Liverpool-Aus im FA Cup
Klopps letztes FA-Cup-Spiel bleibt in Erinnerung
18. Mrz 2024, 20:27 Uhr
In einer epischen FA-Cup-Partie verliert Liverpool gegen Manchester United in der Verlängerung. Damit platzt Liverpools Traum von historischen vier Titeln ausgerechnet beim Erzrivalen – weil United die gegnerische Taktik kopiert und Liverpools Spieler am Ende ausgelaugt sind.
Die Spieler des FC Liverpool wirkten nach dem Viertelfinal-Aus im FA Cup fast zu müde, um sich auf den Rasen fallen zu lassen. Ausgelaugt standen sie umher und trauerten der verpassten Chance nach, sowohl in der regulären Spielzeit als auch in der Verlängerung eine knappe Führung nicht über die Runden gebracht zu haben. Die Niederlage gegen Manchester United gehörte deshalb zwar vermutlich zu den bittersten, aber auch stolzesten in der langen Historie des Klubs. Denn die Mannschaft des deutschen Trainers Jürgen Klopp verlor auf ähnlich spektakulär dramatische Weise, wie sie bereits häufig gewonnen hat.
Klopp stellt sich vehement vor sein Team
So stellte nicht das Resultat die größte Enttäuschung für Klopp dar, sondern die Kritik an seinen tapfer kämpfenden Spielern. Im Gespräch mit dem nordischen TV-Sender V Sport wollte ein Reporter wissen, warum seine Elf die Intensität des Spiels in der Verlängerung nicht hätte aufrechterhalten können. Diese sei doch das eigene Markenzeichen. Erzürnt antwortete Klopp, die Frage sei „ein bisschen dumm“, weil sich sein verletzungsgeplagtes Team gerade im Dauereinsatz befinde. In den vergangenen 19 Tagen absolvierte Liverpool sechs Partien und seit Jahresbeginn 18 Pflichtspiele – mehr als jeder andere Klub in England. Als der Interviewer neu ansetzte „also, zu viele Spiele …“, unterbrach ihn Klopp energisch: „Oh, glauben Sie das nicht? Sie sind offensichtlich nicht gut in Form, und ich haben keine Nerven für sie.“ Dann beendete er die Konversation.
Für die Begegnung zwischen Manchester United und Liverpool blieb am Sonntagabend fast kein Superlativ übrig. Und den benötigte die Partie auch nicht, weil das Ergebnis für sich sprach – 4:3 für United nach Verlängerung. Der Schlagabtausch der beiden englischen Fußball-Schwergewichte, der passenderweise vor den Augen des Boxchampions Tyson Fury stattfand, beinhaltete so viele Niederschläge und Comebacks wie Tore. Der Spielverlauf mit sechs Führungswechseln und 53 Torschüssen glich einem Kapitel für Historienbücher des FA Cups. Beide Klubs schienen sieben Leben zu besitzen – und Manchester hatte am Ende noch eins mehr als Liverpool.
Den Siegtreffer erzielte Uniteds eingewechselter Angreifer Amad Diallo in der Nachspielzeit der Verlängerung, per Konter nach einem Eckball für Liverpool. Für Diallo war es ein besonders großer Moment. In einem kuriosen Deal verpflichtete United einst den Ivorer im Winter 2021 für 20 Millionen Euro zuzüglich weiterer 20 Millionen möglicher Bonuszahlungen von Atalanta Bergamo. Zu diesem Zeitpunkt hatte der heute 21-Jährige nur 24 Ligaminuten in der ersten Mannschaft bestritten. Bei United konnte sich Diallo nicht durchsetzen, der Klub lieh ihn ein Jahr später für sechs Monate zu den Glasgow Rangers aus und dann für eine Saison zum Zweitligisten AFC Sunderland. Ein neues Leihgeschäft für diese Spielzeit kam nicht zustande – wegen einer schweren Knieverletzung des Spielers in der Sommer-Vorbereitung.
Liverpool verliert auf dieselbe Art, wie es häufig gewinnt
Nach der Reha kehrte Diallo vor einigen Wochen ins United-Profiteam zurück, spielte aber wieder keine Rolle – bis United-Trainer Erik ten Hag gegen Liverpool beim Stand von 1:2 in der 85. Spielminute eine weitreichende taktische Entscheidung traf. Er stellte auf Manndeckung um und spiegelte damit die 4-3-3-Formation des Gegners. Dafür waren nun vier statt drei Angreifer erforderlich – und Diallo der einzig verbliebene auf der Bank. Durch dessen Einwechslung löste ten Hag ein gezieltes Chaos auf dem Spielfeld aus, wie es gewöhnlich Klopp erzeugt, wenn eine Aufholjagd unabdingbar wirkt. Zwei Minuten später gelang Antony das 2:2, in der Verlängerung steuerte Diallo die Balleroberung für das erneute Ausgleichstor zum 3:3 durch Marcus Rashford bei und traf selbst.
Im Überschwang zog sich Diallo beim Jubeln das Trikot aus und kassierte dafür die gelb-rote Karte. Später gestand er, „vergessen“ zu haben, sich zuvor schon eine Verwarnung eingehandelt zu haben. Viele United-Fans schienen den Platzverweis überhaupt nicht mitbekommen zu haben. So glückselig feierten sie den bevorstehenden Sieg über den Erzrivalen, dem nach dem League-Cup-Titel im Februar die Möglichkeit auf einen historischen Vierfach-Triumph vermasselt worden ist. Daran fanden die United-Anhänger mindestens ebenso Gefallen wie am eigenen Weiterkommen. Im Halbfinale geht es gegen Zweitligist Coventry. Das Parallelspiel bestreiten Titelverteidiger Manchester City und der FC Chelsea.
Liverpool sei am Ende “richtig in Problemen gewesen”, gibt Klopp zu
Nach seinem angekündigten Rücktritt als Liverpool-Trainer zum Saisonende bedeutet dies für Klopp, dass es vorerst keine Rückkehr ins Wembley-Stadion geben wird und kein Wiedersehen mit City-Kollege Pep Guardiola. Mehrmals sei man „fast am Ziel“ gewesen, sagte Klopp, hätte es aber versäumt, die eigenen Torchancen effizient zu nutzen. Am Ende sei seine Mannschaft „richtig in Probleme“ geraten. Diese begannen mit der zunehmenden Auswechslung mehrerer Schlüsselspieler in der zweiten Halbzeit, die Liverpool nicht angemessen ersetzen konnte. Einige Profis sind soeben erst aus Verletzungspausen zurückgekehrt.
Die Belastung ist ohnehin dauerhaft hoch für die Liverpooler Profis. Acht Startelfspieler standen schon drei Tage zuvor im Europa-League-Achtelfinale gegen Sparta Prag von Beginn an auf dem Platz. Drei davon spielten durch – Dominik Szoboszlai, Mo Salah und Andrew Robertson. Dabei bestand nach dem Kantersieg gegen Prag im Hinspiel keine Notwendigkeit, erneut eine erstklassige Mannschaft aufzubieten. Nun waren just Szoboszlai, Salah und Robertson gegen United die ersten Spieler, die Klopp auswechselte und ohne deren Mitwirken die Kontrolle verloren ging. Einen guten Effekt hatte das Pokal-Aus aber für Liverpool: Das Team muss in der Saisonendphase der Premier League und Europa League immerhin mindestens ein Match weniger bestreiten.