FC Bayern und Kompany
Geprägt von Guardiola
23. Mai 2024, 18:45 Uhr
Nach diversen Absagen scheint der FC Bayern einen neuen Trainer gefunden zu haben: Vincent Kompany, 38, von Premier-League-Absteiger FC Burnley. Die Verpflichtung gleicht einer Zeitenwende auf der FCB-Trainerposition.
Um die inzwischen fast imageschädigende Trainersuche des FC Bayern für die neue Saison positiv zu beeinflussen, betonte der Sportvorstand Max Eberl kürzlich, dass das Beste immer zum Schluss käme. Tatsächlich bietet sich den Münchnern eine unverhoffte Chance auf einen renommierten Spitzencoach, der gerade erst verfügbar geworden ist. Denn Mauricio Pochettino löste am Dienstag überraschend seinen bis Juni 2025 laufenden Vertrag beim FC Chelsea einvernehmlich auf, wegen Differenzen in der sportlichen Ausrichtung. Allerdings hat das Klubmanagement um Sportchef Max Eberl nicht den Kontakt zu Pochettino gesucht – sondern zu Vincent Kompany, 38, dem Trainer des Premier-League-Absteigers FC Burnley.
Nach diversen Absagen von diversen Wunschkandidaten in den vergangenen Wochen soll sich der FC Bayern mit dem früheren Verteidiger von Manchester City und dem Hamburger SV mündlich geeinigt haben. Und diesmal laut Berichten aus Deutschland und England wirklich. Der Wechsel nach München hängt dem Vernehmen nach nur noch an der Ablösesumme, Vincent Kompany besitzt in Burnley einen Langstreckenvertrag bis 2028. Allerdings würde Burnley-Besitzer Alan Pace, so ist zu hören, das Interesse an Kompany gerne nutzen, um sich 20 Millionen Euro Ablöse überweisen zu lassen; im sicheren Wissen, dass die Münchner massiv unter Druck stehen. Diese Summe wollen die Bayern allerdings keineswegs bezahlen, und so wird man also nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen anfügen müssen, dass dieser Transfer durchaus noch nicht fix ist.
Der Bayern-Wechsel wäre für Vincent Kompany eine einmalige Chance
Dass Kompany seinerseits wie Ralf Rangnick noch abspringen könnte, ist dagegen praktisch auszuschließen: Im Vergleich zur Vorsaison, als Kompany den Provinzverein im Norden Manchesters auf Anhieb in die erste Liga führte und so die Aufmerksamkeit von ambitionierten Klubs auf sich zog, hat das Interesse an ihm, zumindest in England, stark nachgelassen. Zuletzt sah es so aus, als würde der Trainer den Klub wieder in die zweite Liga hinunterbegleiten – bis sich für ihn durch die Anfrage aus München eine zum jetzigen Zeitpunkt einmalige Karrierechance auftat.
Die Anstellung des Belgiers käme für den FC Bayern einer Zeitenwende gleich. Deutschlands Rekordmeister definiert sich seit je über renommierte Trainer, deren Titelliste so umfangreich ist wie die des Klubs selbst. Zwar lesen sich auch Kompanys Erfolge mit vier englischen Meisterschaften und sechs Cup-Siegen sehr beachtlich – aber das ist die Bilanz des Spielers Vincent Kompany, nicht des Trainers. Als solcher steht der 38-Jährige erst am Anfang. Selbst die zum Zeitpunkt ihrer Bayern-Anstellung auf Spitzenniveau ähnlich unerprobten Jürgen Klinsmann und Niko Kovac verfügten seinerzeit über ein höheres Standing in der Branche, Julian Nagelsmann sowieso.
Schon als Spieler fing Kompany an, sich auf den Trainerberuf vorzubereiten
Nach seinem Abschied als Kapitän von Manchester City im Jahr 2019 vollzog Kompany den Übergang vom Spieler- zum Trainerdasein beim RSC Anderlecht. Bei seinem Heimatverein füllte er beide Rollen gleichzeitig aus, bevor er seine aktive Karriere komplett beendete. In gewisser Weise fing Kompany allerdings schon 2016 an, sich auf den Trainerjob vorzubereiten: Nach einer schweren Verletzung war seine Spielerzukunft bei City unter dem damals neuen Trainer Pep Guardiola mehr als ungewiss, und Kompany nutzte diese Situation, um Guardiolas Arbeit eingehend zu studieren. Im SZ-Interview erzählte er vor einem Jahr, Guardiola habe das Spiel so heruntergebrochen, dass er, Kompany, es umfänglich verstehen und danach selbst erklären konnte.
