Manchester United gewinnt FA Cup
Erst Titel, dann Trennung?
25. Mai 2024, 20:30 Uhr
Erik ten Hag steht nach zwei Jahren als Trainer von Manchester United vor der Entlassung – trotz des überraschenden 2:1-Pokalsiegs gegen Stadtrivale City am Samstag. Der dreizehnte FA-Cup-Titel beschließt fürs Erste eine der turbulentesten Vereinsdekaden.
Nach dem Gewinn des FA-Cups für Manchester United schlich sich Lisandro Martinez in den Rücken seines Trainers Erik ten Hag und hob ihn wie eine Trophäe in die Luft. Der Abwehrspieler, den ten Hag zu Beginn seiner Amtszeit 2022 als Schlüsselspieler von Ajax Amsterdam mitgebracht hatte, trug seinen Chef ein paar Meter über den Platz. Als würde er allen zeigen wollen, dass die Kritik am Niederländer nicht gerechtfertigt sei.
Die Geste sah nach einem Abschiedsgruß für Erik ten Hag aus, dessen Abberufung bei United vor dem Spiel von den englischen Medien als beschlossene Sache dargestellt worden war. Der prestigeträchtige Pokalsieg gegen den Stadtrivalen City sichert United zwar einen Europa-League-Startplatz in der nächsten Saison. Allerdings dürfte das 2:1 (2:0) den Gesamteindruck der vermaledeiten Spielzeit mit dem Absturz in der Premier League und der Champions League nicht mehr korrigieren.
Auch Louis van Gaals musste 2016 nach dem Pokalsieg gehen
So gleicht der Triumph für ten Hag bei Manchester United in gewisser Weise einem Déjà-vu, weil er an die Demission seines Landsmanns Louis van Gaal erinnert. Dieser gewann 2016 mit dem Verein ebenfalls den FA-Cup – und wurde trotzdem am nächsten Tag freigestellt. Wegen seiner mehr als unsicheren Zukunft wird ten Hag seit geraumer Zeit als “dead man walking” bezeichnet, als lebender Toter.
Trotz der Trennungsanzeichen gibt sich Erik ten Hag weiter kämpferisch: Er wisse nicht, ob das Manchester-Derby am Samstag sein letztes Match als United-Coach gewesen sei. Einen Hinweis, dass es so sein könnte, schien er aber am Vortag zu liefern, als er sich für seine Verhältnisse ungewöhnlich scharf an seine Kritiker wandte. Im Vorjahr, als er mit United den League Cup gewann und Ligadritter geworden war, habe es geheißen, er könne über Wasser gehen. Nun solle er der schlechteste Trainer sein, schimpfte der 54-Jährige. Aus seiner Sicht seien “die sogenannten Experten nicht in der Lage, etwas mit Fakten zu analysieren”, und würden kritisieren, um besser dazustehen.
United setzt auf Kompaktheit und Konter – und City findet kein Mittel
Ähnlich zur Sache ging es dann im Wembley-Stadion. Beim Einlaufen der Mannschaften entrollten die City-Fans Spruchbanner, auf denen stand: “4-in-a-row: We are the boys in blue, coming after you”. Frei übersetzt: Wir rücken euch durch den vierten Ligatitel in Serie auf die Pelle! United konterte, indem alle zwanzig Meisterpokale auf einem Plakat abgebildet wurden, und zwar so groß, das sie auch auf der anderen Stadionseite erkennbar waren.
Die Fans verteidigten sich also, und im Verteidigungsmodus war dann auch die Mannschaft von United. Die Doppelspitze bildeten zwei lauf- und zweikampfstarke Mittelfeldspieler, Kapitän Bruno Fernandes und Scott McTominay. Die blitzschnellen Stürmer Marcus Rashford und Alejandro Garnacho agierten über die Flanken. Diese Taktik hatte Erik ten Hag schon im März im Liga-Auswärtsspiel bei City ausprobiert.
Der überragende Mainoo entscheidet das Spiel
Wie damals tat sich die Mannschaft von Pep Guardiola schwer, den kompakten Defensivblock auszuspielen und die gegnerischen Tempovorstöße zu unterbinden. United versuchte, nach Ballgewinnen mit Steilpässen hinter die aufgerückte City-Abwehr zu kommen. So fielen beide Tore, jeweils startete Garnacho auf rechts durch. Beim 1:0 nach einer halben Stunde legte ihm City-Verteidiger Josko Gvardiol den Ball in den Lauf, als er ihn hektisch über den herbeieilenden Torwart Stefan Ortega köpfte. Neun Minuten später erhöhte der überragende Kobbie Mainoo nach einem weiteren Garnacho-Sprint: Der England-Youngster, 19, dem eine ähnliche Karriere wie Jude Bellingham prophezeit wird, schloss einen Angriff ab, bei dem sich United so geschickt aus der eigenen Hälfte befreite und vors Tor kombinierte, wie das in England sonst nur Guardiolas City beherrscht.
Auf den Rückstand reagierte City mit einer Drangphase in der zweiten Halbzeit. Sie wirkte so furchteinflößend, dass selbst der United-Stadionehrengast Alex Ferguson, der wie kein anderer Trainer für dramatische Siege in der Nachspielzeit stand, kurz vor Schluss nervös auf seine Uhr schaute. Kaum hatte er den Blick zurück auf den Platz gerichtet, gelang City durch Jeremy Doku der Anschlusstreffer in der 87. Minute: Dokus Flachschuss wehrte United-Schlussmann Andre Onana unglücklich ins Netz ab. Doch diesmal rettete United die Führung über die Zeit – wie zu besten Ferguson-Tagen.
Der Cup-Sieg beendet fürs Erste eine turbulente United-Dekade
Mit dem dreizehnten FA-Cup-Titel scheint Manchester United fürs Erste eine der turbulentesten Vereinsdekaden zu beschließen. Nach dem Rücktritt des Langzeittrainers Ferguson war der Klub praktisch auseinandergefallen. Aus diesem Grund generalüberholt der seit diesem Winter neue Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe gerade den Verein. Er hat sämtliche Posten bereits neu besetzt: den Vorstand, die Geschäftsführung, die sportliche Leitung. Und er wird dies wohl demnächst auch beim Trainer tun.