Conor Bradley beim FC Liverpool
Hauseigenes Jubiläumsgeschenk
01. Feb 2024, 18:43 Uhr
Mit dem eigenen Profi-Durchbruch beschenkt Conor Bradley seinen Trainer Jürgen Klopp zu dessen 200. Premier-League-Sieg. Das Talent des FC Liverpool steuert ein Tor und zwei Vorlagen zum 4:1 gegen Chelsea bei – und könnte dem Klub viel Geld sparen.
Als Jürgen Klopp im vergangenen November die Eigentümer des FC Liverpool über seinen Rücktritt zum Saisonende informierte, versuchte Mitbesitzer Mike Gordon mit einem lukrativen Angebot, den Trainer doch noch umzustimmen. Wie die Stadtzeitung Liverpool Echo berichtete, hatte Gordon Klopp einen Blankoscheck ausgestellt, bei dem der Trainer quasi jede Summe für seinen Verbleib hätte eintragen können. Derzeit erhält der Deutsche dem Vernehmen nach rund 15 Millionen Pfund pro Saison. Die Kalkulation von Gordon dürfte gewesen sein, dass Klopp durch seine erfolgreiche Arbeit mit der Mannschaft ohnehin die möglichen höheren Kosten wieder einspielen würde, in Form von sportlichen Erfolgen und einer Wertsteigerung des Teams. Denn Klopp besitzt mit seinen Mitarbeitern im Verein nicht nur eine bemerkenswerte Trefferquote bei den Transfers. Sondern er schafft es darüber hinaus immer wieder, junge Spieler aus der Nachwuchsakademie im Profiteam zu etablieren – wie nun das Talent Conor Bradley.
Bradley ist der jüngste Spieler nach Raheem Sterling, der für Liverpool ein Tor und eine Vorlage erzielte
Bei Liverpools überzeugendem 4:1 (2:0) gegen den FC Chelsea am Mittwochabend beschenkte Bradley Klopp zu dessen 200. Premier-League-Sieg – mit seinem Durchbruch im englischen Fußball. Der Rechtsverteidiger steuerte in seinem erst zweiten Ligaspiel überhaupt ein Tor und zwei Assists bei, womit Liverpool bei einem Spiel mehr das Fünf-Punkte-Polster an der Tabellenspitze vor dem ebenfalls siegreichen Manchester City verteidigte. Schon am Sonntag hatte Bradley zwei der fünf Treffer seiner Elf beim Weiterkommen gegen Norwich im FA Cup aufgelegt. Auch bei seinem Ligadebüt vor zehn Tagen in Bournemouth war dem Nordiren auf Anhieb ein Assist gelungen. Damit ist Bradley mit 20 Jahren und 206 Tagen der jüngste Liverpool-Spieler seit dem Stürmer Raheem Sterling, der in einem Erstligaspiel sowohl ein Tor als auch eine Vorlage erzielte.
Bei seinem Treffer sprintete Bradley aus der eigenen Hälfte los
Und genau jenem Sterling, der vor anderthalb Jahren von Manchester City zu Chelsea gewechselt war, lief Conor Bradley in der 39. Spielminute auf der rechten Seite davon. Er antizipierte früh eine Spielverlagerung und sprintete aus der eigenen Hälfte los. Zwei Mal legte er sich den Ball nach dem Steilpass von Luis Díaz vor, dann zog er im Strafraum mit rechts ab – und traf zum 2:0, auch weil Mitspieler Diogo Jota, den er zuvor beim ersten Treffer mit einem Zuspiel bedient hatte, einen Gegenspieler aus dem Weg blockte. Aus Freude über den ersten Profitreffer seiner Karriere rutschte er zur Eckfahne. Er fühle sich „wie im Traum“ und könne sich „an nichts mehr erinnern“, sagte Bradley später, weil es „unwirklich“ sei, ein Tor für seinen Lieblingsverein zu erzielen.
