Real Madrid verliert in Liverpool
Schlag ins Gesicht
05. Nov. 2025, 16:16 Uhr

Real Madrid erleidet beim 0:1 gegen den FC Liverpool den nächsten Rückschlag. Der Mannschaft mangelt es an Intensität und Ideen. Trainer Xabi Alonso benötigt dringend überzeugende Einfälle, um die Starstrukturen aufzubrechen.
Kylian Mbappé lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen, wie schon vor einem Jahr. Damals stand seine Welt für einen Moment kopf: Der Angreifer von Real Madrid wurde nach einer Attacke von Virgil van Dijk ausgehebelt, verlor den Boden unter den Füßen und segelte durch die Luft – bis er unsanft auf dem Rasen landete, mit dem Kopf zuerst, die Beine senkrecht nach oben. Dieses Bild avancierte zum Sinnbild der Pleite seiner Mannschaft gegen den FC Liverpool in der Champions League.
Als sich beide Klubs nun am Dienstagabend in Anfield wiedersahen, entschied Liverpools Kapitän das Duell erneut für sich: Diesmal streckte der Abwehrchef den Franzosen in der 57. Minute nieder – indem er im Zweikampf die Hand ins Gesicht von Mbappé ausfuhr, offenbar keinesfalls unabsichtlich. Van Dijk kam mit einer Ermahnung davon. Ähnlich war es zuvor bereits Mbappés Mitspieler Vinícius Júnior ergangen, der im Laufduell mit Conor Bradley einen kleinen Hieb auf den Mund einstecken musste.
Von diesen Treffern erholten sich weder Mbappé noch Vinícius – und ebenso wenig ihre Mannschaft. Real kassierte an der Merseyside ein 0:1 (0:0), oder, wie man angesichts der besagten Spielszenen wohl in der Fußballsprache sagen würde: einen Schlag in die Fresse. Für den spanischen Tabellenführer war es der erste Rückschlag im Europapokal. Die Zuversicht, die nach dem Sieg im Clásico gegen Barcelona aufgekommen war, ist fast schon wieder verflogen. In den Schlussminuten blies den Gästen bei ihren flauen Versuchen, den Ausgleich zu erzielen, der eiskalte Windregen frontal entgegen.
Die Begegnung der beiden Europapokal-Titanen bot die wohl größte Dichte an international renommierten Ausnahmespielern. Bei Liverpool stehen Mohamed Salah, Florian Wirtz, Alexander Isak und van Dijk unter Vertrag; bei Real Jude Bellingham, Thibaut Courtois, Mbappé und Vinícius. Die Besetzungen erinnern an die „Galácticos“ zu Beginn des Jahrhunderts, als Real zahlreiche Weltstars verpflichtete, die als Team jedoch nicht harmonierten. Ein ähnlicher Eindruck drängt sich auch bei den aktuellen Ensembles aus Liverpool und Madrid auf. Umso weniger verwunderlich war es, dass am Ende der LFC gewann – die Mannschaft, die deutlich geschlossener auftrat. Einig wirkten die Gäste aus Madrid nur nach dem Kopfballgegentor von Alexis Mac Allister in der 61. Minute, als sie ebenso einheitlich wie vergeblich auf Abseits reklamierten.
Im Vergleich zum Vorjahr agierte Real mit fast identischer Taktik und ähnlichem Personal, lediglich der Trainer war ein anderer: Xabi Alonso anstelle von Carlo Ancelotti. Der Baske, der im Sommer aus Leverkusen kam, müht sich in Madrid bislang an den eingefahrenen Starstrukturen der Mannschaft ab. Den Königlichen mangelt es offenkundig an Intensität und Ideen. Sichtbar wurde das bei den drei Auswärtsniederlagen unter Alonso: dem Halbfinaldebakel gegen Paris Saint-Germain bei der Klub-WM (0:4), gegen Atlético Madrid in der spanischen Liga (2:5) und nun in Liverpool.
