Manchester City gewinnt Premier League
Englische Fußballgeschichte in Himmelblau
19. Mai 2024, 20:00 Uhr
Manchester City gewinnt durch ein 3:1 im Heimspiel gegen West Ham United am letzten Spieltag die Meisterschaft der Premier League, der FC Arsenal wird wie im Vorjahr Zweiter. Mit dem vierten Ligatitel in Serie schreibt City englische Fußballgeschichte.
Der Jubel von Manchester City über den Gewinn der englischen Meisterschaft fiel bemerkenswert ausgelassen aus für einen Verein, der in den vergangenen sieben Saisons nun sechs Ligatitel abgeräumt hat. Die Spieler hüpften über den Platz wie kleine Kinder auf dem Spielgelände, die Fans verehrten das kickende Personal mit durchgehenden Sprechgesängen, der aktuelle Favorit: „Champions again, olé olééé“ – und der Trainer Pep Guardiola ballte am Seitenrand gefühlt so oft die Fäuste wie seine Mannschaft in dieser Spielzeit Punkte, 91, und Tore, 96, erzielt hat.
Die Freude dürfte vor allem darauf zurückzuführen gewesen sein, dass City nicht nur erneut Meister geworden ist. Sondern zum sagenhaften vierten Mal in Serie! Dies ist bisher keinem anderen Verein gelungen, weder in der seit 1992 angebrochenen Ära der Premier League noch in der zuvor sogar bis 1888 zurückreichenden Football League. Nicht mal dem ruhmreichen Rekordmeister und Stadtnachbarn United, dem mehrmals drei Titel, aber halt nie vier am Stück gelangen.
Nach dem Abpfiff stürmten die Fans den Platz
Nach dem Abpfiff wollten auch die Fans nachempfinden, wie sich ihre Spieler fühlten. Sie stürmten den Platz und füllten ihn ähnlich flächendeckend aus, wie die Heatmap des Mittelfeldspielers Rodri, dem das entscheidende Tor für Manchester City zum 3:1 (2:1) gegen West Ham United in der 59. Spielminute gelungen war. Die Anhängerschaft kostete den Arbeitsplatz der Spieler eine Weile aus, bis sie diesen unter Pfiffen für die Pokalübergabe aufgaben.
Ähnlich gut wie die Trophäe fühlte sich für die Leute das ausnahmsweise mal in Manchester tadellose Wetter an – gewissermaßen eine Anerkennung der angrenzenden Penninen für die weitgehend fehlerfreie Saison des Klubs. Das Mittelgebirge hat Manchester vergleichbar im Griff wie Guardiola seine Spieler, es erfasst die Stadt selbst im Mai fast täglich mit allen vier Jahreszeiten. Der Himmel strahlte am Sonntagnachmittag genauso hellblau wie die Trikots der Fans. Dazu knallte die Sonne bei 25 Grad aufs Spielfeld, als hätte die Partie am Wüstenstrand im Emirat Abu Dhabi statt, wo sich der Stammessitz der City-Eigentümer um Scheich Mansour befindet.
Arsenals Hoffnung auf die Meisterschaft währt nur 76 Sekunden
Die Hoffnung des Rivalen FC Arsenal, den Dauerchampion eventuell doch sensationell am letzten Spieltag abzufangen, hatte sich praktisch schon nach bereits 76 Sekunden erledigt. In diesem Moment feuerte Citys Offensivallrounder Phil Foden den Ball aus zwanzig Metern ins linke obere Toreck. Der Schuss war derart hart und präzise, dass West Hams Torwart Alphonse Areola nicht einmal versuchte, nach dem Ball zu hechten. Spätestens als Foden in der achtzehnten Spielminute einen weiteren Treffer nachlegte, schaute keiner mehr auf das Ergebnis im Parallelmatch. Arsenal mühte sich zu einem 2:1 gegen den FC Everton – der DFB-Nationalspieler Kai Havertz erzielte das Siegtor. So schloss Arsenal die Saison wie schon in der Vorsaison als Zweiter hinter Manchester City ab, diesmal nur mit zwei Punkten Rückstand.
