Verletzungsmisere bei Newcastle United

Absturz der Elstern

12. Mrz 2024, 19:55 Uhr

Newcastle-Angreifer Anthony Gordon (Mitte) teilt seinem besorgten Trainer Eddie Howe (links) während des Spiels beim FC Chelsea mit, dass er nicht mehr weiterspielen kann. (Foto: John Walton)
Newcastle-Angreifer Anthony Gordon (Mitte) teilt seinem besorgten Trainer Eddie Howe (links) während des Spiels beim FC Chelsea mit, dass er nicht mehr weiterspielen kann. (Foto: John Walton)

Nach über 20 Jahren qualifizierte sich Newcastle United in der Vorsaison erstmals wieder für die Champions League. Doch der Kader schien der Mehrfachbelastung in dieser Spielzeit nicht gewachsen zu sein. Das Resultat: zu viele verletzte Spieler. Mit diesem Problem steht der Klub in Europa nicht allein dar.

Von Sven Haist, London

Verletzte Spieler gerieten bei Newcastle United auch bei der Auswärtsniederlage gegen den FC Chelsea am Montag wieder zum vorherrschenden Gesprächsthema. Als Vorsichtsmaßnahme schickte Newcastle schon zu Beginn der Premier-League-Partie einen Physiotherapeuten auf die entfernte Spielfeldseite, um den Zustand des sichtbar angeschlagenen Offensivspielers Anthony Gordon zu beobachten. Kurz vor der Halbzeit nahmen die Beschwerden des Engländers zu und er musste auf dem Platz behandelt werden. Ein Vereinsarzt beugte sein linkes Knie dabei unsanft. „Don’t do that!“, schrie Gordon auf, lass das. Humpelnd verließ er das Spielfeld. Newcastles Trainer Eddie Howe sagte nach der Partie, es sehe bei seinem Spieler „nicht allzu gut“ aus – womit die Verletzungsmisere des Klubs anhält. In den vergangenen Monaten fehlte der Mannschaft bisweilen eine ganze Elf an Spielern.

Erstmals nach 20 Jahren spielte Newcastle wieder Champions League

Uniteds erhebliche Personalsorgen scheinen ein Resultat der erfolgreichen Vorsaison zu sein. Erstmals hatte sich der Klub nach über 20 Jahren für die Champions League qualifiziert. Dadurch kamen auf einmal zu den ohnehin schon 38 Meisterschaftsrunden in der Premier League und den beiden nationalen Pokalwettbewerben noch strapaziöse Europapokalmatches hinzu. Im League Cup erreichte United das Viertelfinale, im FA Cup geht es am Sonntag im Viertelfinale zu Manchester City. So befanden sich die Spieler vor allem in der Hinrunde fast jede Woche im Mehrfacheinsatz. Und das mitunter in der mutmaßlich anspruchsvollsten Champions-League-Vorrundengruppe. Die Kontrahenten hießen: Paris Saint-Germain, Borussia Dortmund und AC Mailand. Bis zum letzten Spieltag besaß das letztlich ausgeschiedene Newcastle die Chance auf das Weiterkommen ins Achtelfinale.

Die überzugenden Königsklassenspiele waren Wohl und Wehe zugleich

Doch diese beachtliche Leistung war Wohl und Wehe zugleich für die Magpies, die Elstern. Trotz der kostspieligen Aufrüstung des Kaders in dern vergangenen Jahren wirkte es, als könnte die Mannschaft der neuen Beanspruchung auf internationalem Spitzenniveau nicht standhalten. Immer mehr Spieler verletzten sich im Verlauf der ersten Saisonhälfte. Und mit jedem Ausfall wurde ein weiterer wahrscheinlicher, weil sich die unerbittliche Abfolge der Matches weniger aufteilen ließ.

Für die Highlight-Spiele in der Königsklasse konnten die United-Spieler zwar die Kräfte bündeln. Aber in der Premier League war das auf Dauer nicht möglich. Der Klub rutschte in der Tabelle ab, momentan ist Newcastle Zehnter, der Rückstand auf die Tabellenspitze beträgt 24 Punkte. Wieder einmal zeigte sich, dass international ambitionierte Klubs wie Newcastle, deren Kaderqualität in puncto Erfahrung und Ausgeglichenheit nicht auf Höchstniveau ist, den Ausfall mehrerer Stammspieler in kurzer Zeit nicht auffangen können. Dies bewahrheitete sich in der Vergangenheit bisweilen selbst beim FC Liverpool, das in den ebenfalls massiv von Verletzungen beeinträchtigen Jahren 2021 und 2023 hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben war.

Viele Spieler können höchsten Ansprüchen genügen, aber nicht dauerhaft wie gefordert

Die sogenannte Todesgruppe der Champions League hat also in gewisser Weise die Saison von Newcastle stark beeinträchtigt. Und wohl ebenso die von Dortmund und Mailand. Beide Klubs mussten in ihren Ligen in der Hinrunde federn lassen. Der AC Mailand hängt Tabellenführer Inter Mailand in Italien um 16 Punkte nach, beim BVB sind es 20 Punkte auf Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Für den Rückstand scheint es derweil in der Öffentlichkeit wenig Verständnis zu geben. Alle drei Vereine werden national anhand ihrer international überzeugenden Darbietungen gemessen.

Dabei beweist der überwiegend ähnliche Saisonverlauf, dass viele Spieler dieser physisch und mental hohen Ansprüchen genügen können – aber nicht so kontinuierlich, wie es der Spielplan verlangen würde. Das Resultat fiel in Newcastle, Dortmund und Mailand zuletzt gleichermaßen aus: viel zu viele verletzte Spieler.

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