Manchester City in der Champions League
Guardiolas goldene Generation ist am Ende
13. Feb. 2025, 18:24 Uhr

Manchester City erleidet gegen Real Madrid das nächste Debakel und steht vor der ersten titellosen Saison seit acht Jahren. Das Team beherrscht keinen Krisenfußball und auch Trainer Pep Guardiola stößt an seine Grenzen. Für den psychologischen Einfluss auf den Negativlauf findet er keine Lösung. Nun steht der Klub vor einer Zäsur.
Womöglich haben die Fans von Manchester City am Dienstagabend unfreiwillig mitgeholfen, die eigene Mannschaft zu schlagen. Im Hinspielstechen gegen Real Madrid um den Einzug ins Achtelfinale der Champions League rollten sie im eigenen Stadion ein Plakat aus. Darauf war der zurzeit am Kreuzband verletzte City-Mittelfeldspieler Rodri zu sehen, wie er den Ballon d’Or küsst, mit der die Zeitschrift France Football den weltbesten Fußballer des Jahres auszeichnet. Dazu hieß es in Anlehnung an einen Song der mit City sympathisierenden Manchester-Band Oasis: „Stop crying your heart out“ – heul nicht so rum!
Die Schmähung richtete sich an Real-Angreifer Vinicius Junior, der sich bei der vergangenen Ballon-d’Or-Abstimmung 2024 als Sieger wähnte, aber dann Rodri unterlag. Aus Protest über die Niederlage boykottierte die gesamte Real-Delegation bekanntermaßen die Preisverleihung. Die Unanständigkeit wurde ihm in Manchester gemäß des Empfangs nicht verziehen. Zudem pfiff ihn das Heimpublikum während des Spiels aus – und rief ihm immer wieder spottend zu: „Wo ist dein Ballon d‘Or?“
Die Niederlage hätte angesichts der Real-Chancen auch doppelt so hoch ausfallen können
Die Antwort auf diese Frage gab Vinicius gewissermaßen nach dem Spiel: Zwar konnte er spontan keinen goldenen Ball aus dem Fußstutzen zaubern. Trotzdem stand er hernach freudestrahlend am Seitenrand mit einer Trophäe in der Hand, sie dem Ballon d‘Or durchaus ähnlich sah. Sie wurde ihm für seine zwei späten Torbeteiligungen als bester Spieler der Partie bei Reals 3:2 nach 1:2-Rückstand zugewiesen. Wann immer man ihn herausfordere, gebe ihm das so wie heute nur mehr Kraft, richtete Vinicius aus.
Angesichts von 20 Torschüssen hätte die Real-Offensive um ihm herum auch locker doppelt so viele Tore gegen Manchester City erzielen können. Die Königlichen verballerten Chancen wie Touristen an Kirmes-Schießbuden. Trotzdem reichte es, weil Kylian Mbappé (60.), Brahim Díaz (86.) und in der Nachspielzeit Jude Bellingham den Doppelpack von Erling Haaland (19., 80./Elfmeter) korrigierten. „Belli laughs“, Riesengelächter, amüsierte sich das Massenblatt Sun in einem Wortspiel mit dem Namen von Bellingham über die gute Laune der egozentrischen Real-Stars, die sich nicht immer einig sind. Auch Mbappé, kurz vor Schluss ausgewechselt, hatte seinen Spaß: Er feixte mit den Kollegen über sein Tor-Missgeschick, als er statt per Seitfallzieher spektakulär ungewollt aus der Luft mit dem rechten Schienbein traf.
Manchester City steht vor dem frühesten Champions-League-Aus seit 13 Jahren
Vinicius‘ Sternevorführung, die die Basis für seinen neuerlichen Anlauf auf den Ballon d‘Or gelegt haben könnte, hat derweil mutmaßlich das Ende einer großen Mannschaft besiegelt. Es sieht stark danach aus, als dürfte Rodris Ballon d’Or auf absehbare Zeit erst mal der letzte Pokal von internationalem Belang für Manchester City gewesen sein. City steht vor der ersten titellosen Spielzeit seit acht Jahren und durchlebt die tiefste Krise in der eigenen Abu-Dhabi-Ära, die mit der Übernahme des dort zur Herrscherfamilie zählenden Scheich Mansour 2008 begonnen hat. Vielleicht kann sich die Elf von Trainer Pep Guardiola noch zu einem einigermaßen versöhnlichen Saisonabschluss aufrappeln, aber an die einstigen Großerfolge wird die aktuelle Spielergeneration sicher nicht mehr anknüpfen können.
