Manchester United entlässt Erik ten Hag
Die längste Entlassung der Welt
28. Okt. 2024, 19:56 Uhr

Nach einem Jahr anhaltender Spekulationen entlässt Manchester United wirklich Trainer Erik ten Hag. Der Zustand des Klubs ist so schlecht wie nie. In dieser Saison gab es mehr Blamagen als Siege. Bis auf Weiteres übernimmt Torjägerlegende Ruud van Nistelrooy die Mannschaft.
Manchester United hat am Montagmittag tatsächlich Erik ten Hag als Trainer entlassen. Das lässt sich kaum anders ausdrücken, da die Spekulationen um eine Freistellung des Niederländers ein ganzes Jahr lang andauerten. Zur Unschlüssigkeit des Vereins in der Trainerpersonalie passte es, dass United im ersten Satz der Mitteilung anstandshalber schrieb, Erik ten Hag habe seine Position geräumt. Das liest sich, als wäre er zurückgetreten, dabei war eher das Gegenteil der Fall: Bis zum Schluss klebte sich ten Hag quasi an seinen Trainerstuhl. Auch wenn ihm das wohl niemand abnehme, seien im Klub alle auf einer „Wellenlänge“, versicherte er erst kürzlich wieder. Unbenommen der Resultate bekräftigte er stets, den dauerkriselnden Verein zu alter Größe zu führen. Doch daran glaubte nun am Ende selbst Uniteds Management nicht mehr, das dem Trainer bis dahin nahezu alles abgenommen hatte.
Durch das 1:2 bei West Ham am Sonntag (wegen eines zweifelhaften Elfmeters in der Nachspielzeit) rutschte der Klub in der Premier League auf den 14. Platz ab – der wohl miesesten Platzierung nach neun Spieltagen, an die sich ein United-Sympathisant erinnern kann. Auf der Rückfahrt nach Manchester dämmerte es manchen Fans – und womöglich auch der Vereinsführung um den für alle Fußballbelange zuständigen Minderheitseigentümer Jim Ratcliffe -, dass auch ein englischer Rekordmeister (20 Titel) aus der Premier League absteigen kann. Keine 24 Stunden später griff der Klub durch und teilte ten Hag den Entschluss mit – so, wie man es vom knallharten Geschäftsmann Ratcliffe schon längst erwartet hätte.
Die Enttäuschung über ten Hag drückte sich im Statement aus
Die Enttäuschung über die Zusammenarbeit mit Erik ten Hag drückte die im Vergleich zu dessen Vorgänger Ole Gunnar Solskjaer gefühllose Stellungnahme aus. Der Klub bedankte sich in nur einem Satz bei ten Hag für sein Engagement seit Sommer 2022 und erwähnte kurz dessen zwei Pokalsiege mit dem Klub (League Cup 2023, FA Cup 2024). Bis man einen neuen Cheftrainer präsentiere, werde ten Hags bisheriger Assistent Ruud van Nistelrooy, einst Torjägerlegende in Manchester, das Team betreuen, teilte der Verein mit. Anders als mittlerweile bei den meisten Trainerwechseln sieht United von einem Austausch des Mitarbeiterstabs erst einmal ab. Denn diesen hat der Verein erst im Sommer neu zusammengestellt. Die Maßnahme galt seinerzeit wie ein Vorbote der unausweichlich wirkenden Demission von ten Hag.
Nach der bereits gewaltig missratenen Vorsaison, als United erstmals als Gruppenletzter in der Vorrunde der Champions League ausgeschieden war und die Europa League letztlich nur über den FA-Cup-Sieg erreichte, war das Misstrauen gegenüber Erik ten Hag deutlich zu vernehmen. Ratcliffe eruierte Alternativen, verhandelte unter anderem mit dem kürzlich als neuem England-Trainer vorgestellten Thomas Tuchel. Doch ohne die Hilfe des erst seit Juli wirkenden Geschäftsführers Omar Berrada und des Sportdirektors Dan Ashworth wirkte Ratcliffe überfordert. Es kam zu keiner Einigung – sodass United plötzlich nahezu gezwungen war, mit ten Hag weiterzuarbeiten. Um diesen zumindest einigermaßen zu stärken, verlängerte der Klub dessen Vertrag per Klausel sogar um ein Jahr bis 2026.
