Abschied von Kevin De Bruyne bei Manchester City

Der Spielbeschleuniger

05. Apr. 2025, 23:59 Uhr

Sechs Ligatitel, sieben Pokalsiege und der Triumph in der Champions League: Nach zehn Jahren wird Kevin De Bruyne Manchester City verlassen. (Foto: Mark Cosgrove / News Images / Imago Images)
Sechs Ligatitel, sieben Pokalsiege und der Triumph in der Champions League: Nach zehn Jahren wird Kevin De Bruyne Manchester City verlassen. (Foto: Mark Cosgrove / News Images / Imago Images)

Kevin De Bruyne und Manchester City gehen nach zehn Jahren zum Saisonende getrennte Wege, weil der Einfluss des Belgiers auf das Spiel der Citizens nachgelassen hat. Mit seinen visionären Pässen ließ der Belgier seine Mitspieler wie Genies aussehen. Das richtige Timing dafür lernte er einst in der Bundesliga.

Von Sven Haist, Manchester

Zwei Jahre, kündigte Kevin De Bruyne einmal im Gespräch mit seiner Familie an, werde er aufgrund der pandemiebedingten Spielpause an seine Fußballerkarriere dranhängen. Der Mittelfeldspieler von Manchester City setzte sein Vorhaben dann auch um, indem er im April 2021 seinen zunächst bis 2023 laufenden Vertrag um jene zwei Jahre bis Juni 2025 in Manchester verlängerte. Das passte insofern zu ihm, als er für sein Leben gern auf dem Fußballplatz steht. In England hält sich die unbestätigte Meldung, dass es allen voran De Bruyne gewesen war, der während des ersten Corona-Lockdowns in einer Videositzung aller Premier-League-Kapitäne entscheidend lobbyierte, die unterbrochene Spielzeit entgegen der Skepsis der Kollegen so bald wie möglich fortzusetzen; in diesem Meeting vertrat De Bruyne den damaligen City-Kapitän David Silva. Aber irgendwann geht selbst für ihn, über den seine Frau einmal sagte, er liebe den Fußball viel zu sehr, um nicht mehr dabei zu sein, die Laufbahn zu Ende.

https://twitter.com/KevinDeBruyne/status/1908111124207140904

Am Freitag, zwei Tage vor seinem letzten Manchester-Duell zwischen United und City, verkündete De Bruyne, 33, in einem Brief („Dear Manchester“), nach dieser Spielzeit bei City aufzuhören. Er signierte ihn mit „Kdb 17“, seinem Namenskürzel und seiner Trikotnummer 17. Keine dieser Zeilen sei leicht zu Papier zu bringen, schreibt De Bruyne, aber jede Geschichte habe einen Schluss, die bei City sei für ihn „das beste Kapitel“. Die kurze Mitteilung spiegelt sein Wirken wieder, er hat als Fußballer immer mehr Taten als Worte sprechen lassen.

Die Trennung hatte sich abgezeichnet, weil De Bruynes Form unter Verletzungen litt

Die Trennung von Kevin De Bruyne und City hatte sich angedeutet. Nach einer monatelangen Oberschenkelverletzung in der Vorsaison berappelte er sich nochmals, und drehte gleich das erste Ligaspiel nach seiner Rückkehr in Newcastle. Der Sieg war damals der Startschuss für eine Aufholjagd in der Meisterschaft, mit der City die Konkurrenz abfing. Doch weitere Beschwerden zwangen ihn erneut zu Pausen, seitdem fehlt die Form. Sein Einfluss auf das City-Spiel hat nachgelassen, obschon er selbst findet, weiter den Unterschied ausmachen zu können. Es sei nicht angenehm gewesen, Kevin De Bruyne davon zu unterrichten, dass es in Manchester nicht weitergehe, gab sein Trainer Pep Guardiola zu.

Zehn Jahre spielt Kevin De Bruyne für City, er kam im August 2015 für die damalige Bundesliga-Rekordablöse von 76 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg. In dieser Zeitspanne sind dem Ideengeber fast 300 Torbeteiligungen in etwas mehr als 400 Pflichtspielen für City gelungen, zwei Drittel sind Vorlagen. De Bruyne gehört zu den Königsmachern, weil er Torjäger mit seinen präzisen und manchmal visionären Pässen immer zuverlässig bedient hat – Sergio Agüero und dann Erling Haaland in Manchester sowie Romelu Lukaku in der belgischen Nationalmannschaft. Seine Mitspieler habe er bisweilen „wie Genies aussehen“ lassen, verneigt sich der Guardian. Es könne „keine Zweifel“ geben, betont Guardiola, dass De Bruyne einer der besten Fußballer der Welt sei.

