Jürgen Klopp gegen Pep Guardiola

Vielleicht zum letzten Mal: Feuer gegen Wasser

08. Mrz 2024, 18:15 Uhr

Der eine Feuer, der andere Wasser - trotz ihrer Rivalität schätzen sich Jürgen Klopp (links) und Pep Guardiola. (Foto: Shutterstock / Imago)
Der eine Feuer, der andere Wasser - trotz ihrer Rivalität schätzen sich Jürgen Klopp (links) und Pep Guardiola. (Foto: Shutterstock / Imago)

Am Sonntag treffen Jürgen Klopp und Pep Guardiola mit ihren Klubs FC Liverpool und Manchester City zum 30. Mal aufeinander. Ihre Andersartigkeit in Auftreten und Spielweise hat den Weltfußball geprägt – und die Rivalitäten in England verschoben.

Von Sven Haist, London

Die Fußballtrainer Jürgen Klopp und Pep Guardiola sind wie Feuer und Wasser. Sie gehören zusammen und sind zugleich gegensätzlich. Ihre Rivalität fasziniert den Weltfußball, überall auf dem Globus wird über sie berichtet. Die südafrikanische Zeitung Daily Maverick schrieb über das Duell der beiden zum Beispiel, dass es der Auseinandersetzung zwischen Lionel Messi und Cristiano Ronaldo gleiche. Doch wie bei der Debatte um den besten Fußballspieler der Welt sei auch in diesem Fall das Spiel selbst der Gewinner – also der Fußball.

In den vergangenen elf Jahren hat keine Trainerpaarung die Sportart mehr geprägt und entwickelt als die Auseinandersetzung zwischen Klopp, 56, und Guardiola, 53. Erstmals begegneten sich die beiden 2013, als Guardiola in Diensten des FC Bayern und Klopp von Borussia Dortmund stand. Nach zwei gemeinsamen Saisons in der Bundesliga wechselten sie nach England: Klopp zum FC Liverpool 2015, Guardiola zu Manchester City 2016.

Klopp und Guardiola gewannen zuletzt 18 von 25 Titeln in England

Insgesamt 29 Mal fand ihr Duell bisher statt, öfter als jede andere gegenwärtige Trainer-Ansetzung. In den neun gemeinsam absolvierten Ligaspielzeiten – in der Bundesliga von 2013 bis 2015 und seit 2016 in der Premier League – belegten die Ausnahmekönner mit ihren Klubs viermal die ersten zwei Tabellenplätze. In der Champions League erreichte in fünf der vergangenen sechs Saisons entweder Guardiola oder Klopp das Finale. Und in England gingen zuletzt 18 von 25 Titeln an die beiden – darunter alle sechs Meisterschaften, womöglich in diesem Jahr die nächste.

Klopps Liverpool und Guardiolas City befinden sich im Titeldreikampf mit dem FC Arsenal und stehen sich am Sonntag in Anfield gegenüber. Sofern sich die Vereine nicht auch noch im FA Cup messen, wird nach dem angekündigten Rücktritt Klopps zum Saisonende ihr 30. Duell das vorerst letzte sein.

Eine Analyse können aus englischer und deutscher Perspektive die Funktionäre Les Reed und Michael Reschke liefern. Als jahrelanger Sportchef des englischen Fußballverbands hat Reed die Auseinandersetzung aus der Nähe beobachtet. Und Reschke erlebte als Technischer Direktor des FC Bayern die Guardiola-Zeit in München mit – und damit den Beginn des Wettstreits mit Klopp.

“Klopp frisst die Gegner auf, Guardiola filetiert sie”, sagt Michael Reschke

Gleich zu Beginn sagt Reed am Telefon, dass die beiden “die Rivalitäten auf der Insel verschoben” hätten. Statt der ewigen Auseinandersetzung zwischen Rekordmeister Manchester United (20 Titel) und Liverpool (19) fokussiere sich die Premier League nun auf Liverpool gegen City. Dabei betont Reschke, dass es sich um eine “unglaublich respektvolle Art der Rivalität” handele. Klopp und Guardiola schätzten sich “über die Maßen”, obwohl die Unterschiede zwischen ihnen ausgeprägter seien als die Gemeinsamkeiten. Auch diese Andersartigkeit macht den Wettkampf der beiden so faszinierend.

