Crystal Palace im FA-Cup-Finale

Goldadler im blau-roten Schwarm

28. Apr. 2025, 02:11 Uhr

Nicht mehr einzufangen: Spieler und Trainer Oliver Glasner von Crystal Palace nach dem 3:0 im FA-Cup-Halbfinale gegen Aston Villa. (Foto: Pedro Porru / Imago Images)
Nicht mehr einzufangen: Spieler und Trainer Oliver Glasner von Crystal Palace nach dem 3:0 im FA-Cup-Halbfinale gegen Aston Villa. (Foto: Pedro Porru / Imago Images)

Oliver Glasner führt Crystal Palace sensationell ins FA-Cup-Finale gegen Manchester City. Es ist sein drittes Endspiel in der dritten Komplettsaison in Serie. Glasners Glanzleistung macht selbst das fußballskeptische Österreich ganz narrisch.

Von Sven Haist, London

Beinahe hätte Oliver Glasner ein Tor seiner Mannschaft um einen der größten Momente seiner bisherigen Trainerlaufbahn bringen können. Als sein Team Crystal Palace mit dem 3:0 in der Nachspielzeit den dritten Finaleinzug der Klubhistorie im FA Cup klarmachte, sprintete der Österreicher emotional die Seitenlinie entlang zu seinen feiernden Spielern. Doch auf halbem Weg ruderte Glasner plötzlich wild mit den Armen und legte eine Kehrtwende hin. Ihn habe ernsthaft die Sorge ereilt, dass er wegen übertriebenen Jubels fürs Endspiel gesperrt werden könnte, erklärte Glasner später, denn in der Premier League war er vor Monaten für eine ähnliche Situation mit einer gelben Karte bestraft worden. Das Schiedsrichtergespann am Samstagabend störte sich jedenfalls nicht an Glasners Verhalten – sodass er nun der dritte Gentleman nach Steve Coppell 1990 und Alan Pardew 2016 sein wird, der eine Palace-Mannschaft im FA-Cup-Finale im Londoner Wembley coachen wird.

Glasner löst eine Fußball-Euphorie in Österreich aus

Mit dem Erfolg schreibt Glasner, 50, eine Finalserie fort, wie sie noch kaum einem Trainer gelungen ist, der nicht bei einem Spitzenklub angestellt ist: Er erreicht in seiner dritten Komplettsaison in Serie zum dritten Mal ein bedeutendes Finale. Zunächst führte er die Frankfurter Eintracht zum Titel in der Europa League 2022, ein Jahr später dann ins Endspiel des DFB-Pokals (0:2 gegen RB Leipzig). Das Pokalfinale hat er nun auch in seiner ersten vollen Spielzeit mit dem Londoner Vorstadtklub vollbracht, der noch keinen Pokal in der Vitrine stehen hat; denn beide FA-Cup-Finals gingen einst verloren.

Glasners Glanzleistung macht selbst seine bisweilen eher fußballskeptischen Landsleute narrisch. Von einem „Fußball-Märchen“ berichtete die österreichische Zeitung Presse; das Boulevardblatt Krone hielt nicht ohne Stolz fest, Glasner sei der erste Trainer aus der Alpenrepublik seit einem gewissen Edi Frühwirth vor 60 Jahren, der im Wembley siegte. Damals schlug Österreich England in einem Länderspiel. Überhaupt war vermutlich nur der ehrwürdige Wiener Fußballlehrer Ernst Happel noch erfolgreicher als Glasner.

Erneut setzt Glasner erfolgreich auf Konter

Beim 3:0 (1:0) gegen den Champions-League-Viertelfinalisten Aston Villa aus Birmingham, der in der Königsklasse unter anderem den FC Bayern besiegt hatte, lieferten Glasner und seine Palace-Eagles abermals einen taktisch einwandfreien Vortrag. Sie markierten ihr Revier in der eigenen Hälfte und gingen bissig in die Zweikämpfe. Und mit Ball ging es geradewegs im Sturzflug nach vorn. Die Treffer erzielten die Spielmacher Eberechi Eze (31. Minute) und Ismaïla Sarr (58./90.+4), die ersten beiden nach phänomenalen Distanzschüssen, denen jeweils eine Balleroberung des überragenden Mittelfeld-Abräumers Adam Wharton vorausgegangen war. Die früheren Bundesliga-Profis Maxence Lacroix und Daichi Kamada agierten ebenfalls überzeugend.

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Ebenjene Strategie hatte Glasner bereits zu Frankfurter Zeiten angewendet. Damals verlor sein Team in der Bundesliga regelmäßig, wenn man mehr Ballbesitz hatte. Also habe er fortan den Spieß umgedreht und dem Gegner die Dominanz über das Spielgeschehen überlassen, betonte er kürzlich. Gegen Villa kam seine Elf auf gerade mal 29 Prozent Ballbesitz, das Eckenverhältnis lautete 1:12. Es sei wichtig, die Topteams zu respektieren, aber nicht bis zu einem Punkt, an dem dies zulasten des eigenen Selbstvertrauens ginge, führte Glasner aus. Sein Klubchef Steve Parish verneigte sich nach dem Sieg in der BBC vor ihm. Er glaube einfach immer daran, alle schlagen zu können, schmachtete Parish über Glasner.

Der Vertrag von Glasner läuft 2026 aus – er gilt als Kandidat für Topklubs

Seit Beginn seiner Tätigkeit im Februar 2024 hat der Trainer den beschaulichen Klub inspiriert. Glasner ist so etwas wie der goldene Königsadler inmitten des blau-roten Schwarms. Die Fans erleben gerade die erfolgreichste Zeit ihres Klubs in der jüngeren Vergangenheit, im Wembley warteten sie mit einer Liebeserklärung auf, angelehnt an eine Zeile des Elvis-Presley-Klassikers Can’t Help Falling in Love hieß es: „Nimm meine Hand, und mein ganzes Leben“. Das könnte auch für Glasner gelten, der sich bei Crystal Palace so gelassen präsentiert wie noch nie. Er ist derzeit trotz seines Vertrags bei Palace bis 2026 einer der gefragtesten Trainer in England und Deutschland für die neue Saison.

Das FA-Cup-Finale wirkt auch wie seine Bühne, um anschließend vielleicht bei einem Topklub zu landen. Traditionsgemäß erscheinen Trainer am Endspieltag auf der Insel im Anzug. Dem werde er selbstverständlich nachkommen, versicherte Glasner, er bat aber darum, während des Spiels aus Aberglaube auf seinen schwarzen Pullover wechseln zu dürfen, mit dem er bisher nie verloren hat.

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