Women's Super League

Auf den Spuren der Premier League

16. Jan 2024, 13:46 Uhr

Ein Bild aus alten Tagen: Die Chelsea-Frauen bejubeln mit Superstar Sam Kerr (Mitte) die Meisterschaft. Ab der neuen Saison wird die Liga nicht mehr unter dem Dachverband FA laufen. (Foto: John Walton / Imago)
Ein Bild aus alten Tagen: Die Chelsea-Frauen bejubeln mit Superstar Sam Kerr (Mitte) die Meisterschaft. Ab der neuen Saison wird die Liga nicht mehr unter dem Dachverband FA laufen. (Foto: John Walton / Imago)

Die Women’s Super League spaltet sich zur neuen Saison vom englischen Fußball-Verband FA ab. Langfristiges Ziel ist es wohl, die erste Frauen-Milliardenliga der Welt zu werden. Doch ist das Vorhaben realisitisch?

Sven Haist, London

Die Women’s Super League (WSL) befand sich in den vergangenen Wochen in der Winterpause. Seit der Gründung der WSL 2010 durch den Fußball-Verband FA ist die winterliche Unterbrechung im englischen Frauenfußball fast zu einer ähnlichen Tradition geworden wie die Spiele der Männer vor großem Publikum an Weihnachten und Neujahr in der Premier League. Früher orientierten sich die Spieltagansetzungen am Kalenderjahr, bis die FA vor Jahren die Terminierung bei den Frauen ebenfalls dem gewohnten Fußball-Rahmenplan von Spät- bis Frühsommer anpasste. Trotzdem blieb die Ruhephase zum Jahresende bestehen – vermutlich auch deswegen, weil Englands Frauen-Eliteliga nur aus zwölf Vereinen und 22 Spieltagen besteht. Dabei würden die Partien zu diesem Zeitpunkt wohl ein vergleichbares Interesse bei den Fußballfans hervorrufen. Aber das mit der Unterbrechung könnte sich bald ändern. Denn die Vereine haben sich im Frauenfußball für 2024 sehr viel vorgenommen.

Um die Expansion voranzutreiben, haben sich die Klubs der Women’s Super League und der zweitklassigen Championship kürzlich darauf geeinigt, sich ab der kommenden Saison von der FA als Dachorganisation für beide Ligen zu trennen. Ein entworfenes, aber noch zu gründendes Unternehmen soll die Leitung und Verwaltung übernehmen. Die erste Geschäftsführerin der neuen Gesellschaft wird Nikki Doucet sein, eine Investmentbankerin, die in führender Position beim Sportartikelhersteller Nike gearbeitet hat. Zuletzt engagierte sie die FA bereits als Beraterin für den Frauenfußball.

Die englischen Klubs wollen die Erfolge der Nationalmannschaft ausnutzen

Die FA-Amtsübergabe wird den Klubs mehr Unabhängigkeit und Kontrolle über das Vorgehen geben. Zu den Anteilseignern werden nicht nur alle Erst-, sondern auch alle Zweitligisten gehören plus die FA, die gleichfalls an der Premier League beteiligt ist. Einfluss auf das Tagesgeschäft hat sie keinen. Die gemeinsamen Erlöse, lange Streitthema, werden voraussichtlich nach dem Schlüssel 75:25 zwischen den Erst- und Zweitligisten aufgeteilt. Als Vorbild dürfte insgesamt der Aufstieg der Premier League zu einem global führenden Sportunterhaltungsbetriebe dienen.

Schon im Zuge der Umstrukturierung der Women’s Super League zu einer Vollzeit-Profiliga 2018 bekannte die FA, die Liga nicht dauerhaft weiterführen zu wollen und für andere Alternativen offen zu sein. Als gemeinnützige Einrichtung ist der Verband grundsätzlich für das Ökosystem des englischen Fußballs zuständig und besitzt weder die Kapazität noch die Aufgabe, den Spielbetrieb zu vermarkten und zu monetarisieren. Nach dem EM-Titel der Engländerinnen beim Heimturnier 2022 sowie dem anschließenden zweiten Platz bei der WM 2023 scheint nun ein passender Zeitpunkt gekommen zu sein, den Aufschwung des Frauenfußballs zur langfristigen Etablierung auszunutzen.