Diese Trainer würden verstehen, dass ein Klub “nur in der Gesamtheit erfolgreich sein” könne und dass dies “nicht ausschließlich an ihrer eigenen Magie” liege, analysiert Reed. Beide eint die Liebe zum Spiel und ihre Intelligenz, die sich in außergewöhnlicher Fach- und Vermittlungskenntnis sowie in hoher Authentizität ausdrückt. Auch der Umgang mit der Öffentlichkeit weist Ähnlichkeiten auf: Guardiola und Klopp schützen ihre Spieler und ihre Vereine gegen jede Kritik. Und sie sind noch nie irgendwo entlassen worden – weil sie dafür schlicht “zu gut” seien, glaubt Reschke. Er hält sie “für die besten Trainer ihrer Generation”. Dafür, dass sie ihren Wettbewerb in der Premier League austragen, werde die Liga “weltweit beneidet”, fügt Reed hinzu.

“Klopp nimmt mehr Einfluss auf die Fans, Guardiola auf das Spiel”, findet Michael Reschke

Doch diese Dinge gestalten sie auf ihre eigene Art. Als Mensch wirke Guardiola wie eine Violine und Klopp wie ein Schlagzeug, findet Reschke. Stets gibt sich der Katalane kontrolliert, detailliert und fokussiert, er bevorzugt eher die Distanz und nicht die Nähe wie Klopp. Den Deutschen macht seine Zugänglichkeit gefühlsbetont, ungezwungen, entspannt. Daraus ergebe sich, dass Guardiola “mehr Einfluss auf den Fußball und Klopp mehr auf die Fans” nehme. Und das spiegelt sich auch im Vermächtnis der beiden wider.

Guardiola ist es durch taktische Innovationen auf seinen Stationen (Barcelona, München und Manchester) gelungen, die Entwicklung des Spiels mitzugestalten. Klopps Wirken bemisst sich an der ausgelösten Begeisterung an all seinen Standorten. Er hat es überall (Mainz, Dortmund und Liverpool) geschafft, einen kriselnden Klub zu stärken und die Fans zu euphorisieren. Reed sagt, dass Klopp die Menschen “wie ein Magnet” anziehe.

Klopps Pressing und Guardiolas Ballbesitz haben das Verteidigen und Angreifen verändert

Das Fundament für ihre Anerkennung bildet der außerordentliche Erfolg. Dabei repräsentieren die Spielweisen ihre Persönlichkeiten: Guardiolas Ballpassagen gleiten elegant und gleichmäßig dahin wie Wasser; Klopps Feuerfußball ist intensiv und zügellos. Reschke meint, die Teams von Klopp würden “die Gegner auffressen, die von Guardiola sie filetieren”. Klopps Pressing und Guardiolas Ballbesitz haben das Verteidigen und Angreifen verändert. Beides mischt sich mit der englischen Intensität, was die direkten Partien unberechenbar, ereignisreich und atemberaubend macht.

Jürgen Klopp sei sein größter Rivale, sagt Pep Guardiola.

Dass sich Klopp und Guardiola seit Jahren in England wohlfühlen, liegt auch daran, dass sie zu ihren Stilen den “passenden Verein gefunden” haben, was nicht alltäglich sei, erklärt Reed. Liverpool bekräftigt als Leidenschaftsklub das Gemeinschaftserlebnis. Zwar hat die Kommerzialisierung auch die Reds vereinnahmt, sie gehören seit 2010 der US-Investorengruppe Fenway Sports. Aber die Eigentümer verfolgen ein Modell, wonach sich der Klub finanziell selbst tragen soll. Im Vergleich dazu ist City der Inbegriff eines investorengeführten Klubs, der 2008 vom Emirat Abu Dhabi gekauft wurde.

Durch den Rücktritt von Klopp, gehe ein Teil von City verloren, findet Guardiola

Trotz des Konkurrenzkampfs drücken beide bei jeder Gelegenheit ihre Bewunderung für den anderen aus. Klopp wird nicht müde, Guardiola als “besten Trainer der Welt” zu preisen. Und Guardiola ehrt Klopp als “größten Rivalen”, der ihn besser gemacht habe. Mit seinem Rückzug werde indirekt “ein Teil von City verloren gehen”, prophezeite er kürzlich.

Das Duell von Jürgen Klopp und Pep Guardiola gleicht einem Spiel der Elemente. Feuer kann Wasser verdampfen, Wasser kann Feuer die Energie nehmen. Zwölf Mal hat Klopp bisher gewonnen, elf Mal Guardiola. Wie es diesmal ausgeht, lässt sich nicht prophezeien. Nur eines steht wohl fest: Es wird sehr heiß werden in Anfield.

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