Die Liste der Blamagen ist länger als die der Siege in dieser Saison
Aufbruchstimmung blieb aber aus. Statt Punkte erntete ten Hag mit seiner Mannschaft weiter vor allem Spott. Die Liste der Blamagen in der Premier League und Europa League in dieser Saison ist länger als die der vier Pflichtspielsiege Uniteds: 1:2 gegen Brighton, 0:3 gegen Liverpool, 0:0 gegen Palace, 0:3 gegen Tottenham, 1:1 gegen Twente Enschede, 1:1 gegen Fenerbahce Istanbul. Nach drei Europapokal-Spieltagen belegt das noch sieglose United im Mammutklassement mit 36 Klubs den 21. Platz. Immerhin blieb dem Klub am vergangenen Donnerstag erspart, dass der dort tätige Ex-United-Trainer José Mourinho für die entscheidende ten-Hag-Niederlage sorgte.
Das Duell mit Mourinho geriet in gewisser Weise zu einer Persiflage des Absturzes des Klubs. Den Portugiesen hatte United einst vom Hof gejagt, weil dessen auf Sicherheitsfußball basierender Spielstil nicht dem Powerfußball des einstigen United-Ewigtrainers Alex Ferguson entsprochen hatte. Nun war es ten Hags Elf, die so agierte, als würde sie vom Defensiv-Zerberus Mourinho angeleitet werden. Dabei bestand die Pointe darin, dass Erik ten Hag quasi alle von ihm verpflichteten und geförderten Spieler gegen Fenerbahce aufstellte. Den früheren Bayern-Verteidiger Noussair Mazraoui bot der 54-Jährige in der Startelf sogar als Spielmacher auf.
Ten Hag gab eine knappe Dreiviertelmilliarde aus – doch das Team wurde immer schlechter
Die Ablösezahlungen unter ten Hag belaufen sich insgesamt auf knapp eine Dreiviertelmilliarde Euro. Hinter vorgehaltener Hand wird in England gespottet, dass United mindestens die gleiche Summe aufwenden wird müssen, um den Kader wieder konkurrenzfähig zu machen. Allerdings dürfte es dem Klub schwerer denn je fallen, sowohl Spieler zu kaufen als auch zu verkaufen. Denn für viele kostspielig akquirierte Profis gibt es in Europa derzeit wohl kaum einen angemessenen Abnehmer – und potenzielle Zugänge könnte die sportliche Perspektive abschrecken
Die Zeitung Sun spottet, der Trainerposten bei United sei nicht besonders erstrebenswert
Das bekommt United schon jetzt auf der Trainerposition zu spüren. Als Nachfolger für Erik ten Hag stehen dem Klub allenfalls nur wenige prominente Alternativen zur Verfügung. Die Boulevardzeitung Sun spottete, wenn der Verein nicht Manchester United hieße, wäre das kein besonders erstrebenswerter Job. Angesichts des beträchtlichen Rückstands in der Liga könnte es sich für United sogar vielleicht lohnen, für den Rest der Saison vermehrt auf eigene Talente und einen jungen ambitionierten Coach zu setzen. Sportchef Ashworth gelang es auf seinen vorherigen Stationen immerzu, seinerzeit kaum bekannte Trainer zu entdecken. Er machte Gareth Southgate zum englischen Nationalcoach, holte Graham Potter nach Brighton und Eddie Howe nach Newcastle.
Seit Fergusons Rücktritt im Sommer 2013 hat Manchester United dessen Erbe stets prominenten Personen anvertraut. Jedem von ihnen war es gestattet, teure Spielertransfers zu tätigen. Doch keiner von ihnen war nachhaltig in der Lage, sowohl die Spieler als auch das Team entscheidend voranzubringen. Dasselbe gilt jetzt auch für Erik ten Hag. Er kostete den Klub wie seine Vorgänger vor allem viel Geld.

Dutchester United
Manchester United hat seit der Verpflichtung von Erik ten Hag fast nur Spieler geholt, die dem Trainer aus seiner Heimat Niederlande bekannt waren. Jetzt steht der Klub kurz vor der Verkündung der nächsten Lieblingsspieler des Coaches, den Abwehrspielern Matthijs de Ligt und Noussair Mazraoui - wovon der FC Bayern profitieren würde.