, den Klub aus einer angespannten sportlichen Situation zu befreien, für die er selbst wenig konnte. Seit vier Matches ist Palace momentan ungeschlagen, eine Serie, die nur die Spitzenvereine Liverpool, Chelsea und Arsenal vorweisen können. Durch die aktuelle Bilanz hat sich die Elf von den Abstiegslätzen gelöst und sich auf diese ein Polster von vier Punkten erarbeitet. Ein Sieg beim Erzrivalen Bri­g­hton & Hove Albion am Sonntag würde sogar den Anschluss an das Tabellenmittelfeld bedeuten. Palace hatte mit den Folgen eines Personalumbruchs zu kämpfen gehabt. Der Klub konnte mehrere Abgänge von Leistungsträgern erst kurz vor Transferschluss ersetzen. Dazu kamen große Verletzungssorgen. In dieser Phase half Glasner auch die Erfahrung auf seinen vorherigen Stationen, in denen er immer wieder mit solchen Herausforderungen konfrontiert worden war.

Oliver Glasner dachte über Veränderungen nach, hielt dann aber doch an der Formation fest

Um die Durststrecke zu beenden, griff der 50-jährige auf zwei Strategien zurück. Er stellte sich zum einen in der Öffentlichkeit durchgehend vor seine Mannschaft und erläuterte dabei die Gründe, ohne sie als Ausrede zu benutzen. Bei seinen Analysen agierte Oliver Glasner durchgehend sachlich, unaufgeregt und zuversichtlich. Sein Auftreten übertrug sich auf das Team. Die Atmosphäre blieb erstaunlich positiv, was auch daran liegt, dass der Verein bei der Zusammenstellung des Kaders umfassend auf die Charaktere der Spieler achtet. Die Einstellung der Gruppe sei gro­ßartig, lobte Glasner. Wenn man sich das Verhalten im Training anschaue, könnte man meinen, man stehe an der Spitze.

Zweitens hielt Oliver Glasner an der bisherigen Spielweise und Formation fest. Obwohl er zwischenzeitlich über mögliche Anpassungen nachgedacht hat, entschied er sich, die ohnehin sich erst wieder finden müssende Mannschaft nicht mit zusätzlichen Neuerungen zu überfordern. Die 3-4-3-Grundordnung bietet dem Trainer grundsätzlich im Spielaufbau viele verschiedene Optionen, zudem passt sie zu den Anlagen des Teams: Palace hat mehrere gute Zentralverteidiger, laufstarke Außen, spielintelligente Mittelfeldakteure und mit Jean-Philippe Mateta einen robusten und verlässlichen Torjäger. Die Abwehr um Englands Nationalspieler Marc Guehi ist in der Gegenwart der stärkste Mannschaftsteil, die Zugänge Trevoh Chalobah und Maxence Lacroix haben sich an Guehis Seite als Verst­ä­rku­ngen erwiesen. In der Offensive dagegen kommen die Neuverpflichtungen noch nicht an die Leistungen ihrer Vorgänger heran.

Die wichtigste Botschaft von Oliver Glasner: Ein Trainer muss ein Menschenfreund sein

Einige Führungsprinzipien erläuterte Oliver Glasner kürzlich in einer Gesprächsrunde mit Studenten am Londoner King’s College. Seine wichtigste Botschaft war, dass man ein Menschenfreund als Trainer sein müsse, weil jeder Spieler gehört und gesehen werde wolle. Wenn man sich nicht ausreichend um sie kümmere, würden diese das irgendwann bemerken, betonte Glasner. Neben seinen fachlichen Qualitäten hat ihn sein verbindlicher Umgang mit Spielern und Medien in seiner Laufbahn immer ausgezeichnet. Über die Suche nach Lösungen in komplexen Lagen reflektierte er: Kreativität benötigt Raum. Nur im Büro zu sitzen, funktioniere nicht, glaubt Glasner. Er selbst suche dann Abstand bei einer Runde Padel-Tennis oder einer Golfeinheit auf der Driving Range.

Glasners Wirken hat das aufgeregte Umfeld von Crystal Palace beruhigt und stabilisiert. Auch bei den Fans erfreut er sich Beliebtheit und Vertrauens. Es wird ihm hoch angerechnet, den Spielstil attraktiver gemacht und die Mannschaft verjüngt zu haben. Es bildet sich derzeit immer mehr eine neue Hierarchie heraus. Als Lohn für die Arbeit hat Palace am nächsten Mittwoch im League Cup beim FC Arsenal die seltene Chance, ins Halbfinale einzuziehen. Einen Titel hat der Klub in seiner Historie noch nicht gewonnen – anders als Glasner, der Eintracht Frankfurt 2022 zum Europa-League-Sieg führte. Zur Offerte des FC Bayern, der er seinerzeit bestimmt nicht abgeneigt gewesen war, sagte Oliver Glasner soeben, es ergebe keinen Sinn, über etwas zu sprachen, was vor einem halben Jahr hätte passieren können. Für ihn habe Crystal Palace immer im Fokus gestanden. Und aus Sicht des Klubs soll das auch noch möglichst lange so bleiben.

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