Snooker-Weltmeister Zhao Xintong

Chinesischer Wirbelsturm über dem Snookertisch

06. Mai 2025, 17:41 Uhr

SHEFFIELD, ENGLAND - MAY 05: Zhao Xintong of China celebrates with trophy after winning the Final match against Mark Chinas neuer Megastar im Snooker: Weltmeister Zhao Xintong, 28. (Foto: Tai Chengzhe / Imago Images)
SHEFFIELD, ENGLAND - MAY 05: Zhao Xintong of China celebrates with trophy after winning the Final match against Mark Chinas neuer Megastar im Snooker: Weltmeister Zhao Xintong, 28. (Foto: Tai Chengzhe / Imago Images)

Zhao Xintong, 28, gewinnt als erster Chinese die Snooker-WM, nachdem er kürzlich eine lange Sperre abgesessen hat. Sein Triumph untermauert die Ambitionen seines Landes, die Übermacht der Engländer im Snooker anzugreifen – und eventuell die Austragung der WM zu übernehmen.

Sven Haist, London

Als sich der Chinese Zhao Xintong von den Zuschauern im Crucible Theater in Sheffield als neuer Weltmeister im Snooker beklatschen ließ, wurde ihm die Nationalflagge seines Heimatlandes zugesteckt. Der 28-Jährige entfaltete sie sorgfältig, wie er zuvor die farbigen Kugeln in entsprechender Reihenfolge versenkt hatte. Dann hielt Zhao den roten Stoffstreifen vor seinem Gesicht hoch, sodass man ihn auf einmal gar nicht mehr sah. Das war insofern bedeutend, als er sich mit seinem Titelgewinn nicht nur selbst krönte – sondern erstmals auch sein Land.

Bisher hatte es in der Historie des Snooker lediglich ein Spieler aus dem asiatischen Kontinent ins Finale geschafft. Es war der Chinese Ding Junhui, der vor neun Jahren knapp dem Engländer Mark Selby unterlegen war. Nun bezwang Zhao Xintong den Waliser Mark Williams mit 18:12 Frames. Die Entscheidung fiel praktisch schon in der ersten der vier Spielsessions, als sich Zhao einen kaum aufholbaren Vorsprung erarbeitete. Zuvor hatte er im Halbfinale den siebenmaligen Weltmeister Ronnie O’Sullivan überraschend besiegt. Zhao Xintong fegte gewissermaßen durch das Turnier, wie es sein Spitzname vermuten lässt: „The Cyclone“, der Wirbelsturm. Er könne nicht recht glauben, was ihm gelungen sei, sagte er nach dem Finale am Montagabend überwältigt. Der Linkshänder ist erst der dritte Qualifikant überhaupt, der den prestigeträchtigsten Wettbewerb im Snooker-Kalender gewinnen konnte.

Um seine Karriere voranzutreiben, zog Zhao Xintong nach Sheffield um

Trotz seines seit Jahren in der Snooker-Szene bekannten Talents war der Triumph nicht absehbar gewesen. Zhao Xintong musste wegen seiner schlechten Weltranglistenposition vier Qualifikationsrunden überstehen, um ins Hauptfeld dieser WM zu gelangen, das mit dem Sechzehntelfinale vor zwei Wochen begann. Sein Ranking war darauf zurückzuführen, dass er bis vergangenen September eine zwanzig Monate lange Spielsperre absitzen musste. Er war einer von zehn chinesischen Profis, die in einen Spielmanipulationsskandal im Jahr 2022 involviert waren. Angeblich hatte er auf Snooker-Matches gewettet und war daran beteiligt gewesen, wie ein anderer Spieler zwei Partien verschoben hatte. Seine auf dreißig Monate angesetzte Sperre wurde nach einem Schuldbekenntnis reduziert.

Vor dem Rückschlag war ihm in seiner fünften Profisaison der Durchbruch mit dem Titel bei der UK Championship 2021 gelungen. Damit zahlte sich der Schritt zu Beginn seiner Karriere aus, als er seine Geburtsstadt Xi’An im Norden Chinas verließ und nach Sheffield umzog, in die sogenannte spirituelle Heimat des Snookers. Damals befand er sich auf dem Weg zum Fanliebling, er beeindruckte durch seinen Umgang mit dem Queue und seinem Distanzspiel, bei dem die Spielkugel von der Objektkugel auf dem Tisch mindestens knapp zwei Meter entfernt liegt.

In diesem Jahr standen zehn Chinesen im Hauptfeld der WM

Vor dem Finale prophezeite O’Sullivan, dass Zhao zu einem „Megastar“ im Snooker würde, sollte er gewinnen. In China ist das bereits der Fall, das Finale verfolgten dort angeblich 150 Millionen Menschen. Snooker hat sich in dem Riesenland zuletzt immer mehr zu einem Trendsport entwickelt. Zehn Chinesen standen bei dieser WM im Hauptfeld, nur die seit Jahrzehnten die Sportart dominierenden Engländer stellten ein noch größeres Aufgebot. Das heraufziehende Duell zwischen England und China überträgt sich auch auf die Zukunft der WM. Die Chinesen gelten als höchst interessiert, das Turnier abzuwerben. Die Ausrichtung der WM ist bis 2027 an Sheffield vergeben.

Während des Turniers drohte Barry Hearn, der Präsident seiner eigenen Vermarktungsagentur Matchroom, die das professionelle Snooker weitgehend organisiert und kontrolliert, den Vertrag nicht mehr zu verlängern. Die Einrichtungen des ehrwürdigen Crucible, das die WM seit 1977 durchgehend beherbergt, seien nicht mehr zweckmäßig, kritisierte der 76-Jährige. Er forderte von der Veranstalterseite mehr Wertschätzung ein.

Der Titel von Zhao Xinting dürfte Chinas Ambitionen stärken, die Snooker-WM zu bekommen

Die Differenzen betreffen besonders das Fassungsvermögen des Crucible, das nicht mehr als 980 Zuschauer aufnehmen kann. Die Kapazität begrenzt die Einnahmen aus Ticketing, Merchandising und Verpflegung. Es gehe natürlich ums Geld, die finanziellen Aspekte müssten berücksichtigt finden, betont Hearn, der überzeugt ist, weitaus mehr Eintrittskarten feilbieten zu können. Eine Lösung wäre, das Crucible zu renovieren und auszubauen.

Weil die Stadt Sheffield die Kosten dafür sicher nicht allein tragen könnte, spekuliert Hearn vermutlich, dass die britische Regierung unterstützend eingreift, um die WM nicht zu verlieren. Durch den Titelgewinn von Zhao Xintong dürfte das Werben aus China nur noch mehr zunehmen.

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