Pep Guardiola in der Krise

Krisenmanager für sechs Wochen

08. Dez. 2024, 18:15 Uhr

Kann Pep Guardiola auch Krise? Zuletzt blieb der Trainer mit Manchester City erstmals in seiner Karriere sieben Pflichtspiele ohne Sieg. (Foto: Kieran McManus /Shutterstock / Imago Images)
Kann Pep Guardiola auch Krise? Zuletzt blieb der Trainer mit Manchester City erstmals in seiner Karriere sieben Pflichtspiele ohne Sieg. (Foto: Kieran McManus /Shutterstock / Imago Images)

Pep Guardiola hat die Niederlagenserie von Manchester City gestoppt. Dabei griff er auf zwei bewährte Krisenstrategien in der Branche zurück. Doch die Gründe für den Abwärtstrend liegen nicht zuletzt bei Guardiola selbst.

Von Sven Haist, London

«We won», stammelte Josep Guardiola am Mittwoch nach dem Sieg des von ihm trainierten Manchester City gegen Nottingham Forest in der Premier League: Wir haben ein Spiel gewonnen. Das Ergebnis glich einer Breaking News in England, nachdem Guardiolas Mannschaft zuvor fünfeinhalb Wochen kein Match für sich entschieden hatte. So ein Negativlauf mit sechs Niederlagen und einem Remis in sieben Pflichtspielen, darunter fünf Pleiten in Serie, war dem Katalanen in seiner Trainerlaufbahn nie widerfahren. Das Wichtigste sei gewesen, die Routine der nicht gewonnenen Spiele zu durchbrechen, sagte Guardiola. Er klang wie ein Krisenmanager. Am Samstag hat sein Team wenigstens eine Niederlage vermieden; es spielte 2:2 bei Crystal Palace.

Die Ironie: Pep Guardiola leitete den Negativlauf selbst ein

Auf seinen Stationen beim FC Barcelona (2008–2012), beim FC Bayern (2013–2016) und seit 2016 bei Manchester City hatte ihn bis dahin ausschliesslich der grosse Erfolg begleitet. In allen drei Ländern führte er seine Vereine zum Double aus Meisterschaft und Cup, triumphierte drei Mal in der Champions League und holte mit Barcelona und Manchester sogar das Triple. Allenfalls verlor Guardiola einmal drei Partien hintereinander. Das wurde ihm dann schon als Krise ausgelegt. Seine Kritiker entgegneten, das alles sei nur möglich, weil Guardiola stets bei den grössten Klubs angestellt sei und die besten Spieler trainiere. Diesem Verdikt pflichtete er durchaus bei: «Gibt mir ein Team, das nicht wie Manchester City ist – und ich werde nicht gewinnen», sagte er einmal.

Die vermaledeite Bilanz der Gegenwart eröffnete Guardiola jetzt unverhofft die Möglichkeit, sich in einer für seine Verhältnisse angespannten sportlichen Lage als Trainer zu beweisen. Er ergriff sie sofort. Anfang November betonte der 53-Jährige bereits nach der dritten Niederlage in Serie, diese Saison werde eine «schwierige Herausforderung» werden. Selbstverständlich werde er sich aber dieser stellen, er liebe doch solche Situationen. In gewisser Weise bestand die Ironie der negativen Resultate darin, dass Guardiola deren Anfang fast selbst herbeiführte – indem er bei der ersten Pleite gegen Tottenham Hotspur im Liga-Cup im Oktober freiwillig auf einige seiner besten Spieler verzichtet hatte.

Die Gründe für die Krise: Verletzungen, Formschwächen – und ein verpasster Umbruch

Durch das Cup-Aus hat City in dieser Spielzeit die Chance verpasst, als erster englischer Klub überhaupt, vier Titel in einer Saison einzufahren. Dieses Ziel ist quasi das einzige, das die Truppe um Kevin De Bruyne, Erling Haaland und Rodrigo Hern­ánd­ez nach all den Titeln noch wirklich antreibt. Der Rückschlag drückte auf die Motivation des Teams. Guardiola stichelte, dass den Liga-Titel nach sechs City-Meisterschaften in sieben Saisons vielleicht dieses Mal ein anderes Team verdient habe. Dazu kamen Formschwankungen und Verletzungen wie der Ausfall des im September am Kreuzband operierten Weltfussballers Rodri – sowie ein wohl verpasster Personalumbruch. Die meisten Stammspieler sind mindestens 27 Jahre alt. Aus diesem Grund dürfte Citys Saison auch weiterhin erst einmal nicht die gewohnte Stabilität aufweisen.

