Transferpolitik von Manchester United

Dutchester United

13. Aug 2024, 17:46 Uhr

Erik ten Hag feiert den Sieg im League Cup 2023 - zusammen mit Lisandro Martínez und Antony, mit denen er schon bei Ajax Amsterdam zusammen gearbeitet hatte. (Foto: Michael Zemanek / Imago)
Erik ten Hag feiert den Sieg im League Cup 2023 - zusammen mit Lisandro Martínez und Antony, mit denen er schon bei Ajax Amsterdam zusammen gearbeitet hatte. (Foto: Michael Zemanek / Imago)

Manchester United hat seit der Verpflichtung von Erik ten Hag fast nur Spieler geholt, die dem Trainer aus seiner Heimat Niederlande bekannt waren. Jetzt steht der Klub kurz vor der Verkündung der nächsten Lieblingsspieler des Coaches, den Abwehrspielern Matthijs de Ligt und Noussair Mazraoui – wovon der FC Bayern profitieren würde.

Von Sven Haist, London

Fast kein Spitzenverein hat in den vergangenen Jahren eine so auf den Trainer zugeschnittene Transferpolitik verfolgt wie Manchester United. Seit der Verpflichtung von Erik ten Hag im Sommer 2022 holte der Klub nahezu ausschließlich Spieler, die diesem aus seiner Heimat Niederlande bekannt waren oder mit denen er zuvor schon beim FC Utrecht und bei Ajax Amsterdam zusammengearbeitet hatte. Inzwischen verfügt ten Hag im Kader über so viele Akteure ähnlichen Profils, dass es sich kaum mehr um Wunschspieler, sondern im Grunde um ein Wunschteam handelt.

Was an sich lobenswert klingt, ist allerdings das bisher beinahe einzige erkennbare Prinzip der Amtszeit von ten Hag. Obwohl der für den Fußballbetrieb zuständige Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe im Winter ankündigt hatte, dass zukünftig der Verein die Ausrichtung vorgibt, darf der kürzlich noch direkt vor der Entlassung stehende Coach weiter nach Belieben walten – womöglich weil das neue Management erst noch eine Strategie definieren muss.

United bezahlt wohl um die 60 Millionen für de Ligt und Mazraoui an den FC Bayern

So steht Manchester United jetzt vor der Verkündung der nächsten Lieblingsprofis von ten Hag, dem Innenverteidiger Matthijs de Ligt, 25, sowie dem Außenverteidiger Noussair Mazraoui, 26, vom FC Bayern. Beide konnten sich in München nicht zu konstanten Leistungsträgern entwickeln. Trotzdem ist United bereit für den Doppelwechsel um die 60 Millionen Euro zu zahlen, womit die Transferausgaben des Rekordmeisters unter ten Hag auf ungefähr 600 Millionen Euro in zwei Jahren belaufen würden. Die Ablöse entspräche in etwa jenem 2022 an Juventus Turin entrichteten Betrag der Münchner für de Ligt; Mazraoui kam seinerzeit ablösefrei von Ajax Amsterdam.

Mit de Ligt und Mazraoui hätte United fünf Spieler, die mit ten Hag schon bei Ajax Amsterdam zusammenarbeiteten

In den Verhandlungen dürfte Bayerns Sportvorstand Max Eberl ein wenig neidvoll auf die Ressourcen des Konkurrenten geblickt haben. Denn ihm wurde bis zu den nächsten Transfererlösen ein Kaufverbot vdes Vereins auferlegt. Der Klubpatriarch Uli Hoeneß polterte, der FC Bayern habe „keinen Geldscheißer“. Für die Formulierung fand sich bei der englischen Übersetzung kein Begriff, er existiert im Wortschatz der Premier League quasi nicht. Alle Klubs sind im Besitz von Multimillionären, sie werden Sugardaddys genannt. Uniteds Besitzerfamilie Glazer greift, im Gegensatz zu Hoeneß, eher selten ins Tagesgeschäft ein – wovon nun wohl der FC Bayern profitiert.