Aufgrund der Spannungsarmut geriet das als Herzschlagfinale angepriesene Fernduell um die Meisterschaft schnell zum Schaulaufen des Titelhalter. Manchester City rief dem Fußballpublikum nochmals all jene Fähigkeiten ins Gedächtnis, die in dieser Spielrunde zu beobachten waren. Die Spieler dominierten den Ball, den Gegner, das Spiel und zwischenzeitlich wohl auch sich selbst. Die eigenen Ballpassagen verloren an Geschwindigkeit, sodass sich auch der Ball ein bisschen sonnen konnten. Die Torstatistiken lasen sich schon zur Halbzeit wie die Daten der meisten Teams nach Spielende: fünfzehn Torschüsse, knapp vierhundert Pässe und über siebzig Prozent Ballbesitz.
Drei der sechs Meisterschaften gewann City zuletzt am finalen Spieltag
Die Nervenstärke ließ sich bei der Hälfte der zuletzt sechs gewonnenen Meisterschaften beobachten. Bei den ersten beiden Malen verteidigte der Klub am letzten Spieltag die Tabellenführung gegen den FC Liverpool, nun gegen Arsenal. Immer hatte die Guardiola-Elf einen fulminanten Endspurt hingelegt: 2019 waren es vierzehn Siege am Stück, 2022 zwölf ungeschlagene Spiele in Folge und diesmal neun Erfolge in Serie. In jeder dieser Saisons musste City am Ende einen kritischen Moment überstehen, in dem stets Bundesliga-Legionäre zu Matchwinnern wurden.
Im ersten Fernduell mit Liverpool wuchtete der Abwehrhaudegen Vincent Kompany, der einst für den Hamburger SV in noch besseren Zeiten agierte, den Ball aus großer Entfernung zum Siegtreffer in den Winkel. Drei Jahre später sicherte sich der frühere Dortmunder Ilkay Gündogan einen Eintrag in der Klubchronik, in dem er nach seiner Einwechslung mit zwei Toren ein verloren aussehendes Match drehte und sein Team zum Titel führte. Und nun zauberte der Ersatztorwart Stefan Ortega, der zuvor tatsächlich nur für Arminia Bielefeld und den TSV 1860 München agiert hatte, am vorletzten Spieltag im Stile eines Akrobaten einen spektakulären Spagat hervor, mit dem er den Schuss des allein auf ihn zustürmenden Tottenham-Stürmers Heung-Min Son abwehrte.
Damit hatte Manchester City quasi freie Fahrt zur nächsten Meisterschaft. Denn allenfalls Arsenals Die-Hard-Fans trauten dem vor dem Spieltag als Tabellenneunter feststehenden Londoner Stadtnachbarn West Ham zu, mit mindestens einem Remis Schützenhilfe zu leisten. Zwar ließ sich West Ham nicht hängen und wahrte mit beachtlicher Gegenwehr die eigene Reputation als hart schuftender Klub. Der hochgehandelte Angreifer Mohammed Kudus traf sogar in der 42. Minute – mit einem spektakulären Fallrückzieher, bei dem er sich den Ball mit dem linken Fuß selbst auf Kopfhöhe vorlegte und dann fulminant ins Netz knallte. Dem Tor haftete eine Anmut und Grazie an, die ihn sicher noch auf die Kandidatenliste zum Premier-League-Treffer der Saison bringen dürfte.
Der Anschlusstreffer von West Ham glich nur einer kleinen Pulserhöhung
Trotzdem verursachte der Anschlusstreffer nicht mehr als eine kleine Pulserhöhung bei Manchester City. Guardiolas Truppe spielte weiter, als hätte es das Gegentor überhaupt nicht gegeben. Und auch auf der Spielstandanzeige verlor das Gegentor kurz darauf schon seine Wirkung, als Rodri mit einem Flachschuss den alten Zwei-Tore-Abstand für City wiederherstellte. Dass ausgerechnet der Spanier den Triumph konfiszierte, passt zur Herrschaft von Manchester City über den englischen Fußball: Rodri ist mittlerweile seit 74 Klubpflichtspielen unbesiegt.