Diese Pep’sche Prägung dürfte dem Sportvorstand Max Eberl gefallen haben; er verbindet mit Kompany wohl die Hoffnung, einen verheißungsvollen Trainer der Größenordnung Xabi Alonso (Bayer Leverkusen), Xavi Hernandez (FC Barcelona) und Mikel Arteta (FC Arsenal) gefunden zu haben. Alle drei arbeiteten früher ebenfalls unter den Fittichen von Guardiola; Alonso und Xavi als Spieler, Arteta als Assistent. Zu Beginn seiner Zeit in Anderlecht erklärte Kompany, dass Guardiolas City den Fußball spiele, den auch er „lehren“ wolle: dominant also, attraktiv und offensiv.
In der Aufstiegssaison wurde Burnley als „Mini-Man-City“ bezeichnet
Diesen Ansatz konnte er den Spielern in Burnley nach seinem Wechsel im Sommer 2022 auch tatsächlich vermitteln, er guardiolisierte gewissermaßen einen englischen Zweitligisten. Als Meister stieg Burnley souverän auf und erhielt den schmeichelnden Beinamen „Mini-Man-City“. Dieselbe Herangehensweise schien in der Premier League aber nicht mehr zu funktionieren. Früh zeichnete sich ab, dass die junge Mannschaft körperlich nicht mithalten konnte, auch das Spieltempo schien ihr zu hoch zu sein. Das Sportmagazin The Athletic unterstellte Kompany in der Hinrunde „taktische Naivität, Stur- und Unerfahrenheit“. Allerdings war wohl weniger die risikobehaftete Spielweise mit Ballverlusten am Strafraum das Problem als die erkennbar nicht ausreichende Qualität im Kader.
Während der Abstiegssaison bewies Kompany in der Öffentlichkeit wie schon als Spieler stets Anstand und Rückgrat. Nur einmal verlor er die Nerven, als er sich wegen Schiedsrichterbeleidigung eine Sperre einhandelte; als er zur Anhörung erschien, sagte er, er sei nur da, um sich zu entschuldigen. Trotz der schlechten Ausgangslage kämpfte er bis zum Ende um den Ligaverbleib und distanzierte sich zu keinem Zeitpunkt von seinen Spielern. An den Grundtugenden wie Durchhaltevermögen und Willen hat es ihm nie gefehlt, an Eloquenz ebenfalls nicht – Eigenschaften, die ihm in München von großem Nutzen sein könnten. Er würde sie, anders formuliert, auch dringend brauchen in einem Klub, der sich traditionell nicht durch große Fürsorge seinen Trainern gegenüber auszeichnet.
Guardiola lobt Kompany in den höchsten Tönen
Vincent Kompany wuchs im komplizierten Teil Brüssels auf, der Vater war ein politischer Flüchtling aus dem Kongo, die Mutter stammte aus einer Bauernfamilie. Die Kindheit prägte ihn, seine Intelligenz, aber auch seine soziale Haltung. Er beherrscht zahlreiche Sprachen, darunter Deutsch, Englisch und Französisch – auf dem Niveau von Muttersprachlern. In den Trainingseinheiten ist zu hören, wie er mühelos zwischen den Sprachen hin und her switcht, je nachdem, welcher Spieler gerade am Ball ist.
Seine verbindliche Art und sein selbstbewusstes Auftreten würden dem seiner Vorgänger beim FC Bayern um wenig nachstehen, viele Weggefährten sehen in Vincent Kompany einen Spitzentrainer der Zukunft. Immer wieder hat Guardiola betont, es stehe „in den Sternen geschrieben“, dass Kompany ihm irgendwann bei City nachfolgen werde. Elogen wie diese hat Kompany aber nie so gerne gehört; vor einem Jahr bat er seinen früheren Chef um Zurückhaltung. Guardiola solle aufhören, das zu sagen, weil er, Vincent Kompany, doch gerade mal ein Zweitliga-Trainer sei.
Kompany muss das komplizierte Mannschaftsgefüge in den Griff bekommen
Kompanys größte Herausforderung beim FC Bayern dürfte neben der Erwartungshaltung darin bestehen, das komplizierte Mannschaftsgefüge in den Griff zu bekommen. Aber bevor es soweit kommt, muss ihn das komplizierte Machtgefüge im Klub erst mal zum neuen Trainer werden lassen. Falls es doch nicht klappt, wäre für den FC Bayern immerhin jetzt auch Mauricio Pochettino zu haben.