Stadionpläne von Manchester United

Ausgeträumt nach 115 Jahren

19. März 2025, 16:40 Uhr

Fast alle Träume von Manchester United wurden im Old Trafford wahr. Nun soll das Stadion bald einem Neubau weichen. (Foto: Eleanor Hoad / Every Second Media / Imago Images)
Fast alle Träume von Manchester United wurden im Old Trafford wahr. Nun soll das Stadion bald einem Neubau weichen. (Foto: Eleanor Hoad / Every Second Media / Imago Images)

Manchester United stellt seine Vision für ein spektakuläres neues zwei-Milliarden-Pfund-Stadion vor. Eine Umsetzung des Megaprojekts würde das Ende der bisherigen Heimspielstätte Old Trafford bedeuten, dem Stadion der Träume. Doch die Finanzierung ist unklar, denn den Klub plagen hohe Schulden. Ist das Vorhaben nur eine PR-Nummer?

Von Sven Haist, Manchester

„Was Manchester heute macht, macht die Welt morgen“, sagte angeblich mal der frühere britische Premierminister Benjamin Disraeli im 19. Jahrhundert. Damals war die Stadt Manchester das Zentrum der Industriellen Revolution. Disraelis Leitspruch griff der Manchester United Football Club nun zu Beginn eines Einspielfilms auf, in dem der Verein erstmals konkrete Pläne für ein neues Stadion vorgestellte. Seit dem Einstieg des Minderheitsbesitzers Jim Ratcliffe vor einem Jahr eruiert Englands Rekordmeister im Rahmen einer Taskforce Alternativen zur bestehenden Heimspielstätte Old Trafford, die inzwischen genauso aus der Zeit gefallen ist wie der kriselnde Klub. Am Dienstag verkündete Ratcliffe im Londoner Architekturbüro Foster + Partners, die das Projekt entwerfen werden und deren Vorsitzender aus Manchester stammt, man wolle das „großartigste Fußballstadion der Welt“ bauen. Die Rede ist von einem „Wembley des Nordens“, in Anlehnung an das so heißende Nationalstadion in London.

Die neue Arena sieht aus wie ein Zirkuszelt, soll eine Gesamtkapazität von ungefähr 100.000 Menschen haben und unmittelbar neben dem bisherigen Stadions entstehen. Dafür müsste der Klub zusätzlich zu den schon vorhandenen 100 Hektar Land ein weiteres Gebiet erwerben, auf dem ein Güterbahnhof steht. Die Idee ist, eine Erlebniswelt rund um das Stadion zu schaffen, die Besucher aus aller Welt anlockt. Das Vorhaben verglich Ratcliffe mit dem Eiffelturm, für dessen Besichtigung fünf Millionen Touristen pro Jahr nach Paris kommen. Der Klub schätzt, eine Neugestaltung des Trafford-Geländes in Manchester könnte zusätzliche 1,8 Millionen Besucher einbringen, 92.000 Jobs kreieren, 17.000 Wohnungen schaffen und eine jährliche Wertschöpfung von sieben Millionen Pfund bedeuten.

Einen Tag vor Präsentation der Stadionpläne erklärte der Klub Sparmaßnahmen

Die Entwürfe zeigen ein spektakuläres Schirmdesign über dem Stadion, drei emporragende Masten, die aus 40 Kilometer Entfernung zu sehen sein sollen sowie eine riesige öffentliche Piazza auf dem Gelände. Die Kosten werden auf zwei Milliarden Pfund geschätzt. Zur Finanzierung sagte der Multimilliardär Ratcliffe optimistisch, sie stelle kein Problem dar, man müsse dafür auch nicht die Regierung um Hilfe bitten, die einem solchen Vorhaben prinzipiell ihre Zustimmung erteilt hat. Am Vortag hatte Ratcliffe allerdings die radikalen Sparmassnahmen seines Klubs erklärt, darunter 450 Mitarbeiterentlassungen, ohne die der Verein seinen Angaben zufolge am Jahresende ohne Cash dastehen würde.

