De-Bruyne-Comeback
Fitter, stärker und strahlender
14. Feb 2024, 16:00 Uhr
Kevin De Bruyne feiert nach einer fast halbjährigen Verletzungspause ein starkes Comeback. Er ist der Hoffnungsträger von Manchester City für die Rückrunde – weil er spielt, als hätte er die Zeit zurückgedreht.
Die Reaktion von Phil Foden auf das Tor seines Mitspielers Kevin De Bruyne war fast so sehenswert wie der Treffer selbst: Er zog eine wohlwollende Schnute vor De Bruyne und nickte das Tor wie ein Gutachter ab. Mit dieser Geste wollte Foden seinem Manchester-City-Kollegen demonstrieren, dass ihn die Qualität des Treffers umfänglich beeindruckt hatte. Um den anspruchsvollen Foden, einen der spielintelligentesten Fußballer der jüngeren Generation, zufriedenzustellen, bedarf es eines besonderen Hinguckers – und den lieferte De Bruyne am Dienstagabend.
In der zehnten Spielminute erzielte der 32-Jährige das Führungstor für City beim FC Kopenhagen: an sich ein handelsüblicher Treffer in einem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League, der in der Zeitlupe allerdings zu einem veritablen Volltreffer avancierte. Denn der Ball fand nicht nur den Weg ins Tor, sondern räumte die an der Innenseite aufgestellte Trinkflasche des Torwarts mit ab. Der Treffer stand symbolisch für den Präzisionsschützen De Bruyne – genauer gesagt: für den Präzisionspasser. Denn der Spielmacher haut nie drauf, gibt dem Ball immer nur so viel Tempo mit wie nötig, dafür aber so viel Genauigkeit wie möglich. Seine Abschlüsse erinnern an Bowling-Würfe, die Qualität wird erst im Nachhinein sichtbar. In diesem Fall fiel die Flasche um wie ein Pin – Strike!
Manchester City ist wieder auf Kurs
Mit einem Tor und zwei darauffolgenden Assists für Bernardo Silva und Foden verhalf De Bruyne Manchester City zu einem gelungenen Start in die K.-o.-Phase der Königsklasse. Das 3:1 (2:1) des Titelverteidigers ließ sich deuten, als fühlte City vor, wo der Henkelpott in dieser Saison steht. Der Verein peilt ein außergewöhnliches Double-Triple an, die Wiederholung des Dreifach-Triumphs aus der Vorsaison: Premier League, FA Cup und Champions League. In allen Wettbewerben befindet sich City nach einem kleinen Durchhänger wieder auf Kurs.
Um den zwischenzeitlichen Rückstand in der Meisterschaft aufholen zu können, werde der Klub im Winter neue Spieler verpflichten müssen. So war die allgemeine Meinung in England. Doch City hielt sich zurück – weil sich die Rückkehr des Schlüsselspielers De Bruyne im Januar wie ein Zugang anfühlte. Die gesamte Hinrunde war De Bruyne wegen einer Verletzung am hinteren Oberschenkel ausgefallen. So lange wie noch nie zuvor in seiner Profilaufbahn. Die Probleme hatten sich in den vergangenen vier Jahren angedeutet.
Seine Hamstrings seien wie ein «nasses Küchentuch» gewesen, sagt De Bruyne
Insgesamt verpasste er in diesem Zeitraum 50 Pflichtspiele, meist wegen muskulärer Beschwerden. Zum Ende der Vorsaison verschlimmerte sich die Lage: In nur sieben der letzten 13 Partien stand der Mittelfeldspieler in der Startelf, im Champions-League-Finale musste er bereits in der ersten Halbzeit ausgewechselt werden. Im Rückblick habe sich das Leiden durch die fehlende Pause verschlimmert, stellte De Bruyne fest, aber die Bedeutung der Matches sei das Risiko wert gewesen. Wohl auch, weil am Schluss für ihn der ersehnte erste Königsklassentitel herausgesprungen war.
