Pep Guardiola und Manchester City
Sonnenuntergang in Manchester
10. Nov 2024, 18:58 Uhr
Erstmals in seiner Trainerkarriere verliert Pep Guardiola vier Pflichtspiele hintereinander. Die Gründe dafür sind verschieden: Neben der Verletungsmisere gibt es eine große Unsicherheit – um den Verbleib des Trainers und die Zukunft des Klubs.
Das Duell zwischen den Trainern Fabian Hürzeler, 31, und Pep Guardiola, 53, wirkte am Samstag wie der Anfang eines Generationswechsels. Denn Hürzeler besiegte Guardiola nicht nur mit Brighton & Hove Albion – sondern stürzte ihn gewissermaßen in die größte Krise seiner Trainerlaufbahn. „Four in a row“, vier in Folge, der Ausspruch galt im englischen Fußball bis hierhin als Hommage an Manchester City. Als erster Klub überhaupt konnte City unter Guardiola in der ersten englischen Liga vier Meisterschaften hintereinander gewinnen: 2021, 2022, 2023 und 2024. Doch seit der fundamentalen Pleite in Brighton steht das geflügelte Sprüchlein ebenfalls für Guardiolas längste Niederlagenserie. Nach 898 Profispielen an der Seitenlinie hat der Katalane erstmals vier Pflichtspiele in Serie verloren. Das war ihm zuvor nie passiert, nicht mit dem FC Barcelona (2008-2012), nicht mit dem FC Bayern (2013-2016) und seit 2016 bisher auch nicht mit Manchester City.
Auf das League-Cup-Aus bei Tottenham (1:2) vor anderthalb Wochen folgte die Premier-League-Pleite in Bournemouth (1:2), die Auswärtsniederlage in der Champions League gegen Sporting Lissabon (1:4) – und nun wurde Guardiolas Elf mit einem 1:2 in der Premier League aus der Küstenstadt Brighton & Hove nach Hause geschickt. City schluckte am Ärmelkanal mehr Salzwasser, als es Meeresluft atmete. Der Rückstand auf Tabellenführer FC Liverpool, der Aston Villa 2:0 besiegte, vergrößerte sich auf fünf Punkte. „Ist dies der Anfang vom Ende für Guardiolas Manchester-City-Dynastie?“, fragte sogar die seriöse BBC zugespitzt. In den vergangenen sieben Spielzeiten holte City sechs Ligatitel. Nur Liverpool konnte die Reihe einmal, 2020, mit Trainer Jürgen Klopp durchbrechen.
Seinen Frust zeigte Guardiola nach Abpfiff. Auf dem Weg zu den eigenen Fans klatschte er diesmal nicht mit seinen an ihm vorbeilaufenden Spielern ab, er würdigte sie noch nicht mal eines Blickes. Später holte er sein Aufgebot zu einer Unterredung in der Kabine zusammen. Brightons João Pedro, der den City-Profis einen Besuch abstatten wollte, teilte eine Sicherheitsbeauftragte mit, die Türe sei zu. Er musste im Kabinengang warten. Dies erinnerte an die Amazon-Prime-Doku „All or Nothing“, in der Guardiola einst die Spieler zusammenstauchte, er werde ihnen in der Kabine immer die Wahrheit sagen, sie öffentlich aber bis zum letzten Tag in Schutz nehmen. Tatsächlich stellte er sich nach der Brighton-Blamage in den Interviews vor das Team und hielt sich mit Kritik auffallend zurück.
Alles passiere im Leben irgendwann zum ersten Mal, spielte Guardiola die Misere herunter; so sei Sport, es gebe nicht nur Sonnenaufgänge. Anstelle von knackigen Worten versuchte der Trainer, seine Spieler am Stolz zu packen. Auf eine Reporter-Frage, ob er glaube, City könnte bald mit einer Siegesserie zurückschlagen, stichelte er süffisant gegen seine Mannschaft: „Sind Sie verrückt?“ Er und seine Spieler müssten erst mal grundsätzlich wieder ein Match gewinnen, führte er aus. Vielleicht sei es nach den eingefahrenen Erfolgen gar so, dass den Titel heuer „vielleicht ein anderer Klub verdiene“, kritisierte Guardiola.
