Trainer Pochettino beim FC Chelsea

Der renommierte Trainer im Fußballkindergarten

15. Mrz 2024, 20:37 Uhr

Talenteversteher: Chelsea-Trainer Mauricio Pochettino (rechts) gibt Anweisungen an seinen Spieler Mychajlo Mudryk, 23. (Foto: Nigel Keene / Imago)
Talenteversteher: Chelsea-Trainer Mauricio Pochettino (rechts) gibt Anweisungen an seinen Spieler Mychajlo Mudryk, 23. (Foto: Nigel Keene / Imago)

Vor dem FA-Cup-Viertelfinale gegen Leicester City wächst beim FC Chelsea der Unmut über die nächste ernüchternde Saison. Die Kritik richtet sich an Trainer Mauricio Pochettino – doch der besitzt den Rückhalt der Spieler.

Von Sven Haist, London

Mauricio Pochettino scheint sich bisher mit dem Chelsea FC besser zu arrangieren als der Klub mit ihm. Im vergangenen Sommer verpflichteten die Klubvorsitzenden Todd Boehly und Behdad Eghbali, hinter denen das US-Kapitalvehikel Clearlake steckt, den Argentinier als neuen Trainer. Dieser hatte sich beim Southampton FC und bei Tottenham Hotspur den Ruf erworben, junge Mannschaften weiterentwickeln zu können. Das ist auch Pochettinos gegenwärtige Aufgabe bei Chelsea: Seit der Absetzung des Oligarchen-Eigentümers Roman Abramowitsch im Mai 2022 setzt der Verein mehr auf Talente als Stars.

Allerdings konnte Pochettino die hohen Erwartungen in dieser Saison bisher nicht erfüllen. In der Meisterschaft ist Chelsea abgeschlagen, als Elfter beträgt der Rückstand auf die Tabellenspitze 25 Punkte. Und im League-Cup-Final unterlagen die Blues kürzlich einem stark ersatzgeschwächten FC Liverpool. Daher ist der Einzug in den Halbfinal des FA-Cups am Sonntag im Heimspiel gegen den Zweitligisten Leicester City Pflicht – und selbst ein Sieg in diesem Wettbewerb würde nicht garantieren, dass die Fans zufrieden wären. Denn der Klub definiert sich über Titel in der Premier League und Champions League.

Mauricio Pochettino ist bereits der vierte Chelsea-Trainer in zwei Jahren

Der Unmut über Chelseas nächste ernüchternde Saison spitzte sich kürzlich beim Auswärtsspiel in Brentford zu. Die Fans beschimpften Boehly und forderten den Rauswurf von Pochettino. Aufgrund seiner Vergangenheit beim Stadtrivalen Tottenham wurde die Einstellung des Trainers allenfalls geduldet, in der Öffentlichkeit hat er einen schweren Stand. Die Ehefrau des Chelsea-Routiniers Thiago Silva griff seine Autorität an, indem sie in einem Social-Media-Post kryptisch kundtat, es sei «Zeit für einen Wechsel».

Der TV-Experte Gary Neville kanzelte das hochpreisige Team nach der Liverpool-Niederlage als «Milliarden-Versager» ab. Und die neuen Klubbesitzer, die in vier Transferperioden über eine Milliarde Pfund Ablöse für Spieler verprasst haben, kennen ohnehin wenig Kulanz: Sie beschäftigen mit Pochettino bereits den vierten Trainer.

Die Fans kritisieren den Trainer, doch die Spieler loben ihn

Trotz der unablässigen Kritik versucht Pochettino, die Gemüter zu beruhigen. Er gibt sich verständnisvoll und kämpft um seinen Verbleib, obwohl ihm sein bisher geringer Einfluss auf die Kaderpolitik des Klubs missfallen dürfte. Kürzlich stellte er klar, dass er «nicht aufgeben» werde. Warum tut er sich als renommierter Trainer den Chelsea FC weiter an?

Mauricio Pochettino kämpft um seinen Verbleib als Trainer des FC Chelsea.

Kurz vor seiner Entlassung bei Tottenham im November 2019 hatte Pochettino den Eindruck vermittelt, dass er einstweilen genug von der Zusammenarbeit mit jungen Spielern habe. Er wollte seinen ersten Titel – und wechselte danach zu Paris Saint-Germain. Tatsächlich gewann der 52-Jährige mit PSG die französische Meisterschaft und den Cup. Nach anderthalb Jahren trennte sich der Verein zum Saisonende 2022 allerdings wieder von ihm. Er schien mit den Eigenwilligkeiten vieler Stars nicht klarzukommen.

Unter Pochettino trat Chelsea mit der jüngsten Startelf der Klubhistorie an

Bei Chelsea sah Mauricio Pochettino mutmasslich beides: eine entwicklungsfähige Equipe und die Chance zu gewinnen. Entsprechend forsch ging er die Sache an, was das Team zu überfordern schien. Später änderte er die Rhetorik, stellte statt des Erfolgs die Perspektive in den Vordergrund. Auch das funktionierte nur bedingt. Mittlerweile hat Pochettino eine gute Mischung gefunden: Er leidet und freut sich mit den Spielern, fördert sie und verzeiht Fehler. Bisweilen wirkt er wie ein Erzieher im Fussball-Kindergarten. Unter ihm trat Chelsea mit der jüngsten Premier-League-Startformation der Klubgeschichte an – 23 Jahre und 21 Tage.

Die Mannschaft honoriert indes Pochettinos Einsatz. So, wie der Trainer arbeite, werde das Team in Zukunft «nur besser» werden, sagt der Stürmer Cole Palmer. Die Hoffnung des Chelsea FC besteht darin, dass aus den Talenten irgendwann Stars werden. Bis dahin dürfte es allerdings noch eine Weile dauern.

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