Letztes Merseyside-Derby im Goodison Park

Der Goodison Park berührt alle

13. Feb. 2025, 17:43 Uhr

Das letzte Merseyside-Derby-Tor im Goodison Park: James Tarkowski (rechts) trifft in der letzten Aktion des Spiels zum 2:2. (Foto: Darren Staples / Sportimage / Imago Images)
Das letzte Merseyside-Derby-Tor im Goodison Park: James Tarkowski (rechts) trifft in der letzten Aktion des Spiels zum 2:2. (Foto: Darren Staples / Sportimage / Imago Images)

Vier Platzverweise, ein Massendisput und ein Ausgleich in der finalen Aktion: Der FC Everton und der FC Liverpool liefern ein spektakuläres Schlusskapital im letzten Merseyside-Derby im ehrwürdigen Goodison Park. Durch das 2:2 verliert Liverpool wichtige Punkte in der Meisterschaft.

Von Sven Haist, Liverpool

Man dachte, dass der Goodison Park eigentlich alles erlebt hat. Das Heimspielstätte des Everton Football Club ist die älteste Fußballherberge in England, eröffnet 1892, 14 Jahre nach Gründung des Klubs. Es trägt den verdienten Rufnamen Grand Old Lady – die alte ehrwürdige Dame. Doch das allerletzte Aufeinandertreffen zwischen dem FC Everton und dem FC Liverpool im Goodison Park, bevor Everton nach dieser Saison in die neugebaute Arena an den Bramley-Moore-Docks umzieht, hat die 132-jährige Geschichte der Spielstätte noch mal um ein legendäres Kapitel erweitert. Denn Everton gelang durch einen fulminanten Volleyschuss in den Winkel von Kapitän James Tarkowski mit der finalen Aktion des Merseyside-Derbys das in seiner Bedeutung für den Klub immense 2:2-Ausgleichstor.

Für den Freudenschrei der Heimfans dürfte es sich für die Grand Old Lady gelohnt haben, so alt zu werden. Einige Fans stürmten vor Glückseligkeit auf den Platz und warfen sich auf den Jubelknäuel aus Spielern und Betreuern an der Eckfahne. Es dauerte Minuten, bis die Sicherheitskräfte die Gefühlsexplosion entschärft hatten. Derweil starrten die Liverpool-Profis fassungslos vor sich hin, einige sanken zu Boden. Am Seitenrand ging Trainer Arne Slot auf den Vierten Offiziellen los, weil ihm die Nachspielzeit zu lang erschein. Die Anzeige wies bei Torlinienüberquerung des Balls 97:08 Minuten an – so spät war noch nie zuvor ein Treffer in dieser Spielpaarung im Goodison Park gefallen.

Die Schlussbilanz im Goodison Park: 41 Siege Everton, 41 Siege Liverpool

Durch das Remis bleibt nun für immer folgende Ergebnisbilanz nach zusammengerechnet 120 Schlachten der Stadtrivalen im Goodison Park stehen: 41 Siege für Everton; 38 Unentschieden; 41 Siege für Liverpool. Kurz waren die Zahlen ohne Gewähr, weil überprüft wurde, ob in der Torentstehung eventuell Evertons Abdoulaye Doucouré im Abseits gestanden haben könnte. Die Videoüberprüfung der Szene passte insofern zu diesem historischen Match, als dass nur ein paar Fans auf der Haupttribüne aufgrund der schlechten Internetverbindung im Stadion die Auflösung der Szene live verfolgen konnten – sie schauten auf die Monitore im Pressebereich.

Von dort verbreitete sich nach mehr als drei Minuten die erlösende Nachricht, dass das Tor regulär war , was dann auch Referee Michael Oliver bestätigte. Anschließend pfiff er die Partie im Goodison Park ab. Daraufhin lief Evertons Doucouré zu den Liverpool-Fans und ballte vor ihnen die Fäuste. Die Provokation war eine Reaktion darauf, dass die Gäste zuvor in Führung liegend gespottet hatten, die Premier League bei dann neun Punkten Vorsprung ihres Klubs auf das zweitplatzierte Arsenal mutmaßlich im Goodison Park zu gewinnen. Doucourés Aktion ließ sich Liverpools Curtis Jones wiederum nicht gefallen. Er attackierte ihn und löste einen handfesten Massendisput aus.

