Peter Wright bei der Darts-WM

Für alle Altmeister

30. Dez. 2024, 18:34 Uhr

Gegen den 25 Jahre jüngeren Luke Humphries spielt Peter Wright seine Erfahrung aus. (Foto: Godfrey Pitt / Action Plus / Imago Images)
Gegen den 25 Jahre jüngeren Luke Humphries spielt Peter Wright seine Erfahrung aus. (Foto: Godfrey Pitt / Action Plus / Imago Images)

Peter Wright schlägt nach einer schwachen Saison überraschend den Titelverteidiger Luke Humpries im Achtelfinale der Darts-WM. Nach dem Sieg zeigt sich der Schotte von der Unterstützung des Publikums überwältigt. Seine Leistung steht auch dafür, dass die alte Garde noch mithalten kann.

Von Sven Haist, London (Alexandra Palace)

Luke Humphries dürfte geahnt haben, was auf ihn im WM-Duell gegen Peter Wright zukommen würde. Nach dem Walk-on auf das Spielpodium im Alexandra Palace klatschte er den Darts-Anhängern für seine Verhältnisse ungewöhnlich lange Beifall. Der Titelverteidiger, der sonst stets ganz auf sein Spiel fokussiert ist, dirigierte das Publikum auf einmal zu seiner stimmungsvollen Einlaufmusik Cake by the Ocean von der US-Popgruppe DNCE. Mit dieser Geste versuchte der Engländer, auf die Fans einzugehen und möglichst viele von ihnen irgendwie auf seine Seite zu ziehen. Denn es schien trotz seines Heimspiels in London klar zu sein, dass nahezu alle im Ally Pally zum Schotten Peter Wright halten würden – und so kam es.

Die Pfeilenthusiasten feuerten Peter Wright derart frenetisch an, dass ihm am Ende einer der spektakulärsten Siege in den vergangenen Jahren gelang. Der Doppelweltmeister entthronte den aktuellen Champion nach Sätzen 4:1 und steht im Viertelfinale. Durch diesen Knaller zum Jahresabschluss rückt der in der Weltrangliste abgerutschte Schotte wieder an eine Top-Ten-Platzierung heran. Auf dem Spielpodium fing Wright nach der Partie in den Armen seines wie immer fair gratulierenden Konkurrenten zu weinen an. Er wischte sich mit einem schwarzen Tuch, das eigentlich wegen seiner starken Erkältung der Hygiene beim Husten und Niesen diente, die Tränen aus den Augen.

Er habe noch nie solche Unterstützung erlebt, sagt Peter Wright

Dann bedankte er sich für die riesige Unterstützung. Der Altmeister stammelte, „nie in seinem Leben“ solche Zuneigung gespürt zu haben, die Atmosphäre sei die beste überhaupt gewesen. „Armer Luke“, habe er gedacht, bekannte Wright. Denn als würde es nur ein einziges Lied geben, war durchgehend zu hören: „Peter, Peter Wright na na na na na na“. Der 54-Jährige war der König im Darts-Palast.

Neben dem Publikumsvorteil spielte Wright besonders seine riesige Erfahrung aus. Er fokussierte sich auf die Spielabschnitte bei eigenem Anwurf, sie ermöglichten ihm, jeweils vorzulegen. Zwischenzeitlich kassierte keiner der beiden Spieler in insgesamt 17 Legs ein Break. Dadurch lag der Druck stets auf Humphries, und dieser wurde immer größer – bis er nicht mehr kontern konnte. Beim Stand von 2:1 Sätzen und 2:2 Legs schmetterte Wright zum Ende des fünften Spielabschnitts die Höchstpunktzahl „180“ und bereitete damit sein Break zum 3:1 vor. Die Führung baute er gleich zu Beginn des nächsten Satzes aus – mit einem Abschlusswurf ins Bull’s Eye. Humphries reagierte anerkennend schmunzelnd. In dieser Phase waren Wrights Würfe ähnlich akkurat wie seine imposante Irokesenfrisur.

