Spitzenreiter FC Liverpool
Liverpool hat Klopp-Spektakel weiter im Programm
27. Dez. 2024, 23:00 Uhr
Der FC Liverpool beschert die eigenen Fans zu Weihnachten vorzeitig mit einem 6:3 bei Tottenham Hotspur. Dabei beweisen die Reds, dass sie von der Spielweise das flexibelste Team der Premier League sind. Auch den alten Klopp-Tempofußball hat die Elf des neuen Trainers Arne Slot nicht verlernt.
In den vergangenen Tagen meldete sich Jürgen Klopp mit einem Kurzvideo aus den Bergen. Dabei stellte er zufrieden fest, dass er „das Skifahren nicht verlernt“ habe – obwohl ihm seine neunjährige Trainerzeit beim Liverpool Football Club nie eine richtige Winterpause ermöglicht hätte. Ähnlich erging es auch den LFC-Fans, die sich nach Klopps Rückzug in der Vorsaison zuletzt fragten, ob ihre Mannschaft eigentlich noch den Hochgeschwindigkeitsfußball des Deutschen beherrscht. Seit dem Wechsel zu Arne Slot agiert die eigene Elf zwar weiterhin sehr erfolgreich auf dem Platz, aber die Darbietungen sind für das Publikum nicht mehr so rauschhaft wie einst. Seit Sonntagabend steht jedoch fest: Liverpool hat das Spektakel ebenfalls nicht verlernt!
Das 6:3 (3:1) im Auswärtsspiel bei Tottenham Hotspur glich am Sonntagabend einer vorzeitigen Bescherung für die eigenen Fans. Der Kantersieg ließ aus Gästesicht keinen Weihnachtswunsch offen, er beinhaltete so viel Lametta, dass man damit wohl alle Weihnachtsbäume in Liverpool schmücken könnte. Die Reds schossen erstmals in dieser Saison sechs Tore: Die Angreifer Luis Díaz (23./85.) und Mohamed Salah (54./61.) trafen doppelt, dazu die Mittelfeldspieler Alexis Mac Allister (36.) und Dominik Szoboszlai (45.+1). Salah ist nun mit 15 Toren und elf Vorlagen der erste Profi, der in beiden Wertungen vor Weihnachten eine zweitstellige Bilanz vorweisen kann.
Arne Slot äußerte sich nach dem Match euphorisch wie Klopp
Liverpools Vorsprung an der Tabellenspitze vergrößerte sich dadurch auf vier Punkte, und der Klub hat im Vergleich zu den Verfolgern Chelsea und Arsenal noch ein Nachholspiel. Damit dürfte dem Merseyside-Verein der erste Platz in diesem Kalenderjahr nicht mehr zu nehmen sein. Die Leistung verzückte Slot auf eine Weise, dass er sich ausnahmsweise am Wortschatz seines Vorgängers orientierte. Er habe das Match „wirklich, wirklich, wirklich genossen“, sagte der Niederländer. Seine Analyse entsprach quasi der Spielweise, die eine Andacht an Klopp gewesen war.
Gegen das unter Trainer Ange Postecoglou immer den offenen Schlagabtausch suchende Tottenham passt fast keine Strategie besser als ein zackiger Konterfußball. Und den praktizierte Liverpool, als würde Klopp immer noch an der Seitenlinie stehen. Nach jedem gegnerischen Ballverlust brachen die Reds nach vorn aus, das überfallartige Tempo erweckte den Eindruck, der Platz wäre abschüssig. Slots Elf stellte unter Beweis, gerade wohl alle taktischen Varianten ähnlich gut zu beherrschen: Sie kann abwarten, tief verteidigen, dominieren, attackieren und umschalten.
Tottenham ist das Gegenstück zu Liverpool: Die Spurs spielen immer gleich
Diese Flexibilität macht Liverpool zum aktuell besten Fußballteam in Europa. Sie steht im Kontrast zum Vorgehen der Spurs, bei denen Postecoglou coacht, als stünde der Nervenkitzel im Vordergrund. In Tottenhams 17 Ligapartien fielen insgesamt 64 Tore, nur beim Abstiegskandidaten Wolverhampton mehr. „Seid ihr nicht amüsiert?“, witzelte Postecoglou kürzlich bissig nach dem EFL-Cup-Halbfinaleinzug gegen Manchester United (4:3). Er wisse, dass das Sky-Studio wohl „einen Nervenzusammenbruch wegen der mangelnden Taktik“ bekommen habe. Nun konterte Sky-Mann Jamie Carragher, noch sei keiner mit so einem wagemutigen Ansatz am Ende durchgekommen.
Trotz dem elften Ligaplatz halten die Spurs-Fans weiter zum Trainer. Sie unterstützen das abwechslungsreiche Spielgeschehen im Vergleich zu den reizlosen Darbietungen unter Postecoglous Vorgängern José Mourinho und Antonio Conte. Selbst nach dem zwischenzeitlichen 1:5 gegen Liverpool verweilten die Anhänger im Stadion. Denn bei keiner anderen Mannschaft lohnt sich der Verbleib mehr als bei den unberechenbaren Spurs. Auch diesmal hätte man fast zurückgeschlagen, nach den Anschlusstreffern zum 3:5 gab es auch die Chance zum 4:5.
Liverpool profitiert von der Aufbauarbeit in der Vorsaison
Tottenham gleicht mit seiner neuen Multifunktionsarena gerade einem riesigen Entertainment-Paket. „Ja, Tottenham ist unterhaltsam, aber wie lange wird dies ausreichen?“, fragte das Sportmagazin The Athletic. Liverpools Slot lobte vor dem Match, es sei eine Freude den Spurs zuzusehen, er sei sogar ein Fan von ihnen und hoffe, dass sie in dieser Saison einen Titeln gewinnen. Als einziger Spitzenklub scheint Liverpool der dichte Spielplan in dieser Saison bisher nichts auszumachen. Denn die anderen englischen Europapokal-Teilnehmer haben mit den enormen Belastungen zu kämpfen. Das Klassement ist zum Ende der Hinrunde deshalb auffallend zusammengerückt, Klubs wie das viertplatzierte Nottingham und das fünftplatzierte Bournemouth fordern das Establishment heraus.
Dass sich Liverpool trotzdem absetzen konnte und auch in der Champions-League-Tabelle vorn steht, hat auch mit der Vorsaison unter Klopp zu tun. Damals konnten die wichtigsten Spieler Kraft sparen wegen der verpassten Champions-League-Qualifikation und der Klub durch den Einsatz von Talenten die Kadersubstanz erhöhen. So hatte Liverpool jetzt Reserven zum Jahresende, um aus dem Spiel bei Tottenham einen Premier-League-Weihnachtsklassiker zu machen, den man sich in Zukunft immer wieder anschauen kann.
Auch Klopp ist rundum zufrieden
In seiner Grußbotschaft erklärte Jürgen Klopp, dass er bei seinem Skiurlaub praktisch alles gehabt hätte: gutes Wetter, gute Pisten, gutes Essen. Er sei ein rundum „glücklicher Mann“, bilanzierte Klopp. Und dasselbe lässt sich derzeit auch über den FC Liverpool sagen.