Besitzerwechel beim FC Everton
Ein Filmproduzent soll den FC Everton retten
25. Sep 2024, 18:16 Uhr
Nach mehr als zweijähriger Investorsuche löst die US-Firma Friedkin Group den bisherigen Besitzer Farhad Moshiri beim FC Everton ab. Möglich machte den Deal eine ausgelaufene Vereinbarung mit 777 Partners. Durch Friedkins Einstieg könnte Everton auch sportlich wieder Land sehen.
Seit einigen Jahren führt der Everton Football Club gewissermaßen einen doppelten Abstiegskampf. Das Gründungsmitglied der Premier League versucht verzweifelt, sowohl sportlich als auch finanziell nicht im Mersey-River unterzugehen. Unter dem Besitz des britisch-iranischen Geschäftsmanns Farhad Moshiri hat sich der lange über seinen Verhältnissen wirtschaftende Klub hoch verschuldet. In der Vorsaison zog die Premier League dem Klub acht Punkte ab, weil er wiederholt gegen die Finanzregeln verstoßen hatte.
Trotzdem gelang es den Toffees, die auch „Überlebenskünstler“ heißen könnten, sich immer irgendwie über Wasser zu halten. In der Saison 2022/23 zum Beispiel gelang Everton der Ligaerhalt erst am letzten Spieltag. In dieser Spielzeit hängt die für die Abstiegszone eigentlich zu gute Mannschaft des robusten Trainers Sean Dyche erneut unten drin. Doch nun sieht es zumindest finanziell so aus, als stünde Everton tatsächlich nach mehr als zweijähriger Suche nach einem Investor ein belastbarer Rettungsring in Aussicht. Ausgeworfen nicht, wie schriftlich vor genau einem Jahr anvisiert, von der Investmentmannschaft 777 Partners, sondern von der Friedkin Group.
Ende Mail lief eine Kaufvereinbarung zwischen Everton und 777 Partners aus
Am Montag hat der Everton FC mitgeteilt, dass sich die Friedkin Group mit Blue Heaven Holdings, über die Moshiri seine 94 Prozent der Anteile hält, über die Bedingungen für den Kauf des Klubs geeinigt hat. Die Transaktion steht wie immer unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch mehrere Kontrollorgane, der Premier League, Englands Football Association und der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde. Die Ratifizierung des Deals dürfte diesmal aber – im Gegensatz zur ausbleibenden Genehmigung für 777 Partners – eher kein Hindernis darstellen und bald abgeschlossen sein. Hinter der US-Firma steckt der Hollywood-Filmproduzent und Stuntpilot Dan Friedkin, 59, der sie von seinem Vater übernahm. Der hatte das Milliardenvermögen der Familie einst durch die Distribution von Toyota-Autos aufgebaut.
Den Einstieg der Friedkin Group, die auch im Besitz des Serie-A-Klubs AS Rom und des französischen Viertligisten AS Cannes ist, ermöglichte eine Ende Mai ausgelaufene Kaufvereinbarung zwischen Moshiri und 777 Partners. Kurz zuvor war berichtet worden, dass das in Miami sitzende 777 ein Team aus Umstrukturierungsexperten zur Unterstützung bei „verschiedenen operativen Herausforderungen“ beauftragt habe. Dabei galt der Traditionsverein Everton als die wertvollste Antiquität im Fußball-Portfolio von 777, das sich in den vergangenen Jahren mehrere historische Vereine aus verschiedenen Ländern einverleibt hat, darunter auch den strauchelnden deutschen Zweitligisten Hertha BSC.