Die Gesamtkonstellation schien Guardiola angesichts der ihm stets zur Verfügung stehenden hochklassigen Spieler bisweilen düsterer darzustellen, als sie sich offenbarte. Nach dem irrsinnigen 3:3 gegen Feyen­oord Rotterdam nach eigener 3:0-Führung bis zur 75. Spielminute waren auf seiner Kopfhaut auf einmal überall rote Kratzspuren zu erkennen. Der Trainer riss sich sogar die Haut auf dem Nasenbein auf und zog sich einen blutenden Cut zu.

Vielleicht habe ich es verdient, entlassen zu werden, kokettierte Pep Guardiola

Kürzlich kokettierte Guardiola wegen des Abrutschens seiner Elf von sich aus plötzlich mit einem möglichen Rauswurf. «Vielleicht habe ich es verdient, entlassen zu werden», sagte er überraschend. Dabei kann sich selbst der gnadenlose englische Boulevard nicht vorstellen, dass das mit eigenen Weggefährten besetzte City-Management ihn tatsächlich irgendwann abserviert. Zu keiner Zeit forderten die Fussball-Kommentatoren zuletzt seine Absetzung.

Guardiolas Krisengerede schmetterte Liverpools Trainer Arne Slot eiskalt ab. Niemand müsse «Mitleid mit Pep haben», der viele Titel gewonnen habe, verfügte Slot. Dies sei eventuell bei Trainern angebracht, denen es wirklich schlechtgehe, die in der Liga unten stünden. Bei Guardiola dagegen sei er überzeugt, dass er seinen Verein wieder auf die Beine bringen werde, sagte Slot. Zu dieser Betrachtung passte, dass City kürzlich Guardiolas am Saisonende auslaufenden Vertrag um zwei Jahre bis 2027 verlängerte – nach seiner wohlgemerkt vier Niederlagen in Folge. Der Vorgang dürfte im Profigeschäft einmalig sein. Guardiola rechtfertigte sich dafür sogar ein Stück weit: Er wolle nicht arrogant klingen, aber er verdiene es, weiterhin im Verein zu sein.

Pep Guardiola griff auf zwei bewährte Krisenstrategien zurück

Um die Durststrecke zu beenden, griff der zuvor verlässliche Sieger Guardiola auf zwei bewährte Krisenstrategien in der Branche zurück. Er hielt erstens an der bisherigen Spielweise und Formation fest. Damit wollte er verhindern, dass seine Spieler durch ungewöhnliche Massnahmen plötzlich Vertrauen in seine Arbeit verlieren. Dies bedeutete aber keinesfalls eine Aussetzung des Leistungsprinzips. Nach Fehlern wechselte er den Torwart aus: Statt Ederson steht nun bis auf weiteres der Ersatzkeeper Stefan Ortega im Tor.

Zweitens stellte sich Pep Guardiola in der Öffentlichkeit durchgehend verteidigend vor seine Mannschaft. Nach der bitteren Pleite in Liverpool bekräftigte er, die Spieler hätten ihm «vielleicht die besten Jahre seines Lebens» beschert. Deshalb wolle er ihnen nun «mehr denn je» beistehen. Er umarmte jeden einzelnen und bedankte sich bei den eigenen Fans für die grosse Unterstützung.

Nur einmal ergeht es Guardiola so wie allen anderen Trainern

Während der Misere wurde Josep Guardiola nur einmal tatsächlich so behandelt wie alle anderen Trainer in einem Abwärtstrend – als die Liverpool-Fans mit einem Abgesang über ihn herzogen. Zur Melodie von «Guantanamera» sangen sie «You are getting sacked in the morning, sacked in the morning»: Du wirst morgen entlassen werden! Diese Häme liess sich Guardiola nicht gefallen. Spontan wandte er sich den Leuten hinter ihm auf der Haupttribüne zu und hielt ihnen sarkastisch sechs Finger entgegen – für sechs Meisterschaften in sieben Saisons mit Manchester City. In diesem Moment dürfte Guardiola realisiert haben, dass es doch am einfachsten ist, immer zu gewinnen.

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