Seit neun Jahren hat kein Spieler mehr den WM-Titel verteidigt

Über die gesamte Matchdauer kam Wright auf den hohen Scoring-Wert von 101, dazu kam eine außerordentliche 70-prozentige Trefferbilanz auf die Doppelfelder. Damit leistete er sich praktisch keine Fehler. Er habe sich gegen Humphries über die im Achtelfinale kürzere Distanz von nur vier Gewinnsätzen „sicherer“ gefühlt, gab Wright zu. In der Regel steigen die Chancen der Außenseiter, wenn das eigene Niveau nicht über einen sehr langen Zeitraum gehalten werden muss. Humphries‘ Stärke ist eben vor allem seine Konstanz. Er habe sich wahrscheinlich „eine zu hohe Erwartungshaltung aufgebürdet“, analysierte er. Trotzdem bleibt er in jedem Fall mit Abstand die Nummer eins der Darts-Welt. Allerdings zeigt sein Aus das Niveau in der Weltspitze. Seit Gary Anderson vor neun Jahren konnte kein Spieler mehr seinen WM-Titel im folgenden Jahr wiederholen.

Das Duell mit Wright war für Humphries auch deshalb unangenehm, weil sich sein Gegner auf einer Mission wähnte. Es wirkte, als trat Wright ebenso für seine ähnlich alten Weggefährten Raymond van Barneveld und Anderson an. Beide waren in dieser Auflage jeweils in ihrem Auftaktmatch gescheitert, so wie er selbst vor einem Jahr. Danach hatte Wright erstaunlich an Form verloren und fand sie in der abgelaufenen Saison auch nicht wieder. Es gab Gerüchte um einen vorzeitigen Rücktritt. Die Kritik schmerzte ihn sichtlich, sie kratzte am eigenen Stolz, auch weil immer wieder die Rede vom letztlich unausweichlich bevorstehenden Generationswechsel in der Szene ist.

Im Vorfeld gab es Sticheleien zwischen Humphries und Wright

Zuletzt hatte Wright fast trotzig verkündet, dass es ihn antreibe, noch immer mit Spielern wie Humphries mithalten zu können. Mit Blick auf die Turnierauslosung hatte er zudem gestichelt, dass van Barneveld Humphries schlagen werde. Zu diesem Duell kam es nicht, der Niederländer schaffte die Auftakthürde nicht. Durch die Anmerkungen fühlte sich Humphries aber offenbar provoziert. Der 29-Jährige attackierte seinen Gegner vor der Partie für seine Verhältnisse ungewöhnlich scharf. Trotz des Altersunterschieds sei er nur ein WM-Titel davon entfernt, um Wrights Karriere zu egalisieren, tönte Humphries.

All das dürfte Wrights Motivation gegen seinen Kontrahenten angestachelt haben. Während des Spiels machte er einen ausgesprochen konzentrierten Eindruck, verzog keine Miene und interagierte auch nicht mit dem Publikum. Sinnbildlich war sein Vorgehen am Spielende, als Wright nach einem Wurf in die Dreifach-20 die Möglichkeit hatte, über eine anspruchsvolle Variante, die als Schlusswurf das Bull’s Eye erfordert hätte, seinen Sieg dingfest zu machen. Stattdessen zog er es vor, sich die wohl leichter zu treffende Doppel-16 zu stellen. Knapp landete sein Pfeil in der Einfach-16, dafür traf er dann die Doppel-8 im ersten Versuch. Die Erleichterung über seinen Prestigeerfolg war Wright anzumerken. Er könne noch Darts spielen und sei nicht bereit, auf die Seniorentour zu wechseln, betonte er.

Mit diesem Publikum im Rücken habe er jede Chance, sagt Peter Wright

Aus seiner Sicht hätte er heute sogar Müll zusammengespielt und hoffe, dass er in der nächsten Runde mehr zeigen könne. „Mit diesem Publikum im Rücken habe ich jede Chance“, sagte Wright. Während die Darts-Fans ihren schottischen Liebling feierten, verließ Luke Humphries fast unbeobachtet die Bühne. Kurz vor dem Ausgang hob er die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern.

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