PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma

„Gigio Inghilterra“

30. Apr. 2025, 12:02 Uhr

"Gigio Inghilterra", so könnte bald der Spitzname von Gianluigi Donnarumma lauten, der immer gegen englische Gegner zur Höchstform aufläuft. (Foto: Matt Impey / Shutterstock / Imago Images)

Gigio England: Auch der FC Arsenal scheitert wie zuvor alle anderen englischen Vertreter in der Champions League an Torwart Gianluigi Donnarumma. Dabei hätte er in der Hinrunde fast seinen Stammplatz verloren.

Von Sven Haist, London

Von den 1191 Pässen, die Vitinha in dieser Champions-League-Saison bisher für Paris Saint-Germain gespielt hat, floss sein wohl erhabenster nicht in die Wertung ein. Nach dem Halbfinalhinspiel beim FC Arsenal trat der Mittelfeldmann die ihm zugedachte Silberkugel für den wertvollsten Spieler des Matches an seinen Torwart Gianluigi Donnarumma ab. Die Geste dokumentierte der Portugiese, indem er ein Selfie von sich mit Donnarumma aus der Mannschaftskabine postete – mit Fingerzeig auf seinen Mitspieler, der die Trophäe in der Hand hielt. Dazu schrieb Vitinha auf Französisch: „Le vrai MVP“ – der wahre Most Valuable Player.

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Mit mehreren einhändigen Glanzparaden hielt Gianluigi Donnarumma, 26, am Dienstagabend ein 1:0 für Paris fest, das Tor hatte der später angeschlagen ausgewechselte Mittelstürmer Ousmane Dembélé bereits in der vierten Spielminute mit einer Direktabnahme erzielt. Damit setzte der italienische Torwart eine Serie von herausragenden Taten in dieser Königklassensaison fort, die ihm bald eine Einreisesperre nach Großbritannien einbringen könnte. In den vorherigen Runden hatte Donnarumma ebenfalls zulasten der englischen Klubs das Weiterkommen seiner Mannschaft sichergestellt.

PSG hat nun alle englischen Europapokal-Vertreter besiegt

In der Vorrunde setzte sich PSG im Duell mit Manchester City durch, dann schalteten die Franzosen Liverpool im Achtelfinale sowie Aston Villa im Viertelfinale aus. Nun droht auch Arsenal vor dem Rückspiel in einer Woche zu scheitern. Weil Gianluigi Donnarumma außerdem der italienischen Nationalmannschaft im EM-Finale 2021 auf englischem Boden in Wembley zum Titel gegen England im Elfmeterschießen verhalf, ist er so etwas wie „Gigio Inghilterra“ – das ist der italienische Begriff für England. Einen ähnlich lautenden Spitznamen hatte einst Italiens Torwartphänomen Dino Zoff. Ihn nennen sie liebevoll „Dino Nazionale“, wegen seiner treuen Dienste für die Nationalelf, die insgesamt vier Weltmeisterschaften umfassten.

Bei Arsenals besten Chancen tauchten Gabriel Martinelli am Ende der ersten und Leandro Trossard zu Beginn der zweiten Halbzeit frei vor Donnarumma auf. Beide zielten jeweils kraftvoll, flach und präzise in die ballentfernte Ecke. Doch der 26-Jährige blockte den Ball so unverzüglich gestreckt zwei Mal mit der linken Hand ab, als wäre er eine vollautomatisierte Schranke, die sofort runterschnellt, wenn ein Ball angeflogen kommt. Die Rettungstaten waren überhaupt nur möglich, weil der 1,96 Meter große Donnarumma den Angreifern sehr breitbeinig entgegentrat. So konnte er seine ohnehin enorme Spannweite noch besser nutzen.

Mit Gianluigi Donnarumma habe man „einen Titan“ im Tor gehabt, lobt Trainer Enrique

„Einen Titan“ habe seine Truppe zwischen den Pfosten gehabt, lobte PSG-Trainer Luis Enrique. Die englischen Medien wandelten angesichts dessen Leistung ein Sprichwort ab: „Donnarumma saves the day“, titelten sie, er habe die Lage entschärft. Donnarummas Torwartspiel erinnert bisweilen an Real Madrids Belgier Thibaut Courtois, den Welttorhüter aus dem Jahr 2018. Beide besitzen eine ähnliche Körperstatur und definieren sich in klassischem Sinn über die Torverhinderung auf der Linie. Von ihren Gesamtfähigkeiten gehören sie eher nicht der modernen multifunktionalen Torwartgilde an, die auch im Spielaufbau glänzt, waghalsig Flanken abfängt und die Abwehr strukturiert.

