Debüt von Arne Slot beim FC Liverpool
Olympische Staffelübergabe von Klopp zu Slot
18. Aug 2024, 18:21 Uhr
Beim FC Liverpool gelingt der Trainerwechsel von Jürgen Klopp zu Arne Slot reibungslos – weil der neue Trainer der Arbeit seines Vorgängers vertraut. Spielweise und Personal bleiben gleich. Nur die mächtigen Worte von Klopp fehlen.
Fast genauso interessant wie das erste Spiel des FC Liverpool in der Premier League ohne Jürgen Klopp war die Frage, wie sich der neue Trainer Arne Slot präsentieren würde. Immer wieder blendeten die TV-Kameras den Niederländer am Seitenrand ein, besonders nach den eigenen Toren und dem Abpfiff des vielversprechenden 2:0-Auftaktsiegs beim Aufsteiger Ipswich Town am Samstagmittag. Nach Erfolgen hatte es sich Klopp in seiner knapp neunjährigen Amtszeit am Mersey River zu eigen gemacht, die Spieler auf dem Platz zu umarmen und den Fans mehrmals die Jubelfaust entgegenzuschleudern. Und Slot?
Er blieb nach Spielende einfach in seiner Coachingzone stehen und lief dann an der Seitenlinie entlang entspannt zum Stadionausgang an der Eckfahne. Die Boulevardzeitung Mirror, die es gern spektakulär hat, notierte fast enttäuscht, dass es „keine Bärenumarmungen und wilde Jubelstürme“ gegeben habe. Dies war aber wirklich nur einer der wenigen Unterschiede, die sich zwischen den Trainern beim ersten Eindruck ausmachen ließen.
Klopp läutete die Ära seines Nachfolgers selbst ein, indem er dessen Namen sang
Die Stabsübergabe von Klopp zu Slot lief so reibungslos ab wie bei der zu Bronze gesprinteten deutschen 4×100-Meter-Staffel der Frauen im Olympiafinale von Paris. Als Klopp angerannt kam, hatte Slot auf dessen Zuruf gewissermaßen schon das Tempo aufgenommen. Auf seiner eigenen Abschiedsfeier läutete Klopp die neue Ära ein, indem er im ausverkauften Anfield-Stadion am Saisonende am Mittelkreis den Namen seines Nachfolgers in einen auf eigentlich ihn getexteten Lobgesang eingefügt hatte: Er sang „Arne Slot, na, na, na na“ – bis alle Fans in den Schlachtruf miteinstimmten.
Die Einlage war zweifellos eine bemerkenswerte Geste, die der Fußball auf diese Art noch nicht gesehen hatte. Danach verschwand Klopp vom Platz – und hat sich, trotz mehreren öffentlichen Terminen, seitdem nicht mehr zu seinem Ex-Klub geäußert: keine Ratschläge, keine Vergleiche, keine Kommentare. Im Gegenzug besaß Slot die Größe, einen wunderbar in den Lauf gespielten Pass von Klopp aufzunehmen. Denn sein Vorgänger hatte vor seinem Rückzug einen Umbruch eingeleitet und mit einem neuen Mittelfeld abermals eine schlagkräftige Mannschaft entwickelt. Slot vertraute der Arbeit des Deutschen, bis jetzt hat er noch keinen einzigen Transfer in Liverpool getätigt. Andere Trainer hätten wohl erst mal aus Eitelkeit den Ball weit zurückgespielt.
Liverpool scheint mit Arne Slot einen Klopp ähnlichen Nachfolger gefunden zu haben
Das Lob gebührte jedoch nicht bloß Klopp und Slot, sondern auch der Fenway Sports Group, die den Klub seit Oktober 2010 führt. Mit derselben Detailversessenheit und Präzision wie der aufs Geld achtende Sportkonzern die Spielerzugänge auswählen lässt, suchten die Verantwortlichen diesmal nach einer Alternative für Klopp – einem Trainer, der in erster Linie dessen Spielprinzipien teilt. Fündig wurde der Klub bei Arne Slot, 45, der Feyenoord Rotterdam 2023 zur niederländischen Meisterschaft geführt hatte. Dort beeindruckte seine Elf mit einem Klopp nahekommenden rasanten, pressenden und dennoch anspruchsvollen Fußball – und so wirkte nun die Spielweise des FC Liverpool wie eine Weiterführung des bisherigen Stils. Slot setzte auf die gleichen Akteure und die gleiche Formation, drängte sich nicht mit überraschenden Personalien auf.
Seine Fähigkeiten bewies er bei einer eher kleinen Anpassung im Mittelfeld, er ließ den früheren FC-Bayern-Profi Ryan Gravenberch als Ballverteiler vor der Abwehr spielen statt auf einer offensiven Halbposition. Mit seiner Ballsicherheit beruhigte und beschleunigte Gravenberch das Spiel gleichermaßen, immer wieder war er für seine in Bedrängnis geratenen Kollegen anspielbar und setzte sie mit öffnenden Pässen in Szene. Aufgrund seines Aussehens und seiner Statur (1,90 Meter) erinnert er an den Brasilianer Fabinho, der auf ähnliche Art einst das Liverpooler Spiel koordinierte.
Liverpools bester Spieler: Ryan Gravenberch, den Arne Slot als Ballverteiler aufstellt
Mit einem Zuspiel auf die rechte Seite leitete der Niederländer den Spielzug zum Führungstor von Diogo Jota in der 60. Spielminute ein, fünf Minuten später erhöhte Mohamed Salah. Der insgesamt neunte Treffer des Ägypters am ersten Spieltag bedeutete ein Rekord in der Premier League. Den Toren gingen jeweils eine Mischung an sehenswerten schnellen kurzen und langen Pässen voraus, beginnend in der eigenen Hälfte – sodass die Torschützen am Ende nur noch aus kurzer Distanz den Fuß hinhalten mussten. „Slotting in nicely“, titelte das Massenblatt Sun vergnügt: Das Wortspiel mit dem Namen des Trainers konnte beides bedeuten, schön einlochend sowie schön einfügend.
Seine Bewährungsprobe meisterte Slot in der Pause, nachdem sich seine Truppe in der ersten Halbzeit von der mannorientierten Verteidigung des Gegners den Schneid abkaufen ließ. Er wechselte ungewohnt die Innenverteidigung aus, für Jarell Quansah kam Ibrahima Konaté. Slot hatte analysiert, dass Quansahs verlorene Kopfballduelle ein Grund waren, warum Ipswich Liverpool immer wieder überrumpeln konnte. Konaté setzte sich dann tatsächlich in der zweiten Halbzeit in den meisten Zweikämpfen durch, das eigene Tor geriet nicht mehr in Gefahr.
Arne Slot trat angenehm verbindlich und zurückhaltend auf
Den eigenen Beitrag redete Arne Slot später klein, er witzelte, ihm sei zugetragen worden, dass Klopp die 12:30-Uhr-Anstoßzeit in der Premier League stets gehasst habe; und nun hätte die Mannschaft mit ihrer Leistung dafür den Nachweis erbracht. Es war das einzige Bonmot, das Slot den englischen Medien am Spieltag lieferte. Er trat angenehm verbindlich, zurückhaltend und artikuliert auf, aber ohne die mächtigen Worten zu verwenden, für die Klopp bekannt war. So fokussierte sich die Aufarbeitung seines Debüts auf die Darbietung der Mannschaft – und die konnte sich sehen lassen.