FC Liverpool verliert in Brentford
Von den Bienen gestochen
01. Nov. 2025, 16:47 Uhr

Der FC Liverpool verliert erstmals seit Jahren vier Ligaspiele in Serie. Auch gegen den FC Brentford überrascht Arne Slot mit der Wahl seiner Startelf. Der Trainer scheint zu viele Kompromisse einzugehen.
Arne Slot und Florian Wirtz liefen aufeinander zu, aber sie verfehlten sich. Der Trainer des FC Liverpool machte ein paar Schritte auf seinen ausgewechselten Offensivspieler zu, um ihn abzuklatschen. Doch Wirtz war zu weit von der Coachingzone entfernt, und Slot wandte sich wieder dem Spielgeschehen zu. Als Wirtz an der Bank ankam, überlegte er kurz, ob er zum Trainer gehen solle, entschied sich aber dagegen. Diese Szene aus der 83. Minute im missratenen Auswärtsspiel beim FC Brentford wirkte wie ein Sinnbild für die derzeit unabgestimmten Laufwege des englischen Meisters. Slot ist es bisher nicht gelungen, Wirtz und die übrigen teuren Zugänge passend zu integrieren. Stattdessen verliert Liverpool zunehmend seine fußballerische Identität.
Am Samstagabend kassierte Slots Team beim 2:3 (1:2) im Westen Londons die vierte Premier-League-Pleite in Serie. Eine solche Formkrise ereilte den LFC zuletzt im Februar 2021 unter Jürgen Klopp, als man ebenfalls als Meister zeitweise ins Liga-Mittelfeld abrutschte. Nun stürzte Liverpool aus den Europapokalplätzen, aber mehr Anlass zur Sorge bot die Leistung. Sein Team habe „Basisdinge nicht richtig gemacht“, gab Slot zu, erstmals hatte er sogar Einsatzbereitschaft, Behauptungswillen und Teamgeist vermisst. Dieses 2:3 stehe „mit ganz oben“ auf der Liste der enttäuschendsten Spiele seiner Amtszeit.
Entsprechend fielen die Gegentreffer durch Dango Quattara (5.), DFB-Nationalspieler Kevin Schade (45.) und Igor Thiago (60.): aus einem langen Einwurf, einem Konter und einem von Virgil van Dijk ungeschickt verursachten Elfmeter. Liverpools Tore durch Milos Kerkez (1:2/45.+5) und Mohamed Salah (2:3/89.) waren schmeichelhaft angesichts vieler weiteren Chancen für Brentford. „Etwas lag in der Luft …“, bilanzierte der Siegertrainer Keith Andrews – was auch zur Spielweise seines Teams passte: 62 hohe Pässe hatten die Londoner in Liverpools Hälfte geschlagen. Damit piksten die „Bees“ (Bienen) immer wieder den Favoriten, der auf diese Art schon von vorherigen Gegnern entnervt worden war. Man habe gegen dieses Stilmittel „noch keine Antwort gefunden“, stellte Slot zugleich ehrlich und besorgniserregend fest.
Seit neun Pflichtspielen mit 15 Gegentoren wartet seine Mannschaft auf ein Zu-Null-Match, was auch an der offensiven Ausrichtung und an ständigen Personal- und Formationswechseln liegen dürfte. Nach dem gelungenen Start mit fünf Ligasiegen, in denen Slot seine Zugänge zunächst dosiert in die Meisterelf integrierte, hielt der Coach sein Team offenbar für stabil genug, die Neuen vermehrt einzusetzen. Er stellte sie gewissermaßen über die Mannschaft. Erkennen ließ sich das an den prominentesten Sommertransfers: Florian Wirtz (Ablöse: 135 Millionen Euro) und Alexander Isak (150 Millionen).
All das erweckt den Eindruck, als wolle Slot es vielen recht machen. Die Zugänge sollen ihre Qualität wohl schnellstmöglich nachweisen, um Kritik an den 500-Millionen-Transfers zu verhindern. Slot will seinen Teil dazu beizutragen, indem er sich hinter die Neuen stellt. Dies hat allerdings zur Folge, dass er selbst nun erstmals in seiner vor sechs Jahren gestarteten Profitrainerlaufbahn unter Druck gerät. Nach der Niederlage am Samstag war Slot, 47, bemüht, keine neuen Angriffsflächen zu bieten, nachdem er sich zuletzt mit einigen Aussagen keinen Gefallen getan hatte.
Wirtz, als Spielmacher aus Leverkusen geholt, agierte bereits auf fünf verschiedenen Positionen: als Zehner, als Stürmer, links im Mittelfeld, rechts im Mittelfeld – und nun gegen Brentford vorübergehend im defensiven Mittelfeld. Weil die Anordnung nicht funktionierte, wechselte Slot den 22-Jährigen aus. Auch Isak, der ohne Vorbereitung am letzten Transfertag aus Newcastle gekommen war, baute Slot vorschnell ein. Dafür opferte er im Angriff Hugo Ekitiké, der nach seiner Ankunft aus Frankfurt sofort getroffen hatte. Unlängst bot Slot den offenbar unfitten Isak zweimal in Serie in der Startelf auf, prompt verletzte sich der Schwede. Dann setzte Slot wegen Isak und Ekitiké erstmals auf zwei Spitzen (statt auf das bewährte 4-2-3-1). Hinten hält der Trainer am strauchelnden Linksverteidiger Kerkez fest, obwohl sich in Andrew Robertson eine langjährige Stammkraft anböte. Unscheinbare, aber zuverlässige Profis wie Abräumer Wataru Endo und Offensivallrounder Federico Chiesa erhalten kaum noch Einsatzchancen.
Überraschend deutlich hatte der Niederländer auch einige Spieler kritisiert: vor einem Monat Ekitiké, als der sich wegen Trikotausziehens einen überflüssigen Platzverweis einhandelte (laut Slot eine „dumme“ Aktion); und ein Spiel später den aus Leverkusen geholten Jeremie Frimpong, den er wegen eines Stellungsfehlers für ein entscheidendes Gegentor verantwortlich machte. Zudem echauffierte sich Slot wiederholt über die unattraktive Spielweise der Gegner. Damit lieferte er seinen Teams quasi ein Alibi für die jüngsten Schlappen. Die Lösung gegen Mannschaften, die über lange Pässe und Standards Liverpools Rhythmus brechen wollen, würde ja voraussetzen, deren Strategie zu akzeptieren – und konsequent dagegenzuhalten.
Wegen seiner starken Debütsaison genießt Slot in Liverpool weiter vollen Rückhalt. Auch an Klopp ließ das Management in vereinzelt schwierigen Phasen nie Zweifel aufkommen. Slot hatte nach seiner Übernahme von Klopps klarem Spielansatz, den scharfen Abläufen und der körperlichen Robustheit der Mannschaft profitiert. Diese Qualitäten muss der Niederländer nun ins Team zurückbringen.