Die Sommerpause war zu kurz, um die Verletzung auszukurieren. Trotzdem meldete sich De Bruyne zum Premier-League-Auftakt im August fit. Bis ihn – nach 22 Minuten – erneut Schmerzen zur Aufgabe zwangen. Diesmal entschied er sich für eine Operation und damit zu einer monatelangen Pause. Die Entscheidung war unvermeidbar gewesen, weil seine “hamstrings”, also rückseitigen Oberschenkelmuskeln, viele Einrisse aufwiesen und “jederzeit” hätten reißen können, sagte De Bruyne. Er verglich sie mit einem “nassen Küchentuch” und die Wartung seines Körpers mit der Instandhaltung eines Autos. Seine Einstellung zur Verletzung änderte sich, plötzlich schilderte er die Wichtigkeit des Heilungsverlaufs für seine Karriere.
Nur Cesc Fábregas und Ryan Giggs haben in der Premier League mehr Vorlagen als De Bruyne
Die Abwesenheit vom Spielbetrieb hat De Bruyne, der sich seit zwölf Jahren für seine Vereine und die belgische Nationalelf im Dauereinsatz befunden hatte, offenbar sowohl psychisch als auch physisch gutgetan. Er nutzte die Auszeit, um seine Fitness zu stärken. Und sich zugleich vom Fußballstress zu erholen. Er besuchte das Formel-1-Rennen in Abu Dhabi und nahm an einer Schnitzeljagd in Suffolk teil, einer geschichtsträchtigen Gegend an der englischen Ostküste. Diese Pause habe er vermutlich benötigt, um “alles wieder ins Lot zu bringen”, meinte er.
Nach dem Jahreswechsel gab De Bruyne sein Comeback im FA Cup gegen Huddersfield. Die Fans bejubelten ihn. Der Empfang sei ein spezieller Moment gewesen, der ihm Auftrieb gegeben habe, gab er zu. Sonst liefert der Nationalspieler kaum Einblicke in seine Gefühlswelt. Liverpool-FC-Trainer Jürgen Klopp witzelte damals, durch das De-Bruyne-Comeback habe “das ganze Land zu beben begonnen”. Und tatsächlich löste De Bruynes Rückkehr eine mittlere Erschütterung in Fußball-England aus: Seit seinem Wiedereinstieg gelangen ihm in sieben Pflichtspielen zwei Tore und sieben Vorlagen. In 247 Premier-League-Spielen für Manchester kommt De Bruyne nun auf grandiose 109 Assists. In der ewigen Bestenliste befindet er sich damit auf dem dritten Rang, nur Cesc Fábregas und Ryan Giggs liegen noch vor ihm.
Schlanker, fitter, strahlender – und mit neuer Frisur
Fábregas, ehemaliger Arsenal- und Chelsea-Mittelfeldstratege, erinnerte De Bruynes neue Leichtigkeit an einen “kleinen Jungen”, der von seinen Eltern neue Fußballschuhe bekommt. Das Boulevardblatt Mail pflichtete der Einschätzung bei: Der Routinier sehe “schlanker, fitter und stärker” aus als vorher, selbst das Lächeln des manchmal launisch auftretenden Belgiers sei strahlender. Am auffälligsten ist der Look: Die Haare sind jetzt bauschig, voluminös, fast glänzend. Die Frisur lässt De Bruyne jünger erscheinen – als ob er die Zeit als Fußballer um einige Jahre zurückgedreht hätte.
Seinen Wert für City goss Pep Guardiola in eine geflügelte Analyse: Für die Spielweise der Mannschaft sei De Bruyne vergleichsweise unerheblich, aber um Matches zu gewinnen, werde er benötigt. Damit wollte der Trainer zum Ausdruck bringen, dass es De Bruyne ist, der mit seiner Dynamik und seinen Spielbeschleunigungen dem auf Ballkontrolle ausgerichteten City-Stil die Zuspitzung verleiht. Fast ehrfürchtig sagte Foden nach dem Kopenhagen-Spiel, es gebe keinen, der den Ball so gut passen könne wie Kevin De Bruyne – und bedankte sich auf dem Platz für dessen Torvorlage.