Seit Jahren wirtschaftet United defizitär, die Gesamtschulden belaufen sich auf 714 Millionen Pfund. Einen Grund dafür sieht Ratcliffe in der Zusammenstellung des Kaders, einige Spieler seien «überbezahlt» und andere «nicht gut genug», sagte der Brite. Er selbst sieht sich verantwortlich für die Vertragsverlängerung mit dem inzwischen gefeuerten Trainer Erik ten Hag. Der «Independent» fragte deshalb, ob die ganze Stadionaktion eine PR-Nummer sei. Angeblich hofft Manchester United auf die Unterstützung von externen Geldgebern. Auch der 72-jährige Ratcliffe könnte einer sein, er zählt als Ineos-Gründer zu den vermögendsten Briten. Der United-Geschäftsführer Omar Berrada erklärte zur Finanzierung einer neuen Arena vage, es gebe «viele potenzielle Investitionsmöglichkeiten».

Das neue Stadion soll direkt neben dem bisherigen Old Trafford entstehen

Die Entscheidung gegen eine Modernisierung von Old Trafford dürfte das Ende von ebenjenem sein. Die historische Spielstätte öffnete ihre Tore bereits 1910, entworfen vom Architekten Archibald Leitch. Zu den einzigartigen Merkmalen gehört der alte Spielertunnel auf Höhe der Mittellinie, weil er letztlich der einzige Teil des Stadions ist, der im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde. Auch die Unterführung unter der Hau­pttribüne hindurch gehört zu den unverwechselbaren Elementen, sie trägt den Namen „Munich Tunnel“ – im Andenken an das Flugzeugunglück der eigenen Mannschaft in München 1958, als Spieler und Offizielle ihr Leben verloren hatten.

Neben den United-Heimspielen war das Stadion wiederkehrend Austragungsort von wichtigen Fußballanlässen. Es fanden Matches der WM 1966, EM 1996 und des Olympischen Turniers 2012 statt – sowie der Champions-League-Final 2003. Englands Weltmeister Bobby Charlton, der lange für den Klub spielte, taufte Old Trafford einmal „Theatre of Dreams“: das Theater der Träume. Und wie Uniteds Träume in diesem Stadion in den vergangenen Jahrzehnten wahrgeworden sind! Old Trafford halte „so viele spezielle Erinnerungen für mich persönlich“, betonte Uniteds Trainerlegende Alex Ferguson, aber der Klub müsse nun „mutig sein und die Chance ergreifen, eine neue, zukunftsfähige Heimat“ zu bauen. Damit erteilte Ferguson praktisch seinen Segen zu den Ambitionen seines Vereins.

Das aktuelle Stadion verpasste die Nominierung für die EM 2028

Trotz der Verbundenheit zu Old Trafford fühlt sich ein Abschied unausweichlich an. Zuletzt fanden Inspektoren im Stadion Mäusekot und derlei Aktivitäten in einer Geschäftsloge – sowie in einem Kiosk, in dem bei Heimspielen Essen an Fans verkauft wird. Der Mäusebefall begleitet den Klub seit vielen Jahren wie die undichten Stellen des Daches. Die Rückständigkeit verdeutlichte nichts mehr, als dass Englands Verband das Stadion als Spielort für die Fußball-EM 2028 in Großbritannien und Irland nicht nominierte.

Mit der Verkündung des neuen Stadionprojekts erhofft sich Manchester United nun Aufbruchstimmung. Das Vorhaben soll im Schnellverfahren umgesetzt werden, der Klub möchte es in fünf Jahren schaffen. Eine endgültige Entscheidung über die Umsetzung steht aber noch aus. Sollte der Kraftakt erfolgreich fertiggestellt werden, könnte es sein, dass sich tatsächlich dann irgendwann andere Vereine daran orientieren werden.

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