Rodri bei Manchester City

Der unbesiegbare Immerspieler

20. Mai 2024, 16:51 Uhr

Auf ihn kann Trainer Pep Guardiola nicht verzichten: Mittelfeldstratege Rodri, seit 74 Pflichtspielen ungeschlagen. (Foto: Matt West / Imago)
Auf ihn kann Trainer Pep Guardiola nicht verzichten: Mittelfeldstratege Rodri, seit 74 Pflichtspielen ungeschlagen. (Foto: Matt West / Imago)

Der Mittelfeldspieler Rodri hat mit 74 Pflichtspielen ohne Niederlage für Manchester City einen neuen Rekord aufgestellt. Er ist der wertvollste Spieler in der Meisterelf von Trainer Pep Guardiola, weil er wie ein Quarterback agiert: Er ist zuständig für Rhythmus und Organisation – und schießt dazu noch entscheidende Tore.

Von Sven Haist, Manchester

Kein anderer Fußballverein ist seit Jahren so bekannt für seinen strammen Zieleinlauf wie Manchester City. Englands Bestandsmeister sicherte sich auch in dieser Saison wieder die Meisterschaft in der Premier League mit einem fulminanten Endspurt – diesmal waren es neun Ligasiege am Stück und 35 ungeschlagene Pflichtspiele in Serie. Niederlagen im Elfmeterschießen, wie jene kürzlich gegen Real Madrid im Viertelfinale der Champions League, fließen nicht in die Wertung ein, die Spiele werden offiziell als Unentschieden gewertet.

Doch selbst diese Statistiken wirken klein im Vergleich zu der Serie, die Citys Mittelfeldspieler Rodri vorzuweisen hat. Er ist seit sagenhaften vierundsiebzig Klub-Pflichtspielen ungeschlagen. Seine letzte Niederlage geschah im Februar 2023, ein 0:1 gegen Tottenham war das. Diese Sequenz hat im englischen Profifußball niemand sonst erreicht, sie ist ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wert. Rodri verkörpert den von Trainer Pep Guardiola entwickelten und aus dem Emirat Abu Dhabi, dem Stammessitz der City-Eigentümer, großflächig gesponserten Titelautomaten – und das stellte er wie schon während der ganzen Saison auch im Abschlussspiel unter Beweis.

Rodri ist wie ein Quarterback für City

Schon das Siegtor im Champions-League-Finale 2023, mit dem City ein historisches Titel-Triple besiegelte, ging aufs Konto des 27-Jährigen. Auch beim 3:1 gegen West Ham United am Sonntag erzielte Rodri den entscheidenden dritten Treffer, damals wie heute per Flachschuss. Durch den Sieg bewahrte der Klub im Fernduell mit dem ebenso siegreichen FC Arsenal seinen Zwei-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze. Für City ist es nun der sechste Premier-League-Triumph in sieben Jahren, aber viel wichtiger: Es ist der vierte nacheinander – was in der seit 1888 fortgeschriebenen englischen Fußballgeschichte bis dato unerreicht geblieben war. Den Erfolg führte Rodri auf die Mentalität des Teams zurück.

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Rodri führt die Meisterschaft auf die Mentalität des Teams zurück.

Rodri ist der MVP unter den MVPs bei Manchester City, der wertvollste aller wertvollen Spieler des Vereins. Kürzlich sagte Phil Foden, dem die ersten beiden Treffer gegen West Ham gelangen, über seinen Kollegen, er könne alles, er sehe keine einzige Schwäche in dessen Spiel. Und tatsächlich lässt sich derzeit keine ausmachen: Er ist quasi der Quarterback der City-Mannschaft, bei dem alles zusammenläuft und der für alles zuständig ist, für Absicherung, Organisation und Rhythmus. Der Stratege kommt darüber hinaus sogar auf acht Treffer und neun Assists in 34 Ligaspielen, eine außerordentliche Ausbeute für einen Spieler seiner Position. Mit dieser Quote konnte er auch den Barcelona-Wechsel des torgefährlichen DFB-Nationalspielers Ilkay Gündogan einigermaßen auffangen.

Die Zweikampfstärke lernte Rodri bei Atlético Madrid

Vor fünf Jahren wechselte der beim FC Villarreal zum Profi gewordene Rodri für stattliche 70 Millionen Euro nach einer Gastsaison bei Atlético Madrid zu Manchester City. Der Verein hatte ihn als Nachfolger des damals 34-jährigen Abräumers Fernandinho auserkoren. Der Brasilianer war jahrelang Dreh- und Angelpunkt vor der Abwehr gewesen, und Rodri wirkte nochmals wie eine Verbesserung zu ihm. Unter den Fittichen des Atlético-Trainers Diego Simeone eignete sich Rodri jene Durchsetzungsstärke und Unerbittlichkeit in den Zweikämpfen an, die City seinerzeit in der Abwehr manchmal noch abging.

Zunächst arbeitete sich Rodri an der Seite Fernandinhos ein, bis er nach dessen Rückzug 2022 die Rolle allein übernahm. Der Spanier stand mit seiner kräftigen Statur von 1,90 Metern sinnbildlich für Guardiolas Umdenken, die Balance zwischen Defensive und Offensive neu auszurichten. Im verlorenen Königsklassenfinale 2021 gegen den FC Chelsea war City noch spektakulär ausgekontert worden – ohne Rodri wohlgemerkt, auf den der Trainer seinerzeit ebenso überraschend verzichtet hatte wie auf Fernandinho.

Rodri ist ein zum unersetzlichen Immerspieler geworden, das geht an die Substanz

Das fehlende Vertrauen dürfte an Rodris damals ausbaufähiger Positionsdisziplin gelegen haben. In einer geflügelten Analyse teilte Guardiola dem Spieler mit, dass er sich als defensiver Mittelfeldspieler zu viel bewege. Er müsse an Ort und Stelle verharren wie ein Autofahrer, der einen Unfall riskiere, wenn er sich umdrehe. Mittlerweile gibt er seine Stoppschild-Funktion vor der Defensivreihe nur noch bei Standards auf.

Auf diese Weise ist Rodri zu einem unersetzlichen Immerspieler für City geworden, auch in dieser Saison hat er wieder die meisten Pflichtspielminuten des Teams absolviert. Allerdings stößt er dabei an körperliche Grenzen. Vor einigen Woche suchte er das Gespräch mit dem Trainer: Sein Pensum sei auf Dauer „nicht gesund“ und könne so nicht ewig weitergehen, klagte er. Guardiola schonte ihn ausnahmsweise im Heimspiel gegen den Absteiger Luton Town, bei dem wirklich davon auszugehen war, dass die Truppe auch ohne ihn irgendwie gewinnen würde. Denn alle anderen drei Ligapartien, in denen er jeweils gesperrt fehlte, verlor die Mannschaft.

Von der Unnachgiebigkeit des Spielkalenders scheint gerade die größte Gefahr für City auszugehen. Während der Saison habe er immer wieder befürchtet, seinen Spielern könnte die Kraft ausgehen, gab Guardiola zu. Auch er selbst sehe sich im Hinblick auf seinen im nächsten Jahr auslaufenden Vertrag „einem Abgang näher als einem Verbleib“. Der Kontrakt von Rodri läuft noch bis 2027.

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