Premier League vs Manchester City
Die Liga gewinnt, die Klubs verlieren
08. Okt. 2024, 18:12 Uhr

Ein Schiedsgericht lehnt weitgehend die Klage von Manchester City ab: Die Regeln gegen künstlich hochgerechnete Verträge, die Klubs mit Besitzer-nahen Firmen abschließen, bleiben bestehen. Das Votum stärkt die Finanzregularien der Liga. Doch in einem Punkt erhält City Recht – und das hat Folgen.
Nach dem Schiedsspruch zwischen der Premier League und Manchester City reagierten beide Seiten wie Boxer nach einem Kampf über die volle Distanz: Sie rissen triumphierend die Arme hoch und beanspruchten den Sieg für sich. In einer Stellungnahme begrüßte City euphorisch das Resultat und dankte sogar den „hervorragenden“ Mitgliedern des Schiedsgerichts für ihre Arbeit und Überlegungen. Wortgleich drückte sich die Premier League aus, die den Entscheid ebenfalls willkommen hieß.
Beide Parteien hatten sich über die Rechtmäßigkeit und Auslegung der Regeln zu sogenannten Associated Party Transactions (APT) gestritten. Diese APT-Bestimmungen schreiben vor, dass Klubs mit Unternehmen, die den eigenen Besitzern nahestehen, nur marktgerechte (Sponsoring-)Vereinbarungen abschließen dürfen. Die Liga überprüft jeden Vertrag über mehr als eine Million Pfund. Damit sollen realitätsferne Finanzspritzen für Vereine durch künstlich hochgerechnete Abkommen verhindert und ein fairer Wettbewerb garantiert werden. Sonst wäre das Finanzregelwerk der Premier League sofort hinfällig: Die Klubs dürfen innerhalb eines Drei-Jahres-Zyklus maximal einen Verlust von 105 Millionen Pfund verbuchen und Anteilseigner nur eingeschränkt den eigenen Klub monetär unterstützen.
Manchester City hält die APT-Regeln für eine „Tyrannei der Mehrheit“
Die Anordnungen verabschiedeten die Klubs im Dezember 2021 und schärften sie zuletzt nach. Sie waren eine unmittelbare Reaktion auf die Übernahme von Newcastle United im Oktober 2021 durch den Staatsfonds Saudi-Arabiens. Bei dem Votum stimmten damals alle Klubs zu – bis auf Newcastle und Manchester City, das Scheich Mansour gehört. Er ist Teil der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi und der Bruder des Staatsoberhaupts der Vereinigten Arabischen Emirate. Englands Dauermeister unterhält mehrere Verträge mit dortigen Staatsfirmen. Deswegen strengte Manchester City einen Prozess gegen die Vorschriften an; der Klub hält sie für „Diskriminierung“ und eine „Tyrannei der Mehrheit“ gegen die eigene Dominanz, wie aus einem Rechtsdokument hervorgeht, aus dem die Times im Juni zitierte.
Manchester Citys Klage (die nichts mit der Anklage der Liga gegen City wegen angeblichen 130 Verstößen gegen das eigene Finanzregelwerk zu tun hat) schmetterte das Schiedsgericht nun größtenteils ab. Das Urteil, das am Montag veröffentlicht wurde und sich über 175 Seiten dehnt, glich einem Faustschlag ins Gesicht des Klubs – weil das Panel das APT-System der Premier League stützte. Es argumentierte, dass es die Möglichkeit geben sollte, den Wert einer APT-Transaktion neu zu bestimmen; sonst wären die Finanzregeln weitgehend „unwirksam“.
Die Einschätzungen des Schiedsgerichts wirken sich auf drei lukrative City-Deals aus
Anschließend heißt es unter Punkt 213, dass das Vorgehen der Premier League zur Bestimmung eines angemessenen Preises – der „keine exakte Wissenschaft“ sein könne – „ausreichend robust“ sei, um fälschliche Einschätzungen zumindest zu reduzieren. Auch lehnte das Tribunal die Beanstandung ab, die APT-Regeln seien „wettbewerbsverzerrend“, sowie, dass mögliche Vertragsanpassungen so etwas wie Preisverzerrungen seien. In diesem Zug wies das Gericht ebenso die Unterstellung Citys ab, die APT-Installierung sei nur dafür eingeführt worden, um die Ambitionen von Klubs zu beschneiden, die sich im Besitz von Investoren aus der „Golfregion“ befänden.
