Englische Klubs im Europapokal
Endlich Pause!
01. Mai 2024, 14:21 Uhr
Das frühe Aus der Premier League in der Champions League und Europa League gleicht einem Einschnitt im langen Erfolgszyklus. Die Klubs leiden unter der Vielzahl an Spielen – und unter deren Intensität. Im Vergleich zu anderen europäischen Spitzenligen werden die Spieler deutlich mehr beansprucht.
Erstmals seit 2015 finden die in dieser Woche begonnenen Halbfinals in der Champions League und Europa League ohne englische Beteiligung statt. Nur Aston Villa hat es als einziger Verein aus der Premier League in die Vorschlussrunde der Conference League geschafft. Damit stellt die unbestritten attraktivste Liga der Welt gerade bloß einen der zwölf verbleibenden Teilnehmer in den drei Europapokals. Die Bilanz wirkt wie ein Einschnitt im fast ein Jahrzehnt andauernden Zyklus, in der die Engländer den internationalen Fußball bestimmten.
In den vergangenen sieben Saisons stand immer mindestens eine englische Mannschaft in einem Europapokalfinale. Die Dominanz erreichte in der Spielzeit 2018/2019 ihren Höhepunkt, als die Klubs der Premier League die beiden Finals in der Champions League und Europa League unter sich ausspielten. Sieben Königsklassenfinalteilnahmen in den vergangenen sechs Jahren, darunter die beiden rein englischen Endspiele 2019 und 2021, haben das Verlangen der Inselklubs nach internationalen Erfolgen gesättigt. Die Vorzeigevereine FC Liverpool, FC Chelsea und Manchester City gewannen in dieser Periode jeweils den Henkelpott; Liverpool und Chelsea nach langer Zeit wieder und City erstmals überhaupt in der eigenen Historie.
Den englischen Klubs fehlte es international an Begeisterung, Vitaliät und Leidenschaft
Die Anstrengungen dieser langen Europapokalreisen ließen sich zuletzt in den Viertelfinals erkennen. Den englischen Klubs – Manchester City und dem FC Arsenal in der Champions League sowie Liverpool in der Europa League – schien es an Begeisterung, Vitalität und Leidenschaft in den Duellen mit den kontinentalen Vertretern zu fehlen. Auch bei den Fans stellte sich gerade in den Heimspielen von Manchester City und Liverpool eine gewisse Zufriedenheit ein, die Stimmung hörte sich für englische Verhältnisse ungewöhnlich reserviert an.
Die Ermattung scheint eine Folge des unablässigen Terminkalenders zu sein, der den Spielern in England mit 38 Meisterschaftsrunden, zwei ausdauernden nationalen Pokalwettbewerben sowie dem Europacup keine Ruhepausen erlaubt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben jeweils fast eine Startelf an Profis bei Arsenal und City mehr als 3300 Einsatzminuten für ihre Klubs in dieser Saison absolviert.
Zum Vergleich kommen bei Real Madrid und beim FC Bayern, den beiden Bezwingern der englischen Teams in der Champions League, zusammen lediglich drei Spieler vor dem Halbfinale auf diesen Wert: Harry Kane für die Bayern sowie Federico Valverde und Antonio Rüdiger für Real. Die Dauerspieler in England, Arsenals William Saliba, Gabriel Magalhães und Declan Rice, haben sogar stattliche mehr als 4000 Minuten in den Knochen.
Die Premier League kommt ihren international vertretenen Klubs wenig entgegen – weil der Spielplan kaum Optionen lässt
Während die kontinentalen Ligen, insbesondere die Ligue 1 in Frankreich, sich bemühen, den international vertretenen Klubs bei den Spielansetzungen entgegenzukommen, ist dies in der Premier League eher selten der Fall. Immer wieder beklagen sich hochrangige Trainer wie Citys Pep Guardiola oder Liverpools Jürgen Klopp über die Erbarmungslosigkeit der Spieltaktung. Zwar ließen sich ein paar mehr Kompromisse durchaus vereinbaren, am grundsätzlichen Problem der Planer würde sich aber nichts ändern: dass es defacto keine Ausweichtermine gibt.
Zusätzlich zur Zahl der Pflichtspiele, die sich bei den Ausnahmekönner in England mit Länderspielen auf rund 60 Partien pro Saison aufsummiert, gerät die Intensität der Matches zur Herausforderung. Durch die Qualität der vielen Spitzenklubs ist die Premier League in den vergangenen Jahren immer kompetitiver geworden. Diese Entwicklung setzte mit der Ankunft der Vorzeigetrainer Guardiola und Klopp ein, die das Feld zunächst auseinanderrissen. In der Saison 2017/18 stellte City als Meister mit 100 Punkten eine sagenhafte neue Bestmarke auf. In der darauffolgenden Spielzeit wurde Liverpool mit 96 Zählern hinter City der beste Ligazweite der Geschichte.
Die Qualität der Premier-League-Spiele erlaubt es kaum, Spieler zu schonen
Um den Rückstand auf die beiden Vereine zu verkürzen, passten sich die anderen Klubs der Vorgehensweise an und investierten nachhaltig in ihre Mannschaften. Die Folge: Das Gesamtniveau der Liga stieg kontinuierlich an. Die Attraktivität der Topspiele in der Premier League steht denen in der Champions League um nichts nach, die Abfolge solcher Partien ist sogar ungleich höher als im Europapokal, in dem die Favoriten häufig erst ab dem Viertelfinale ernsthaft gefordert werden.
Aus diesem Grund ist es den Trainern trotz ihrer hochwertig vorhandenen Kadern in der Premier League kaum möglich, die Kräfte ihrer wichtigsten Akteure zu schonen. Speziell in dieser Saison, in der sich mit Manchester City, Arsenal und Liverpool gleich drei Klubs um die Meisterschaft duellieren, sind die Schlüsselspieler durchgehend gefordert.
In den meisten Spitzenligen ist die Meisterschaft entschieden – in der Premier League nicht
In den anderen hochrangigen Ligen – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – zeichnete sich hingegen der vermeintliche Ligagewinner schon frühzeitig ab. Klare Platzierungsverhältnisse an der Tabellenspitze erlaubten es sowohl Real Madrid als auch dem FC Bayern und Paris St.-Germain sich auf den Europapokal zu fokussieren. Beim vierten Halbfinalteilnehmer, Borussia Dortmund, verhält es sich andersherum zu den englischen Vereinen: Der BVB schien sich mehr auf die internationalen Spiele auszurichten und musste in der Bundesliga dafür Tribut zollen, noch immer ist die erneute Qualifikation für die Champions League nicht garantiert.
Beim engen Spielrhythmus und der Qualität der Partien geht es nicht nur um die körperliche, sondern vor allem auch um die mentale Beanspruchung der Spieler. So gesehen ermöglicht das Aus der Engländer in den Europapokalwettbewerben den vielbeanspruchten Spielern nun endlich eine Pause.