Aston Villa in der Champions League
«Mr. Europa League» in der Champions League
18. Sep 2024, 21:58 Uhr
Unai Emery führt mit Aston Villa erstmals einen Klub aus Birmingham, der zweitgrößten Stadt in England, in die Champions League. Damit durchbricht er als dritter Trainer die Phalanx der Top Six in der Premier League – auch weil Villa so viel Geld wie nie ausgibt.
Er ist der «Mr. Europa League»: Kein anderer Trainer hat diesen europäischen Fussball-Pokal häufiger gewonnen als Unai Emery, der Baske holte ihn dreimal mit dem FC Sevilla und einmal mit dem FC Villarreal. Die Europa League, die etwas weniger Glamour ausstrahlt als der Premium-Wettbewerb Champions League, scheint auf ihn zugeschnitten zu sein. Denn Emerys Mannschaften definieren sich stets über Disziplin und Teamgeist. Sein Abschneiden in der Champions League liest sich weniger imposant, nur einmal kam er in den Halbfinal, sonst war spätestens im Achtelfinal Schluss.
Seinen nächsten Anlauf unternimmt Emery in dieser Saison als Trainer des hochambitionierten Premier-League-Klubs Aston Villa. Zum Auftakt der Europacup-Kampagne gab es für den aktuellen englischen Ligafünften am Dienstag einen vielversprechenden 3:0-Auswärtssieg bei Young Boys Bern. Die Teilnahme an der Champions League gleicht einem Coup für Emery: Erstmals in der Historie konnte sich mit Aston Villa eines der zahlreichen Vereine aus dem Ballungsgebiet Birmingham, der zweitgrössten Stadt in England, für den wichtigsten europäischen Klubwettbewerb qualifizieren.
Aston Villa durchbricht als erst dritter Verein in 19 Saisons die Phalanx der Top Six
Die Meisterschaft auf der Insel ist häufig ein Dreieckspiel zwischen den Vereinen aus London, Liverpool und Manchester. Die Dominanz dieser Städte gleicht fast einem Abbild der wirtschaftlichen Verhältnisse. In den vergangenen 19 Saisons gelang es nur drei Vereinen in die Phalanx der sogenannten Top-Six (Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United, Tottenham) vorzustossen und eine Spielzeit auf den ersten vier Tabellenplätze abzuschliessen: dem Sensationsmeister Leicester City 2016, das vom Saudi-Staatsfonds alimentierte Newcastle United 2023 – und nun Emerys Villa.
Solch besondere Tage hatte der Birmingham-Klub aus dem Vorort Aston zuletzt vor 43 Jahren erlebt, als er in der Saison 1980/81 letztmals die Meisterschaft gewann. Das Gründungsmitglied der Football League und Premier League, deren Liga-Grundkonzepte auch auf den Villa-Direktor William McGregor im 19. Jahrhundert zurückgingen, zog sich fortan achtbar aus der Affäre. Doch nachdem sich in den Nullerjahren zunehmend hochvermögende ausländische Kapitalgeber in die Spitzenteams eingekauft hatten, verlor Villa den Anschluss.
Im Sommer gab Villa so viel Geld für neue Spieler aus wie nie
Der US-Entrepreneur Randy Lerner, der den Arbeiterverein 2006 für 62 Millionen Pfund erworben hatte, brachte das zweifelhafte Kunststück fertig, ihn trotz stetiger finanzieller Subventionen und der boomenden Liga ein Jahrzehnt später unter hohem Verlust wieder abzugeben. Auf ihn folgten – nach einer kurzen Episode des Chinesen Tony Xia – 2018 die Milliardenbesitzer Nassef Sawiris und Wes Edens. Beide stehen für den sich ausbreitenden Trend, dass sich immer mehr Vereine mit steinreichen Eigentümern eindecken, wodurch wieder eine Art Chancengleichheit einzieht. Seit ihrem Einstieg haben Sawiris und Edens kontinuierlich in jeder Saison rund 100 Millionen Pfund an Ablösesummen in neue Spieler investiert, vor dieser Spielzeit sogar 150 Millionen, so viel wie nie.
Die Mannschaft setzt sich überwiegend aus Spielern zusammen, die entweder den Sprung zu einem Spitzenklub schaffen wollen oder deren Potenzial von ebensolchen Vereinen zuvor unterschätzt worden ist. So stand zum Beispiel der argentinische Weltmeistertorwart Emiliano Martínez zehn Jahre lang bei Arsenal unter Vertrag. Die meiste Zeit liehen ihn die Londoner an unterklassige Vereine aus und verkauften den heute 32-Jährigen dann 2020 für 20 Millionen Pfund an Villa, eine kostspielige Fehleinschätzung. Dies trifft in gewisser Weise auch auf Trainer Emery zu.
Der Standort Aston Villa kommt der Arbeitsweise von Unai Emery entgegen
Bei Paris Saint-Germain und Arsenal wurde er nach kurzer Zeit jeweils entlassen, im Rückblick lag es aber offensichtlich weniger an seinem Coaching als am Missmanagement der Klubs. Gerade das sich bisweilen anmassend verhaltende Arsenal-Publikum schien sich über ihn am Ende zu echauffieren, der häufig von ihm gebrauchte Ausdruck «good ebening» wurde zum Synonym seines akzentstarken Englisch. Das insgesamt ruhigere und weniger in der Öffentlichkeit stehende Aston Villa kommt Emerys Arbeitsweise nun entgegen, es gleicht dem auf seinen Stationen in Sevilla und Villarreal.
Emery übernahm Villa im November 2022 unmittelbar vor der Abstiegszone und führte die Mannschaft noch in derselben Saison auf den siebten Platz, der zur Teilnahme an der Conference League berechtigte. Erstmals nach 13 Jahren war der Klub wieder international vertreten. Um den Kader nochmals zu verstärken, holte man 2023 den Sportdirektor Ramón Rodríguez Verdejo, genannt «Monchi». Unai Emery und Monchi arbeiteten einst erfolgreich in Sevilla zusammen. Ähnlich wie bei Manchester City, wo Trainer Josep Guardiola von Weggefährten im Management umgeben ist, hält auch Monchi Emery als Vertrauensperson den Rücken frei. Gemeinsam gelang ihnen die Qualifikation für die Champions League. Die Zeitung «Telegraph» lobte, die Leistungen von Emerys Truppe grenzten an ein Wunder.
Jetzt geht es für Unai Emery darum, auch in der Königsklasse zu überzeugen – um vielleicht zum «Mr. Champions League» aufzusteigen.