Uli Hoeneß poltert bei einem Vereinsjubiläum des Seligenporten, dass der FC Bayern “keinen Geldscheißer” habe.

Doch so sieht in Manchester keiner die bevorstehende Investition. Sie wird dem Vernehmen nach mehr als geschickter Sonderpreis bewertet, weil die aus Trainersicht notwendige Beschaffung eines Innen- und Außenverteidigers im Einzelfall vermutlich noch teurer gewesen wäre. Als Einstellungskriterium gelten bei de Ligt und Mazraoui eher ihre gemeinsame Zeit mit ten Hag bei Ajax Amsterdam als ihre jüngsten Leistungen. Mit ihnen würden insgesamt fünf Profis im United-Team mit diesem Merkmal aufwarten, nachdem einst auch die bereits geholten André Onana, Lisandro Martínez und Antony für ten Hags Ajax gespielt hatten.

Insgesamt verpflichtete United elf Spieler mit Bezug zum niederländischen Fußball

Vier weitere Verpflichtungen des Vereins haben ebenso eine Vergangenheit in der niederländischen Eredivisie: Christian Eriksen, Tyrell Malacia, Mason Mount sowie der vor einigen Wochen vom FC Bologna akquirierte Joshua Zirkzee. In den Vorsaisons waren Sofyan Amrabat und Wout Weghorst ausgeliehen, für die dasselbe zutraf. Zudem nahm United vor einem Jahr den Angreifer Rasmus Hojlund unter Vertrag, der von der gleichen – niederländischen – Beratungsagentur vertreten wird wie ten Hag. Auch dessen Assistenten stammen alle aus der Heimat. Dadurch gleicht Manchester United immer mehr Dutchester United – dutch steht im Englischen für “niederländisch”.

Schon vor einem dreiviertel Jahr kritisierte der frühere United-Kapitän Gary Neville, der Klub habe es zugelassen, dass mit ten Hag der nächste Trainer die Kaderplanung diktiere und sozusagen „den Schwanz mit dem Hund wedeln“ lasse. In der niederländischen Tageszeitung AD verteidigte sich ten Hag kürzlich. Er sagte, United sei in dieser Transferperiode vorrangig für die Rekrutierung der Spieler verantwortlich gewesen, und bezeichnete den holländischen Ligahintergrund der mit dem Klub diesmal in Verbindung gebrachten Profis als „Zufall“. Auf den ersten Blick wirkt die Strategie, als würde ten Hag seine Ajax-Elf in Manchester nachbauen wollen, die 2019 mit schwungvollem Ballbesitzfußball ins Halbfinale der Champions League vorgedrungen war.

Sollte eine Entwicklung ausbleiben, wird wohl aus Dutchester United wieder Manchester United werden müssen

Tatsächlich scheint die Ansammlung der Spieler mit Stationen in Hollands Eredivisie jedoch mehr ein Ausdruck der Persönlichkeit des Trainers zu sein. In Fachkreisen wird ten Hag nachgesagt, bei der Zusammenstellung des Kaders überwiegend seinen eigenen Erfahrungen zu vertrauen. Und die belaufen sich im Spitzenfußball fast ausschließlich auf seine Ajax-Tätigkeit von 2017 bis 2022. In seiner ersten Saison in Manchester ließ sich dieses Vorgehen mit dem dritten Ligaplatz auch vielversprechend an. Doch eine Weiterentwicklung ist seitdem ausgeblieben.

Dadurch steht ten Hag vor dem Saisonauftakt gegen den FC Fulham am Freitag unter Druck, eine Spielweise zu implementieren, die einen Wiedererkennungswert enthält. Sollte ihm dies gelingen, wird die Mannschaft am Ende sein Werk sein. Wenn nicht, wartet auf den Klub wohl die Herausforderung, aus Dutchester United wieder Manchester United machen müssen.

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