Liga-Geschäftsführer Masters sagte, jeder könne zu 777 Partners “eigene Schlüsse” ziehen
Richard Masters, der Geschäftsführer der Premier League, verlautbarte im Mai 2024, die Liga habe 777 „sehr deutlich“ gemacht, welche Bedingungen für eine Everton-Übernahme zu erfüllen seien. Vielsagend fügte er damals hinzu, Beobachter dieses Falls könnten ihre „eigenen Schlüsse“ ziehen. Im Raum stand, dass die Premier League von 777 Partners einforderte, Evertons kostspielige Kredite zu begleichen und die Finanzierung zur Fertigstellung des im Bau befindlichen neuen Stadions an den Bramley-Moore-Docks zu gewährleisten. Die Arena zählt zu den Austragungsorten der EM 2028 in Großbritannien und Irland. Infolge der Abmachung mit Moshiri hatte 777 von September 2023 bis Mai 2024 insgesamt ungefähr 200 Millionen Pfund in Form von Darlehen in den Klub investiert. Sie deckten unter anderem die laufenden Betriebskosten. Im Frühjahr verbuchte Everton zum sechsten Mal hintereinander einen riesigen Verlust, für die Saison 2022/23 betrug er 90 Millionen Pfund.
Die 777-Zahlungen erwiesen sich jedoch nach der Vertragsauflösung für den Klub als weiteres gravierendes Problem: Denn die Friedkin Group brach die ersten Gespräche mit Moshiri im Sommer ab, dem Vernehmen nach, weil Unklarheiten über die Herkunft der Finanzspritzen von 777 Partners bestanden hatten. In den neuerlichen Annäherungen soll die Friedkin Group nun eine Abmachung über den Kredit mit der Versicherungsgruppe A-Cap geschlossen haben, einem der angeblichen 777-Hauptfinanziers. Mehrere Medien schreiben, dass A-Cap offenbar das eigene, an 777 Partners geliehene Geld gegen deren Vermögenswerte abgesichert habe.
Ein Sprecher der Friedkin Group kündigte an, den Klub stabilisieren zu wollen
Zudem fand die Friedkin Group eine Einigung mit Rights and Media Funding, ebenfalls ein Everton-Anleger, der einst 225 Millionen Pfund zu einem wohl enormen Zinssatz bereitgestellt hatte. Im Rahmen des zunächst gescheiterten Übernahmeversuchs hatte die Friedkin Group bereits rund 200 Millionen zugesagt. Das Darlehen, das jetzt in Eigenkapital umgewandelt werden könnte, wurde unter anderem dafür verwendet, einen für das Stadion aufgenommenen 158-Millionen-Kredit von MSP Sports Capital und zwei weiteren Geschäftsleuten abzubezahlen.
Zehn von 20 Premier-League-Klubs werden nun von US-Amerikanern geführt
Das Gesamtvolumen des Moshiri-Friedkin-Pakts lässt sich kaum genau beziffern. Aber als nahezu gesichert gilt, dass Evertons bisheriger Eigentümer Moshiri, der 2016 knapp 50 Prozent der Anteile erwarb und sie dann sukzessive ausbaute, eine dreistellige Millionensumme im Mersey versenkt hat. Unter seiner Führung hatte der neunmalige Meister vor, mit waghalsigen Spielertransfers wieder zur Elite aufzurücken. Nun schlägt der Klub erst einmal realistischere Ziele an. Ein Sprecher der Friedkin Group kündigte an, dem Klub „Stabilität verleihen“ zu wollen und das Stadion fertigzustellen. Die Friedkin Group freue sich darauf, „Wächter dieses legendären Fußballvereins“ zu werden, der inzwischen über 146 Jahre alt ist.
Sollte die Übernahme vonstattengehen, würden nach aktuellem Stand zehn der 20 Premier-League-Klubs mehrheitlich von US-Amerikanern geführt werden. Anschaffung und Aufsicht von namhaften englischen Vereinen sind so kostspielig geworden, dass sie fast nur noch von hochvermögenden Investorenkonsortien gestemmt werden können. Die Rückendeckung der Friedkin Group dürfte dem FC Everton helfen, vielleicht auch sportlich bald wieder Land zu sehen.