In der Premier League beträgt der Rückstand auf Spitzenreiter Liverpool 15 Punkte und in der Champions League droht nach der Hinspielpleite der früheste Exit seit 13 Jahren. Die Spieler machen einen erschreckend erschöpften Eindruck, die ersten Ermüdungserscheinungen haben sich in der vergangenen Saison nach dem historischen Triple 2023 eingestellt. Die Personalsituation des von Ausfällen gezeichneten Kaders gegen Real war beispielhaft für diese Saison. Jack Grealish und Manuel Akanji mussten verletzt raus, Nathan Aké und Kapitän Kevin De Bruyne wurden später entkräftet ausgewechselt.
Schon wieder zwei späte Gegentore: Die Mannschaft wirkt entkräftet
Die Mannschaft brach abermals ein und kassierte späte Gegentore, wie in so vielen Spielen der bisherigen Saison. Das Kernproblem ist, dass das von Guardiola stets auf Ballbesitzdominanz gedrillte City keinen nun notwendigen alternativen Krisenfußball beherrscht. Zwar forderte der Trainer seine Mannschaft vom Seitenrand erneut zu mehr Kompaktheit in der Defensive auf, aber seine Spieler sind nicht wirklich in der Lage, sich kräfteschonend mal zurückfallen zu lassen und sich auf die Abwehrarbeit zu fokussieren. Derzeit fehlt es besonders an Zweikampfstärke, Robustheit und Intensität.
Im Ballbesitz scheinen die Verunsicherung sowie die wahrscheinlich mit mangelnder Fitness einhergehenden Konzentrationsschwächen durch. Immer wieder leisten sich unterschiedliche Spieler eklatante Abspielfehler. Diesmal leiteten Torwart Ederson und Mittelfeldprofi Mateo Kovacic mit ihren Aussetzern den späten K.o. ein. Auf den Einfluss der Psychologie in einem dermaßen Negativlauf hat auch Guardiola bisher keine Lösung gefunden – vielleicht weil er in seiner Trainerlaufbahn eine solche Phase noch nie erlebt hat. Es seien einfach schlechte Entscheidungen getroffen worden, erklärte er.
Pep Guardiola findet bisher keine Lösung für den Einfluss der negativen Psychologie
Die angespannte Situation bringt auch Guardiola, 54, an seine Grenzen. Bei seiner Vertragsverlängerung bis 2027 im November räumte er ein, dass dies eigentlich seine letzte Spielzeit hätte sein sollen, aber er den Klub nicht im Stich lassen könne. Vor anderthalb Jahren musste er sich kurzfristig während der Saison am Rücken operieren lassen und fiel einige Wochen aus. Nun wurde bekannt, dass er sich kürzlich von seiner langjährigen Ehefrau getrennt hat. Sein früherer Barcelona-Spieler Thierry Henry findet, man merke dem Trainer an, dass es ihm gerade mental nicht gut gehe.
Zu all dem belastet Manchester City weiterhin das seit Jahren anhaltende Rechtsverfahren der Premier League. Der Verein wurde aufgrund gravierender Finanztricksereien und nicht ausreichender Kooperation in 130 Fällen angeklagt. Angeblich hat man falsche Einkommensangaben gemacht, indem Zahlungen des Besitzers Mansour als künstlich hochgerechnete Sponsorenerlöse getarnt wurden. Der Klub bestreitet die Vorwürfe und wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Anschuldigungen. Das Verdikt soll im März fallen. Bei einer Verurteilung könnte City zum Zwangsabstieg verdonnert werden.
Manchester City hat den Generationswechsel bereits eingeleitet
Aber auch im besten Fall eines Freispruchs steht Manchester City wohl vor einer Zäsur. Die wie eine Kapitulation wirkende Champions-League-Pleite erinnerte an Liverpools 2:5-Demütigung durch ebenjenes Real vor zwei Jahren; die Folge in Liverpool war am damaligen Saisonende ein Generationswechsel im Team. Dieser steht jetzt auch City bevor, beziehungsweise er ist schon eingeleitet worden. Im Winter verpflichtete der Klub sechs Perspektivspieler für 220 Millionen Euro. Von ihnen stand gegen Real nur der von Eintracht Frankfurt geholte Omar Marmoush auf dem Platz – für sechs Minuten.
Trotz des Rückstands gibt sich Guardiola vor dem Rückspiel kämpferisch. Allerdings wird die Ausgangslage den konterstarken Madrilenen um den pfeilschnellen Vinicius Junior entgegenkommen. Als Reaktion auf die Provokationen der City-Fans deutete Vinicius mit dem Finger auf ein Emblem am Trikotärmel. Es zeigte die 15 Europapokalsiege von Real Madrid.

Aus dem Himmel gefallen
Manchester City steckt vor den spektakulären Champions-League-Playoffs gegen Real Madrid in der größten Krise seit Jahren. Der Trainer wollte aufhören, das Team wirkt ausgelaugt – und dem Klub droht wegen Finanzverstößen der Zwangsabstieg.