Die grundsätzlichen Einschätzungen des Schiedsgerichts wirkten sich speziell auf den Umgang mit drei konkreten Fällen aus, die City monierte. Jeweils ging es um lukrative Verträge mit Firmen (Etihad Aviation Group, First Abu Dhabi Bank und Emirates Palace), die allesamt zum Geschäftsportfolio der Emirate gehören. Mit den beiden ersten schloss City Deals ab, die die Liga für nicht marktgerecht hielt.
City beanstandete nicht markgerechte Besitzerdarlehen – und bekam Recht
Das Panel segnete nun zwar prinzipiell die Beschlüsse der Liga ab, hob sie gleichzeitig aber auch auf – wegen Verfahrensfehlern: Manchester City hätte mehr Einblick in die Bewertungsabläufe erhalten sollen. Beide Verträge müssen jetzt neu begutachtet werden. Beim Vorgang rund um Emirates Palace – bei dem die Liga den Kontrakt zunächst über dem Marktwert einstufte und sich dann korrigierte – konnte sich der Klub über die (nebensächliche) Bestätigung freuen, dass es sich hier um eine „unangemessene Verzögerung“ gehandelt habe.
Der Telegraph kommentierte süffisant, durch das Urteil habe sich am Status quo so wenig verändert, dass es schwer zu sagen sei, worin City in dieser Sache überhaupt den Erfolg sehe. Die Ironie des Verdikts besteht tatsächlich darin, dass der Klub sogar in einem relevanten Punkt die volle Zustimmung erhielt – aber selbst nicht mal davon profitiert. City kritisierte indirekt zu Recht die Scheinheiligkeit der Konkurrenz, die bei der APT-Änderung vor drei Jahren eine Überprüfung der – meist zinsfreien und flexibel rückzahlbaren – Besitzerdarlehen an die Klubs auf marktgerechte Konditionen außen vor ließ.
Der FC Arsenal lieh sich 2023 ingesamt mehr als 300 Milllionen von Besitzer Kroenke
Das Schiedsgericht urteilte knallhart, dass die APT-Regeln unter dem Aspekt der Nichtberücksichtigung der Gesellschafterdarlehen („und aus keinem anderen Grund“) „rechtswidrig“ seien. Dahinter steckt die herrliche Pointe, dass etwa zwei Drittel der Premier-League-Vereine auf solche Darlehen zurückgreifen – City gehört nicht dazu. Citys Meisterschaftskonkurrent Arsenal hatte sich zum Ende der Saison 2022/23 zum Beispiel insgesamt mehr als 300 Millionen Euro von Besitzer Stan Kroenke geliehen. Je nach Zinssatz würden für einige Vereine zweistellige Millionenbeträge pro Saison an Gebühren anfallen.
In diesem Fall hätten manche Vereine – sofern sie ihr Ausgabeverhalten nicht angepasst hätten – sicher die erlaubte Verlustgrenze überschritten, was zu Punktabzügen hätte führen können. Die Times merkte spitz an, dass sich angesichts der Kreditwürdigkeit einiger Klubs sogar grundsätzlich die Frage stelle, ob sich auf dem freien Markt überhaupt ein Geldgeber finden ließe. Die Premier League kündigte in einer eigenen Erklärung an, die geforderten APT-Anpassungen bezüglich einer Überprüfung der Besitzerdarlehen „schnell und wirksam“ anzugehen. Manchester City dürfte darauf drängen, dass dies auch rückwirkend geschieht. Aus den Verfahrensunterlagen geht hervor, dass unter anderem Arsenal, Manchester United und Liverpool die Ligaseite unterstützten – die härtesten Rivalen von City.
Der Fall zeigt den rechtlichen Aufwand von Manchester City
Der Umfang der Auseinandersetzung deutet an, welchen rechtlichen Aufwand vor allem Manchester City gerade gegen die Premier League betreibt. An einer Stelle wird erwähnt, dass City im März „600 Seiten“ eingereicht habe, um den am Ende abgewiesenen Etihad-Deal irgendwie doch durchzudrücken. Die Legitimität der APT-Regeln zur Durchsetzung der Finanzregeln stärkt nun in gewisser Weise das Selbstvertrauen der Liga für das andere parallel laufende Großverfahren mit dem Klub. Manchester City stellte seinen Fans indes auf der Klubseite einen Download-Link auf Seite 164 des Urteils bereit. Diese Zusammenfassung enthält alle Punkte, in denen City gewann. Allerdings begann das Gesamtfazit des Schiedsgerichts viel früher.

Anklage in 115 Punkten
Anderthalb Jahre nach der Anklage hat das Verfahren zwischen Premier League und Man City begonnen - wegen Finanztrickserei und mangelnder Kooperation. Es ist ein Jahrhundertprozess, bei dem es auch um die Zukunft des Fußballs geht.