Liverpools Trainer Arne Slot und sein Assistent erhielten nach dem Spiel rote Karten

Nachträglich erhielten die im Spiel schon verwarnten Doucouré und Jones jeweils die gelb-rote Karte. Auch Trainer Slot und Assistent Spike Hulshoff verloren angesichts des bitteren Punktverlusts die Nerven; der Vorsprung auf Arsenal beträgt jetzt nur sieben statt neun Punkte. Sie handelten sich in einem Konfrontationsgespräch mit dem Referee auf dem Platz gleichfalls eine rote Karte ein. Slot hat sich bisher nicht zu den Vorfällen geäußert, die Statuten schreiben vor, ein Trainer dürfe nach einer Hinausstellung keine Interviews geben. Es lässt sich aber davon ausgehen, dass es ihm generell um die Schiedsrichterleistung ging und speziell wohl auch um ein potenzielles Foul an Verteidiger Konaté. Dieser könnte beim späten Gegentor im Kopfballduell leicht behindert worden sein, klagte aber nicht.

Das Spiel sei ein einziges Chaos gewesen, sagt Everton-Trainer Moyes

Das gesamte Spiel, das wegen einer witterungsbedingten Absage im Dezember nachgeholt werden musste, sei ein einziges Chaos gewesen, räumte Evertons Trainerroutinier David Moyes ein. Der Schotte, der vor einem Monat übernahm, hatte das stolze Gründungsmitglied der Premier League und einstigen Football League bereits von 2002 bis 2013 erfolgreich angeleitet. Evertons Vorgehen wirkte – passend zum Anlass – wie eine Reminiszenz an die Ursprünge des Fußballs. Um den Qualitätsunterschied zu Liverpool zu reduzieren, entwarf Moyes die clevere Taktik, der Partie jeglichen Rhythmus zu nehmen. Seine Spieler taten dies mit einer extrem robusten und direkten Spielweise. In jeder Situation schlug Everton quasi den Ball hoch nach vorne, der späte Ausgleich stand beispielhaft dafür. Zuvor hatte Liverpools Mohamed Salah mit der Führung in Minute 73 den sich lange eingestellten Patt auf dem Rasen nach zwei frühen Toren von Evertons Beto und Liverpools Alexis Mac Allister aufgelöst.

Evertons Strategie machte Liverpool mürbe

Dieses Vorgehen machte Liverpool mürbe. Die Gäste verloren sich in vielen Zweikämpfen und Scharmützeln und begingen letztlich doppelt so viele Fouls wie Everton. Hernach stichelte Liverpools Spielführer Virgil van Dijk, die Partie sei wie ein „Pokalfinale“ für Everton gewesen. In den vergangenen Jahren erwies sich das Auswärtsspiel in Everton für Liverpool regelmäßig als sportlicher Schicksalsort, an dem man wichtige Punkte im Titelrennen verlor. Auch diese Partie gehört nun trotz des komfortablen Vorsprungs dazu.

Und Everton? „Hört euch das an“, sagte Torschütze Tarkowski im Liveinterview auf dem Platz auf die Frage, was das Remis für den eigenen Verein bedeute. Er meinte die Atmosphäre im Goodison Park. Obwohl er eigentlich kaum Tore schieße, habe er sich bei seinem Vorstoß in den gegnerischen Strafraum am Ende gedacht: „Letzte Minute, warum nicht?“ Als der Ball zu ihm sprang, habe er einfach draufgehalten. Evertons Alan Ball, Meister von 1970, sagte mal über den Klub: „Wenn Everton dich einmal berührt hat, wird nichts mehr so sein wie vorher.“ Dies gilt nun auch für den Goodison Park.

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