Letzter Deutscher bei Darts-WM
Nur die deutschen Fans können mithalten
30. Dez. 2024, 20:49 Uhr
„Nicht mein Tag“: Ricardo Pietreczko scheidet mit seiner schlechtesten Turnierleistung bei dieser WM im Achtelfinale aus. Seine wenigen Chancen ließ er ungenutzt. Trotz sechs Deutschen erreicht damit erneut keiner das Viertelfinale im Ally Pally.
Auch in diesem Jahr ist es so: Die deutschen Fans haben bei der Darts-WM das weitaus größere Durchhaltevermögen als die eigenen Spieler. Am Montagnachmittag schied mit Ricardo Pietreczko der letzte von einst sechs deutschen Teilnehmern im Achtelfinale aus – trotz der wieder mal leidenschaftlichen Unterstützung des Publikums. Er scheiterte im Achtelfinale am favorisierten Engländer Nathan Aspinall deutlich 0:4 nach Sätzen. Dabei lieferte er seine persönlich schlechteste Turnierleistung ab. Es sei einfach nicht sein Tag gewesen, kommentierte Pietreczko enttäuscht.
Pietreczko kam lediglich auf einen sogenannten Average von 78,46, nur knapp mehr, als Stephen Burton in der ersten Runde erzielt hatte, als er den bisher niedrigsten Wert der WM erzielte (75,63). Die Entscheidung in diesem einseitigen Match fiel bereits im dritten Satz, als Aspinall Pietreczko nach einigen Fehlern auf die Doppelfelder mal kurz die Chance ermöglichte, das Spiel ausgeglichener zu gestalten. Doch Pietreczko verfehlte wie diverse andere Male die Doppel-20, seine Quote auf die Außenfelder betrug nur 29 Prozent. Die Schwäche nutzte Aspinall, er holte sich letztlich auch diesen Durchgang – indem er spektakulär die dafür notwendige Doppel-10 aus einer komplizierten Seitenposition checkte.
Das Momentum liege auf Pietreczkos Seite, mutmaßte vorher Max Hopp
Vor der Partie hatte der langjährige deutsche Spitzenspieler Max Hopp im Gespräch mit der SZ noch gemutmaßt, dass das „Momentum“ auf Seiten seines Landsmanns liegen könnte. Pietreczko mache auf ihn einen „entspannten Eindruck“, sei gut drauf und fühle sich in London wohl, sagte Hopp. Obwohl er eigentlich privat eine eher schüchterne Person ist, blühte er nun in den vergangenen WM-Tagen auf. Der gebürtige Berliner, der in Nürnberg aufwuchs, wisse die Bühne für sich zu nutzen, so Hopp.
Dieses Phänomen ist nicht selten im Sport, Athleten nehmen im Wettkampf häufig eine Rollen ein. Bei Pietreczko ist es die Kunstfigur Pikachu, unter diesem Spitznamen tritt er im Darts auf. Aus diesem Grund verkleideten sich zahlreiche deutsche Fans im Publikum als Pikachus. Nach dem ersten gewonnen Leg für Pietreczko brandete riesiger Jubel im Ally Pally auf.
Beide Spieler genossen die Atmosphäre vor Spielbeginn
Die Stimmung werde elektrisierend sein, war sich Aspinall sicher, sie werde eher einem Fußballspiel zwischen England und Deutschland gleichen. Mit dieser Prognose behielt der Engländer natürlich recht, seine Landsleute hielten akustisch dagegen. Dabei drehten sich beide nach dem Walk-on den Leuten zu und intonierten nebeneinander mit ausgebreiteten Armen den Pop-Klassiker „Mr. Brightside“ von der US-Band The Killers.
Die Sympathien in der Halle waren annähernd gleich verteilt, immerhin gestaltete sich auch der erste Satz noch einigermaßen auf Augenhöhe. Zunächst erwischte Pietreczko den besseren Start, besaß im zweiten Leg sogar zwei Break-Chancen auf die Doppel-20, die er für seine bisherigen Turnierverhältnisse überraschend verwarf. Aspinall streckte erleichtert die Zunge raus und sicherte sich den ersten Satz bei Anwurf des Deutschen. Es war ein erster Hinweis darauf, wie dieses Match letztlich laufen würde.
Erstmals geriet Pietreczko bei dieser WM in Rückstand
Vom Satzrückstand wirkte Pietreczko beeindruckt, es war sein erster im insgesamt vierten Einsatz bei dieser WM. Den zweiten Durchgang musste er danach ohne Leg-Gewinn abgeben, weder sein Scoring-Wert mit drei Würfen noch die Bilanz auf die Doppelfelder entsprach seinem normalen Niveau. Die Probleme seines Gegners quittierte Aspinall mit Schnute und Schulterzucken, er hatte wohl mit wesentlich mehr Gegenwehr gerechnet. Den Vorsprung verwaltete der Weltranglisten-Zwölfte solide, ohne dabei mit konstant hohen Punkzahlten zu glänzen. Er profitierte davon, dass Pietreczko mehr mit sich als mit dem Match zu kämpfen hatte. So musste er auch den dritten Satz abgeben, Akzente konnte er erneut keine setzen.
Deutschland muss weiter auf den ersten Darts-Weltmeister warten
Der 30-Jährige verlor kurz die Beherrschung, als ihm einmal mit drei Darts nur 41 Punkte gelangen. Als Reaktion darauf verneigte er sich ironisch vor dem Publikum. Die Engländer spotteten lautstark. Immerhin konnte sich Pietreczko im vierten Satz nach den glatt verlorenen Durchgängen sein zweites Leg sichern. Den Aufschwung stoppte Aspinall allerdings sofort wieder, indem er mit zwei tollen Würfen in die Doppel-20 wieder in Führung ging. Im Hintergrund applaudierte der Deutsche anerkennend. Kurz darauf beendete Aspinall das Match mit einem Wurf in die Doppel-10.
Damit müssen die Deutschen weiter auf den ersten Darts-Weltmeister warten. Aber sie werden im nächsten Jahr wieder kommen – und die vielen deutschen Fans auch.