Rodri gewinnt Ballon d’Or

Schattenmann im Schweinwerferlicht

29. Okt. 2024, 18:48 Uhr

Erstmals seit dem Italiener Fabio Cannavaro 2006 wird mit dem Spanier Rodri kein Offensivspieler mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet. (Foto: Gao Jing / Imago Images)
Erstmals seit dem Italiener Fabio Cannavaro 2006 wird mit dem Spanier Rodri kein Offensivspieler mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet. (Foto: Gao Jing / Imago Images)

Rodri von Manchester City gewinnt den Ballon d’Or. Seine Wahl veranschaulicht die enorme Wertsteigerung seiner Position. Spaniens Europameister widmet die Wahl zum Weltfußballer seinen Vorgängern und allen defensiven Mittelfeldspielern.

Von Sven Haist, London

Man kann davon ausgehen, dass Rodrigo Hernández, kurz Rodri, auch zur Verleihung des Ballon d’Or gekommen wäre, wenn er dort nicht als neuer Weltfußballer ausgezeichnet worden wäre. Zum einen ist der Mittelfeldspieler von Manchester City momentan am Kreuzband verletzt und wird für den Rest der Saison ausfallen. Und zum anderen gehört Rodri eher nicht zu denjenigen Fußballprofis, die sich selbst für unverzichtbar halten. Auch wenn das für den spanischen Europameister in Manchester durchaus zutreffen würde, denn mit ihm auf dem Platz verlor City zwischen Februar 2023 und Mai 2024 keines von insgesamt 74 Pflichtspielen. Eine solche Serie hat es im englischen Fußball noch nie gegeben.

Rodris Verständnis als Mannschaftsspieler fiel am Montagabend einmal mehr auf – weil der Angreifer Vinicius Júnior von Real Madrid als Zweitplatzierter der Veranstaltung im Pariser Théâtre du Châtelet ferngeblieben war. Zuvor war offenbar durchgesickert, dass der Brasilianer den goldenen Ball nicht gewinnen würde, weshalb Real kurzerhand entschied, die Chartermaschine zu stornieren, die für die rund 50-köpfige eigene Delegation geordert worden war.

Rodri bedankt sich für die Ballon-d’Or-Auszeichnung.

Der Eklat stellte Real nicht nur als sehr schlechten Verlierer dar, sondern nahm einige Aufmerksamkeit ein, die eigentlich Rodri gebührt hätte. Trotzdem verlor dieser bei der Ehrung kein schlechtes Wort über seinen Konkurrenten. Der28-Jährige gab sich erneut bescheiden und widmete seinen Erfolg allen ‹mediocentros›, den «Sechsern», wie defensive Mittelfeldspieler in Deutschland heißen. Sie sind die Strategen jeder Elf, die defensiv für die Absicherung und Stabilität zuständig sind und in der Offensive den Rhythmus vorgeben. Sie würden häufig im Schatten arbeiten, aber heute kämen sie ans Licht, freute sich Rodri.

Rodris Vorgänger Busquets schaffte es einst nicht mal auf die Nominierungsliste des Ballon d’Or

Die Position hat in den vergangenen Jahren im Spitzenfußball eine enorme Wertsteigerung erfahren. Lange Zeit wurden für die Planstelle des Mittelfeldabräumers physisch kräftige und zweikampfstarke Akteure bevorzugt. Dieser Typus war dann aber durch die flächendeckende Etablierung eines mehr auf Ballbesitz ausgerichteten Stils plötzlich vom Aussterben bedroht. Viele Klub, die die Ära autoritärer Sechser mitgeprägt hatten, setzten zunehmend auf feine Ballverteiler – die hatten den Vorteil, die Angriffe mitgestalten zu können.

Aus der Veränderung dieses Positionsprofils heraus resultierte aber eine Schwächung der Abwehrkräfte. Im Idealfall vereint ein Spieler heutzutage beide Eigenschaften, Rodri ist der gerade bekannteste Vertreter dieser seltenen Spielerspezies: Er ist gemäß der alten Schule in jeder Situation vor der Abwehr anzutreffen und kann trotzdem nach der modernen Lehre ein Spiel zu organisieren. Rodri führt in gewisser Weise das Erbe seines Landsmanns Sergio Busquets fort, der einst den Takt beim FC Barcelona vorgab. Trotz der vielen Titel, die Busquets mit Klub und Nationalelf gewann, schaffte er es damals nicht mal auf die Nominierungsliste für den Ballon d’Or. Deshalb wollte Rodri seinen Triumph auch als einen der spanischen Fußballschule verstanden wissen. Er nahm ihn aufgrund der OP im September mit Krücken entgegen.

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