59402 Zuschauer sahen Arsenal gegen Chelsea im Herbst 2023 – Rekord

In der vergangenen Spielzeit verzeichneten die TV-Sender einen Anstieg der Zuschauerzahlen in der WSL um 34 Prozent, über die vergangenen zwei Jahre hinweg hat sich das Interesse sogar vervielfacht. 37,6 Millionen Menschen konsumierten englischen Frauensport 2022, 16 Millionen von ihnen die WSL – ein Rekord. Zuletzt verfolgten in der Spitze knapp eine Million Zusehende das Women’s-League-Match zwischen Chelsea und Liverpool in der BBC. Beim Bezahlsender Sky sah rund eine halbe Million das Manchester-Derby der Frauen zwischen United und City. Auch das sind Bestmarken. Das Wachstum zeigt sich genauso bei den Stadiongehern. Die Zahlen stiegen schon in der Vorsaison um 173 Prozent, kürzlich gab es einen neuen Höchstwert: 59402 Leute sahen Arsenal gegen Chelsea.

Aufgrund der Nachfrage befände sich der Frauenfußball in einer so vielversprechenden Position wie nie zuvor, findet die FA-Direktorin Sue Campell. Daher müsse es das Ziel der neuen Ausrichtung sein, Standards für den Frauenfußball in der Welt zu setzen. Dieses Vorhaben bekräftigte die UK-Regierung, indem sie die Empfehlungen der Ex-Nationalspielerin Karen Carney absegnete. Carney forderte, dass in England ein Umfeld geschaffen werden müsse, das die besten Spielerinnen anziehe. Und die WSL-Vorsitzende, Dawn Airey, strebt an, den Wettbewerb innerhalb eines Jahrzehnts sogar zur ersten Milliarden-Liga der Frauen zu machen.

Trotz Rekordeinnahmen verzeichneten die WSL-Klubs zuletzt einen Verlust

Doch sind solche Ambitionen realistisch? Momentan erwirtschaftet der immer noch unterfinanzierte und -bewertete Frauensport weltweit pro Jahr gerade einmal eine Milliarde. Der Umsatz setzt sich aus Fernseherlösen, Sponsoreneinnahmen, Merchandising und Kartenverkäufen zusammen. Die Männer generieren gegenwärtig circa eine halbe Billion. Im Fußball manifestiert sich der Unterschied im besonderen Maß: bei den Gehältern, den Ablösesummen und Umsätzen. Die Women’s-Super-League-Vereine verzeichneten für die Saison 2021/22 einen Verlust von über 16 Millionen Euro – trotz Rekordeinnahmen von fast 38 Millionen. Laut dem Finanzdienstleister Deloitte erhielten die Frauensparten signifikante Zuschüsse aus ihren Mutterklubs, diese sollen 40 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Der aktuelle TV-Vertrag läuft im Sommer 2024 aus

Die Entwicklung der Liga wird stark vom Verkauf der TV-Rechte für die nächsten Saisons abhängen. Der seit 2021 bestehende Deal der WSL mit Sky und der BBC, der den Klubs aus der ersten und zweiten Liga rund neun Millionen Euro im Jahr einbringt, läuft zum Ende dieser Spielrunde aus. Die FA ist bestrebt, eine Genehmigung zu erwirken, dass WSL-Matches in Zukunft am Samstagnachmittag übertragen werden dürfen. Dies würde die Einnahmen mutmaßlich deutlich steigern, weil in England seit jeher keine Fußballspiele um diese Uhrzeit ausgestrahlt werden dürfen. Einwände gibt es jedoch von Seiten der unterklassigen Klubs der Männerligen, die sich in dem Fall um ihr Stadionpublikum sorgen würden.

Falls der Women’s Super League eine Zusage verwehrt bliebe, würde es allerdings auch Alternativen geben: zum Beispiel zukünftige Spiele am beliebten Boxing Day.

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