In der 65. Minute vollendete Bradley seine beeindruckende Leistung mit einer Flanke zum 3:0-Torschützen Dominik Szoboszlai. Im gemeinsamen Interview witzelte Szoboszlai, dass Alexander-Arnold nun auf seine Position “aufpassen” sollte. Jener wurde nach überstandener Knieblessur eingewechselt – für Conor Bradley.
Klopps Asisstent sagte, er würde für die Fähigkeiten von Bradley “die Hände und Füße ins Feuer” legen
Im September 2019 kam der seinerzeit 16-Jährige von der Jugendabteilung des semiprofessionellen nordirischen Klubs Dungannon United nach Liverpool. Auch andere englische Spitzenvereine hatten um ihn geworben. Klopps Assistenten Pep Lijnders und Vitor Matos wurden sofort auf ihn aufmerksam und zu seinen wichtigsten Fürsprechern im Verein. Klopp erzählte, dass Lijnders und Matos ihm wegen Bradleys Fähigkeiten schon eine Weile „in den Ohren“ gelegen hätten. Lijnders habe ihm sogar mitgeteilt, er würde „sowohl seine Hände als auch Füße ins Feuer“ legen, dass Conor Bradley irgendwann den Sprung zu den Profis schaffen würde. Aus diesem Grund sei seine Aufgabe jetzt die „leichteste“ gewesen, kokettierte Klopp: „Ich musste ihn nur aufstellen!“
Bradley wurde vor zweieinhalb Jahren zur ersten Mannschaft befördert; er bekam damals im League Cup mehrere Einsatzchancen und wurde in der Champions League spät gegen den AC Mailand eingewechselt. Nach seiner Leihe zum Drittligisten Bolton in der Vorsaison, wo er zum Spieler des Jahres gekürt worden war, plante ihn der Klub in dieser Runde als festen Bestandteil bei den Profis ein. Doch zu Saisonbeginn erlitt Bradley eine Stressfraktur im Rücken, die ihn monatelang außer Gefecht setzte. Erst im vergangenen Dezember konnte er wieder auf höchstem Niveau spielen – und bekam dann zu Jahresanfang eine Bewährungsmöglichkeit, als Liverpools etatmäßiger Rechtsverteidiger Alexander-Arnold ausfiel.
Conor Bradley steht sinnbildlich für die gute Nachwuchsarbeit des Klubs
Seitdem hat Bradley alle fünf Pflichtspiele in der Startelf absolviert und kommt auf ebenso viele Torbeteiligungen. Er steht sinnbildlich für den Vorstoß der hauseigenen Jungprofis in dieser Saison. Speziell im Januar, als Liverpool einige Ausfälle zu beklagen hatte, trugen sie maßgeblich zur guten Ausgangslage des Klubs für den Rest der Saison bei. Zehn Spieler aus der Liverpool-Akademie haben bereits vier und mehr Pflichtspiele in dieser Runde absolviert, darunter der ebenfalls überraschend stark aufspielende Innenverteidiger Jarell Quansah.
Laut dem Portal Transfermarkt hat Liverpool insgesamt neun eigene Nachwuchsspieler im Kader. Zusammen kommen sie auf mehr Premier-League-Einsätze als die Jungprofis in den anderen Vereinen. Während der achteinhalbjährigen Amtszeit von Klopp soll der Verein durch den Verkauf von Talenten rund 125 Millionen Euro eingenommen haben. In diese Kategorie fallen Spieler, die mindestens schon in der U-17-Mannschaft des jeweiligen Klubs aufgelaufen sind.
Trotz der landläufigen Meinung in England im vergangenen Sommer, dass der FC Liverpool für die eigenen Ambitionen noch einen Ersatzverteidiger für Alexander-Arnold verpflichten müsste, vertraute Klopp auf Conor Bradley – und sparte dem Verein auf diese Weise wohl wieder viel Geld.