Darauf ist PSG allerdings nicht angewiesen. Eine zusätzliche Torwart-Anspielstation benötigt Enriques Truppe nicht, weil alle Feldspieler derart ballsicher sind, dass sie sowieso kaum zurückpassen. Diese Kombinationsstruktur machte auch Arsenal richtig mürbe. Im Mannschaftskreis vor Anpfiff warnte bereits der Mittelfeldantreiber Declan Rice seine Kollegen, man sterbe, wenn man es nicht selbst schaffe, an den Ball zu kommen und ihn zu behalten. Dies bewahrheitete sich sogleich, als Arsenal kein Mittel fand, um die Ballstafetten zu unterbinden. Erst als man auch den beweglichen Dembélé in Manndeckung nahm, konnte die Profis von Coach Mikel Arteta ihre körperliche Überlegenheit in den Zweikämpfen besser einbringen.

Arsenal benötige nun „etwas Spezielles“, um doch ins Finale zu kommen, sagt Coach Arteta

Ein Kopfballtor nach einem Freistoß wurde unmittelbar nach der Pause wegen Abseits zurückgenommen. Wenn man ins Finale wolle, müsse man nun in Paris etwas „Spezielles“ leisten, verfügte Arteta. Er trauerte insbesondere den vergebenen Eins-gegen-Eins-Szenen gegen Gianluigi Donnarumma nach.

Dabei wäre Donnarumma in der Hinrunde fast aus dem PSG-Tor abgesetzt worden. Er leistete sich in Spielen, in denen er sich angesichts der Dominanz seines Teams kaum auszeichnen konnte, immer wieder Schwächen. Unter anderem griff er bei der Vorrundenniederlage gegen Arsenal (0:2) zweimal nach Standards daneben. Dies hatte zur Folge, dass Enrique ihn beim Auswärtsspiel gegen den FC Bayern auf die Bank verbannte. Aber sein Vertreter patzte in ebenjenem Match ebenfalls gravierend, wodurch er seinen Status als Nummer eins behielt. Dazu kam eine schwere Gesichtsverletzung im Dezember, als er von einem Gegenspieler in einem Ligamatch mit den Stollen frontal getroffen wurde.

In der Hinrunde wäre Gianluigi Donnarumma fast im PSG-Tor abgesetzt worden

Zu Donnarummas Turnaround in dieser Saison und womöglich sogar in seiner gesamten PSG-Zeit wurde das Rückspiel in Liverpool vor zwei Monaten. Die Partie wirkte wie auf ihn zugeschnitten, nicht weil sie in England stattfand, sondern weil PSG erstmals richtig in Bedrängnis geraten war. Dadurch wurde Donnarumma aus seiner Sicht wirklich gebraucht und konnte sich auszeichnen. Er ist ein Torwart, der ständig gefordert werden muss. Anders als die Statur vermuten lässt, ist er eine eher unscheinbare Persönlichkeit. Ein Kult, wie ihn seine berühmten Tor-Landsleute Gianluigi Buffon und Dino Zoff genossen, erscheint ihm fremd.

Die leidenschaftliche Region am Golf von Napoli, an dem er aufgewachsen ist, verließ er mit 14, als er zum AC Mailand ging. Dort gelang ihm der Durchbruch und mit dem EM-Titel wurde er zum Nationalliebling. Just in diesem Moment zog er für 60 Millionen Euro zu PSG weiter – ungewöhnlich für einen italienischen Nationalspieler, die oft im eigenen Land verbleiben. In Paris musste sich Donnarumma an die neue Erwartungshaltung gewöhnen, der Dauerzweikampf mit Keylor Navas in seiner Anfangszeit zehrte an seiner Konzentration und seinem Selbstbewusstsein.

Sein Vertrag läuft im Juni 2026 aus

Durch seine jüngsten Leistungen sieht es jetzt so aus, als möchte PSG den im Juni 2026 auslaufenden Vertrag unbedingt verlängern. Dem ist Gianluigi Donnarumma wohl nicht abgeneigt, er fühle sich in Paris sehr wohl, sagte er kürzlich in einem seltenen Interview. Ihm dürfte es gefallen, dass der Fokus in Paris auf den Kollegen wie Dembélé liegt. Auch nach seiner Darbietung gegen Arsenal mied Donnarumma die Öffentlichkeit. Die Extraklasse seiner Vorstellung geriet beinahe in den Hintergrund – bis sein Mitspieler Vitinha ihn angemessen würdigte.

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