Am Dienstag war Real in nahezu allen Statistiken unterlegen. Insgesamt legten Alonsos Spieler fünf Kilometer weniger auf dem Platz zurück als ihre Kontrahenten, dies führte zu einem weiteren bedenklichen Wert: fünf gelbe Karten, vier für taktische Fouls und eine für Alonso selbst, der sich über den Schiedsrichter echauffierte. Der Trainer hatte vor dem Match darauf bestanden, das Abschlusstraining am heimischen Gelände in Madrid und nicht – wie üblich – im gegnerischen Stadion abzuhalten. Er wolle seine Einheit nicht von „200 Kameras“ gefilmt wissen, erklärte er. In England witzelte man unter dem Eindruck der schwachen Madrider Darbietung, man hätte vermutlich nicht viel zu sehen bekommen.
Insbesondere Mbappé und Vinícius, die gemeinsam an 24 von 26 Ligatoren für Real beteiligt waren, kamen kaum zur Geltung. Ihr Wirkungskreis wurde von mehreren Liverpooler Spielern eingeengt. Aufsehen erregte einzig der überragende Torhüter Courtois: Der Belgier bewahrte seine Mannschaft mit zahlreichen Paraden vor einer herben Blamage. Zu keiner Zeit bekamen die Königlichen den flexiblen gegnerischen Angriff unter Kontrolle, auch nicht Wirtz, der auf der linken Seite auflief, schwer zu greifen war und sein bisher bestes Spiel für seinen neuen Verein absolvierte. Auf den meisten spanischen Sportzeitungen prangte Courtois tags darauf auf dem Titelblatt. Es sei „ein schlechtes Zeichen“, schrieb AS, dass sich Real daran gewöhnt habe, dass Courtois „Tag für Tag Wunder vollbringen“ könne.
Reals heftiger Seegang am River Mersey gibt Alonso zwar das Mandat für grundlegende Änderungen, doch er benötigt dafür überzeugende Ideen. Während der Klub-WM hatte er eine Dreierkette in der Abwehr ausprobiert, von der er inzwischen abgerückt ist. Zudem spielt der Brasilianer Rodrygo, das Pendant zu Vinícius, allenfalls eine Nebenrolle. Er wurde ebenso bloß eingewechselt wie der zuletzt verletzte Trent Alexander-Arnold, der im Sommer aus Liverpool kam und bei jedem Ballkontakt von den LFC-Fans ausgepfiffen wurde. Alonso sucht weiterhin nach einem geeigneten Nachfolger für die ehemaligen Taktgeber Toni Kroos und Luka Modrić. Gegen Liverpool testete er in der ersten Halbzeit den jungen Türken Arda Güler im Zentrum – und korrigierte seine Entscheidung bereits zur Pause, indem er ihn auf die rechte Seite versetzte.
Seit dem Königsklassen-Triumph 2024 durchlebt Real eine für seine Verhältnisse ungewöhnliche Durststrecke im Europapokal. Der Verein, der sich immer ein Stückchen über allen anderen Spitzenvereinen sieht, steht derzeit eher „eine Stufe darunter“ (AS). Um das zu ändern, muss Alonso mit dem Willen und der Zustimmung seiner eitlen Stars ein Team formen – so, wie es seinen Vorgängern Zinédine Zidane und Carlo Ancelotti gelungen war.
Momentan sind die Spieler aber auf sich allein gestellt. Als Mbappé gegen Spielende den Ball ins Toraus verstolperte, lief van Dijk mit machtvollem Blick auf ihn zu. Mbappé ging ihm aus dem Weg.
Allein nach Madrid
Nach 20 Jahren im Liverpool FC wechselt Trent Alexander-Arnold ablösefrei zu Real Madrid - und zieht damit den Zorn der Fans auf sich. Sie machen Anfield beim 2:2 gegen Arsenal für ihn zur Hölle. Zuvor hatte der Klub seine Personalie kühl abgehandelt.