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In seiner besten Saison gelangen Kevin De Bruyne 39 Torbeteiligungen – als Mittelfeldspieler

Entsprechend beeindruckend ist seine Titelsammlung: sechs Meisterschaften (vier davon in Serie) und sieben Pokalsiege in England, dazu der mit dem Titel-Triple verbundene erste Champions-League-Triumph 2023. In jener Saison war Kevin De Bruyne an 39 City-Saisontoren beteiligt, seine beste Bilanz und eine, die für einen Nicht-Stürmer eigentlich nicht erreichbar ist. Ohne ihn wären all die Erfolge nicht möglich gewesen, lobt Guardiola. De Bruyne war der Spielbeschleuniger seines Ballbesitzfußballs. Der Klub möchte ihn auf gebührende Art verabschieden, offenbar mit einer eigenen Statue.

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Aus derlei Ehrerweisungen hat sich De Bruyne nie viel gemacht. Sein Antrieb ist immer die Schönheit des Spiels gewesen. Nur wenige wissen das besser als Klaus Allofs. De Bruyne versuche mehr einen „riskanten Pass als ein sicheres Zuspiel“, erzählt Allofs am Telefon. Der Fußballmanager ist der einzige, der De Bruyne zweimal verpflichten konnte. Zunächst lieh er ihn für Werder Bremen in der Saison 2012/13 von Chelsea aus, dann holte er ihn im Winter 2014 nach Wolfsburg. Beide Klubs sieht er rückblickend als „Ausbildungsstationen“ für den damals jungen De Bruyne an. In den Anfängen habe dieser „immer alles oder nichts gespielt“, erinnert sich Allofs. Weil ihm aber das Timing gefehlt habe, führte dies zu einigen schlechten Partien. Mit der Erfahrung verbesserte er sein Entscheidungsgefühl, was ihn für City interessant machte.

Zwischen Kevin De Bruyne und seinen Trainern habe es schon mal geknallt, berichtet Klaus Allofs

Ein Grund für De Bruynes Entwicklung vermutet Allofs darin, dass er es geschafft habe, sein „Temperament in den Griff zu bekommen“. Zwar sei dieser ein netter und verträglicher Musterprofi, aber auch einer, der nicht einfach zu führen sei. De Bruyne könne stur sein und gehe bei seiner Sichtweise „keine Kompromisse“ ein. Daher habe es zwischen ihm und seinen Trainern Thomas Schaaf (Bremen) und Dieter Hecking (Wolfsburg) „schon mal geknallt“, berichtet Allofs. Mit José Mourinho kam es in Chelsea bei seinem ersten Auslandsaufenthalt sogar zum Zerwürfnis.

„Mit Kevin kann man unmöglich spielen, wenn er mit der Art des Fußballs nicht einverstanden ist“, schildert Allofs. Damit habe er seine Trainer geprägt, selbst mit Guardiola hatte er immer wieder unterschiedliche Ansichten. Ihm sei es „wichtig, ambitioniert zu sein und nie aufzugeben“. Diese Eigenschaften bilden seine Spielweise ab, De Bruyne übernehme mit seinen „ganzheitlichen Fähigkeiten überall auf dem Spielfeld Verantwortung“, findet Allofs. Am meisten veranschaulicht das eine Vorlage im Supercup 2015, Wolfsburg liegt gegen Bayern 0:1 zurück, 89. Minute: De Bruyne wird mit einem zu langen Steilpass auf der rechten Seite geschickt, läuft dem Ball trotzdem nach und flankt ihn von der Seitenlinie direkt unter Druck zu Nicklas Bendtner – Ausgleich, Wolfsburg gewinnt im Elfmeterschießen.

Nur ein Titel mit Belgiens Nationalteam fehlt Kevin De Bruyne

Es sei unglaublich, was aus Kevin De Bruyne geworden sei, der einst mit hochrotem Kopf bei seinem Debüt für Bremen in der ersten Pokalrunde ausgeschieden sei, bilanziert Allofs. Im Klubfußball hat er alle relevanten Pokale gewonnen, nur ein Titel mit der belgischen Nationalelf, die zuletzt nicht mehr seinen Erwartungen entsprochen hat, fehlt. Seine letzte Chance ist wohl die WM 2026. Nach einem Monat ohne Fußball sei er allerdings nicht mehr auszuhalten, sagt De Bruynes Frau zu seiner möglichen Zukunft. Vielleicht wird er also seine Laufbahn nochmals irgendwo um zwei Jahre fortsetzen.

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