Der Zusand seiner Elf lässt mehr auf substanziellen Verlust schließen als auf mangelnden Einsatz. Durch die Verletzungssorgen wirkt der Spielkader so ausgedünnt wie eine von Seemöwen zerpickte Sardine. Vor allem Rodris Ausfall kann City, wie in der Vorsaison, nicht kompensieren. Damals fehlte Spaniens Europameister in drei Ligaspielen gesperrt – alle gingen verloren. Diesmal gab es seit dessen Abwesenheit bloß drei Siege in sieben Partien, jeweils nur mit einem Tor Unterschied. Als Ersatz vertraut Pep Guardiola bisher dem spielstarken Mateo Kovacic die Position vor der Abwehr an. Dessen Stellungsspiel und Zweikampfstärke reichen aber nicht an die Fähigkeiten Rodris heran.
Gegen Brighton reagierte Guardiola auf die Konteranfälligkeit und verzichtete auf das übliche frühe Pressing, was den Gegner zunächst überraschte. Als Hürzelers Spieler die eigenen Angriffe nach dem Rückstand durch Erling Haaland (23. Minute) geduldiger vertrugen, wurde City mit Spielverlagerungen auskombiniert wie nie zuvor unter Guardiola. Brighton drehte letztlich das Match – per Doppelschlag, es trafen die eingewechselten Pedro (78.) und Matt O’Riley (83.). Leider gebe es auch für diesen besonderen Sieg nur drei Punkte, witzelte Hürzeler. Sein Klub setzt sich im Verfolgerfeld der Tabelle fest.
Citys Führungsspieler debattierten während des Spiels immer wieder konsterniert über die eigene Leistung, mittendrin Haaland, der kaum Bindung zum Spiel hatte und dem zuletzt in sechs Ligapartien nur zwei Tore gelungen sind. Von außen gestikulierte zusätzlich Pep Guardiola, er korrigierte in der zweiten Halbzeit ständig die Positionen seiner Spieler. An der anfälligen Abwehr und dem harmlosen Angriff änderte das nichts. City hat bisher nur sechs verschiedene Torschützen in der Premier League, über die Hälfte der Treffer hat Haaland erzielt. Ohne diese Tore hätte City zwölf Punkte weniger.
Die Mannschaft hinterlässt insgesamt einen ähnlich geschwächten Eindruck wie der Klub selbst. Die Citizens reiben sich seit geraumer Zeit in einem komplizierten Rechtsstreit gegen die Premier League auf. Der Verein ist wegen angeblich massiven Finanztricksereien angeklagt. Das im Hintergrund laufende Anhörungsverfahren dürfte bis Monatsende abgeschlossen sein. Ein Urteil wird für Jahresbeginn erwartet, es droht der Zwangsabstieg für City. Die Zukunft des Klubs ist daher ungewisser denn je – und auch die des Trainers. Guardiolas Kontrakt läuft im Juni 2025 aus.
Seine zurückliegenden Vertragsverlängerungen 2020 und 2022 verkündete er jeweils in der Ligapause im November. Weggefährte Txiki Begiristain, den er aus alten Barcelona-Tagen kennt, hat kürzlich seinen Abschied als langjähriger City-Sportdirekter zum Saisonende eingereicht. Ihn wird der Portugiese Hugo Viana von Sporting Lissabon ersetzen. Weil der Großteil des Kaders mindestens 29 Jahre alt ist, bahnt sich für Viana in seiner neuen Rolle gleich die Gestaltung eines Umbruchs im Team an. Das Durchschnittsalter der City-Startelf (26,9 Jahre) gehört zu den ältesten in der Liga.
Von den Erkundigungen in dieser Sache zeigt sich Pep Guardiola genervt. Als er damit konfrontiert wurde, ob er der Nationaltrainer von Brasilien für die WM 2026 werde, blockte er sarkastisch ab: Er sei wegen der aktuellen Niederlagen dafür nicht länger eine Option. Der Klub wird Guardiola voraussichtlich den Zeitpunkt seiner Zukunftsentscheidung überlassen. Die Brighton-Fans ließen sich derweil die Gelegenheit der vier Pep-Pleiten nicht entgehen. Sie spotteten gegenüber Guardiola: „You are getting sacked in the morning!” Du wirst morgen entlassen werden. Immerhin das dürfte Pep Guardiola bei Manchester City erspart bleiben.