EM-Mitgastgeber Nordirland 2028

EM-Aus für Nordirland

20. Sep 2024, 18:12 Uhr

Marode Tribünen und ein kaputter Platz: Der Casement Park in Belfast bleibt erst einmal eine Ruine. (Foto: Niall Carson / Imago Images)
Marode Tribünen und ein kaputter Platz: Der Casement Park in Belfast bleibt erst einmal eine Ruine. (Foto: Niall Carson / Imago Images)

Nordirland steht als Mitgastgeber der Fußball-EM 2028 in Großbritannien und Irland vor dem Aus. Die UK-Politik entschied, die immer weiter steigenden Kosten für den Neubau des als Austgragungsort vorgesehenen Casement Park in Belfast nicht zu tragen und ein alternatives Stadion gibt es nicht. Die Regierung in Belfast kritisiert das Vorgehen.

Von Sven Haist, London

An historischen Denkmälern mangelt es Nordirland wirklich nicht. Die Nation von der grünen Insel besitzt so viele Steinbauten, dass sie fast der Zahl der knapp zwei Millionen Einwohner entsprechen. Eine der meist diskutierten ehrwürdigen nordirischen Bauten liegt jedoch nicht irgendwo auf dem Land oder an der Küste, sondern in der Hauptstadt Belfast – gemeint ist der Casement Park.

Die inzwischen ziemlich abgekämpfte Spielstätte wurde 2013 geschlossen und sollte daraufhin abgerissen und saniert werden. Das Projekt scheiterte an rechtlichen Hürden, am Widerstand der Anwohner sowie an fehlendem Budget und den ewigen Streitereien in Nordirlands Politik. Seitdem vegetiert der Casement Park vor sich hin wie eine ungepflegte Ruine. Auf den Luftbildern sind beschädigte Tribünen, marode Lichtmasten und ein kaputter Ackerrasen zu sehen. Trotzdem wurde das Stadion nach der Vergabe der Fußball-EM 2028 nach Großbrittanien und Irland im Oktober 2023 selbstbewusst als eines von zehn Spielstätten für das Turnier ausgewählt. Doch dieser Plan ist nun beinahe erwartungsgemäß wieder einkassiert worden.

Nordirlands Minister Hilary Benn und Lisa Nandy, die britische Staatssekretärin für Kultur, Medien und Sport, erklärten in einem Schreiben am Freitag, die Regierung des Vereinigten Königreichs (UK) werde nicht die notwendigen finanziellen Mittel für den Neubau bereitstellen. Als Grund für die Entscheidung heißt es, es bestehe ein „erhebliches Risiko“, das Stadion könnte „nicht rechtzeitig“ fertiggestellt werden. Bis zum Turnierbeginn verbleiben zwar knapp vier Jahre, aber die Arena müsste bereits weitaus früher für Testveranstaltungen bereitstehen. Die Zeitnot ist eine Folge der bisher ausbleibenden Fortschritte, was laut Regierung einen massiven Anstieg der geschätzten Baukosten zur Folge hätte – von 180 Millionen Pfund vor einem Jahr auf nun potenziell mehr als 400 Millionen.

Für den Großteil der Baukosten sollte die UK-Politik aufkommen

Für den Großteil der Summe hatte Nordirland auf die Hilfe der UK-Politik gehofft. Denn für die eigene Regierung und die Gaelic Athletic Association – ein Verband, der auf der irischen Insel populäre gälische Sportarten fördert – sind die Kosten inzwischen nicht mehr allein zu stemmen, wie es vor langer Zeit einmal gedacht gewesen war. Die Absage aus London-Westminster ist gewissermaßen der Abpfiff für die EM-Ambitionen der Nordiren. Das einzig angemessene Stadion für ein internationales Großevent ist der nur zweieinhalb Meilen vom Casement Park entfernte Windsor Park, in dem alle Fußball-Länderspiele der Nationalelf ausgetragen werden. Mit einer Kapazität von 20 000 Zuschauern ist die Arena aber deutlich zu klein für die Anforderungen der Uefa und Nordirlands Verband hält es auch für unmöglich, sie kurzfristig auszubauen. Die europäische Fußball-Union teilte mit, die Position der britischen Regierung „zur Kenntnis genommen“ zu haben und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Austragungsort Belfast zu diskutieren.

Im wahrscheinlichsten Fall finden die auf nordirischem Boden geplanten EM-Partien in anderen Stadien statt. Nordirlands Regierungschefin Michelle O’Neill kritisierte, die Bestätigung, dass Belfast aller Voraussicht nach doch kein Austragungsort sein werde, sei „zutiefst enttäuschend“ und stelle eine „verpasste Gelegenheit für den Sport und unsere Wirtschaft“ dar. Ähnlich sah es der Parlamentsabgeordnete Justin McNulty, er klagte, die Schuld liege allein bei der UK-Regierung, die sich zu langsam bewege und keinen Ehrgeiz gezeigt habe. Der Gaelic-Verband meint, die nordirische Gesellschaft werde auf diesen Entschluss noch „mit großem Bedauern zurückblicken“.

Der Statuserhalt des Gastgebers könnte für Nordirland wichtig wären

Zur Beschwichtigung ließ die UK-Regierung unverbindlich verlautbaren, sich grundsätzlich weiterhin für die Miteinbeziehung Nordirlands bei der EM zu engagieren, damit diese ein Vermächtnis für alle britischen Nationen (England, Schottland, Wales, Nordirland) werde. Das Aufrechterhalten des Status als Mitausrichter könnte für Nordirland tatsächlich noch eine gewichtige Rolle spielen. Die Uefa garantiert den Gastgebern der EM 2028, zu denen auch Irland gehört, über die reguläre Qualifikation hinaus zwei sichere Startplätze für das Turnier. Sollten sich also mindestens drei der fünf Gastgeberländer auf dem sportlichen Weg für die EM qualifizieren, wäre das inzwischen auf den 74. Platz der Weltrangliste abgerutschte Nordirland automatisch dabei – selbst wenn es die Teilnahmenorm nicht schaffen würde.

Obschon sich die Verantwortlichen in London und Belfast gegenseitig die Schuld für den Rückschlag zuschieben, kündigten beide Seiten an, auch in Zukunft die Gespräche über den Neubau des Casement Parks fortzusetzen. Bis es eventuell zu einer Einigung kommt, wird das Stadion in Nordirland aber erst einmal eine Ruine bleiben.

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