Manchester United holt Remis in Liverpool

Der Ball rollt in Uniteds Tempo

06. Jan. 2025, 16:25 Uhr

Es sei ihm
Es sei ihm "peinlich", dass Manchester United derzeit so schlecht dastehe, sagt Trainer Rúben Amorim.(Foto: David Rawcliffe / Imago Images)

Manchester United holt überraschend ein 2:2 beim Tabellenführer FC Liverpool. Der Klub versucht unter dem neuen Trainer Rúben Amorim eine stärkere Leistungskultur zu etablieren. Der Portugiese korrigiert die Fehler seines Vorgängers – und setzt auf Führungsspieler wie Harry Maguire.

Von Sven Haist, London

Das Duell zwischen dem FC Liverpool und Manchester United verlief auf dem Platz so chaotisch wie die Wetterbedingungen am Spieltag. Aufgrund eines Schneeeinbruchs in Merseyside, der die Sicherheit der Fans bei der Anreise gefährdete, stand lange Zeit nicht fest, ob die Partie am Sonntagabend stattfinden würde. Rund um das Anfield-Stadion und auch auf dem Platz lag Schnee. Trotzdem setzte Liverpool alles daran, dass gespielt werden kann. Denn durch die enge Taktung in dieser Saison stehen dem Klub kaum Ausweichtermine zur Verfügung, zudem muss das Match gegen den FC Everton nach der Absage im Dezember nachgeholt werden. Und die Formkurve des Gegners Manchester United zeigte nach zuletzt vier Pflichtspielniederlagen in Folge ebenfalls nach unten.

Trainer Amorim kritisiert: Warum spielte seine Elf nicht jede Woche so

Sogar der frühere Liverpool-Profi Jamie Carragher, der als Sky-Experte zugegen war, unterstützte die Bemühungen, indem er mithalf, den Platz vom Schnee freizuräumen. Allerdings versuchte sein TV-Kollege Gary Neville, die Ambitionen spaßeshalber zu torpedieren: Er schaufelte den Schnee vom Spielfeldrand aus wieder zurück auf den Rasen. Als Ex-United-Kapitän wollte Neville seinen Beitrag zu einem möglichst schlechten Zustand des Platzes leisten, was seinem kriselnden Verein zugutekommen sollte. Am Ende konnte das Spiel zwar angepfiffen werden, aber der durch den eisigen Schneeregen völlig matschige Rasen bremste den Ball ab. In England wurde gewitzelt, der Ball rollte gewissermaßen so langsam, dass selbst das träge Manchester United diesmal hinterherkam.

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Englands Rekordmeister erkämpfte sich dann auch ein 2:2 (0:0) durch Treffer von Lisandro Martínez (52. Minute) und Amad Diallo (80.), nachdem Liverpool das Match zwischenzeitlich durch Cody Gakpo (59.) und Mohamed Salah (70./Elfmeter) gedreht hatte. Dadurch verpasste es die Mannschaft von Trainer Arne Slot nach den Patzern der Konkurrenz – Arsenal und Chelsea spielten jeweils 1:1 – den Vorsprung an der Tabellenspitze auszubauen. Er beträgt dennoch, zuzüglich Nachholspiel, weiterhin komfortable sechs Punkte. In dieser Saison hat der Klub nun doppelt so viele Zähler gesammelt wie das auf Rang 13 geführte Manchester United – das immerhin den Sieben-Punkte-Vorsprung auf die Abstiegsplätze verteidigen konnte. So muss man derzeit die Tabelle aus Sicht des abgestürzten Klubs lesen.

Gegen Liverpool verspürte Manchester United keinerlei Druck

Zu Manchesters komplizierter Situation passt es, dass Spieler wie Trainer mit dem Ergebnis in Anfield nicht mal zufrieden waren. Er sei wütend und habe sich beruhigen müssen, berichtete Rúben Amorim. Auch Kapitän Bruno Fernandes fühlte sich frustriert und verärgert. Beide beschäftigte die Frage: Warum tritt Manchester United eigentlich nicht jede Woche so auf wie gegen Liverpool?

Bei der Analyse fällt auf, dass United in diesem Spiel keinerlei Druck verspürte. In der öffentlichen Betrachtung ging es angesichts der eigenen Situation einzig darum, ein Untergang zu verhindern. Eine solche Ausgangslage kommt dem fragilen United-Gebilde, dem es seit Jahren an Führung und Hierarchie mangelt, mehr entgegen als erwartete Pflichtsiege gegen vermeintlich schwächere Ligateams. Dieses Problem hat der Klub nun offenbar erkannt. Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe ist dabei, ein Leistungsklima zu etablieren – und hat mit Amorim dafür wohl einen geeigneten Mitstreiter gefunden.

Amorim änderte im Verlgeich zu seinem Vorgänger das System und Personal

Es sei ihm „peinlich“, wie United dastehe, betonte Amorim kürzlich. Statt die Schuld auf seinen Vorgänger Erik ten Hag abzuwälzen, der die Launen der Mannschaft duldete und am Ende kaum noch Autorität besaß, greift der 39-Jährige durch. Er machte den Spielern eine unmissverständliche Ansage: Diese hätten zuletzt in einem System agiert, für das sie verpflichtet worden wären, und hätten immer verloren. Daher ergebe es keinen Sinn, so weiterzuspielen. Amorim setzt im Vergleich zu ten Hag auf seine bereits in anderen Vereinen bewährte 3-4-3-Formation.

Auch die Schwächen im weichgespülten United-Kader nimmt er in Angriff, indem er versucht, die fehlgeschlagene Personalpolitik seines Vorgängers zu korrigieren. In seinen dreieinhalb Jahren in Manchester wirkte es so, als hätte ten Hag überwiegend Profis verpflichten lassen, mit denen er in irgendeiner Form bekannt gewesen war und die ihm folglich nicht gefährlich wurden. Vor allem an der Personalie Harry Maguire, den ten Hag einst als Kapitän abgesetzt hatte, lässt sich ein Umdenken bei United festmachen.

United verlängert per Option mit Maguire, den ten Hag als Kapitän absetzte

Vor dem Liverpool-Spiel gab Amorim bekannt, dass der zum Saisonende auslaufende Vertrag des englischen Nationalspielers per Option durch die Klubseite um ein Jahr verlängert werde. „Wir brauchen ihn sehr“, bekräftigte der Trainer. Zwar müsse sich der Abwehrhaudegen verbessern, aber man benötige „dringend“ Anführer auf dem Platz. In der vergangenen Transferperiode kamen vor allem Spieler hinzu, die bei den abgebenden Klubs nicht mal Stammkräfte waren. Um den Kaderumbruch voranzutreiben, ist der Klub jedoch auf Einnahmen aus Spielerverkäufen angewiesen. Derzeit halten sich Gerüchte um einen schnellen Abschied von Marcus Rashford und Antony, letzteren hat ten Hag einst für 95 Millionen Euro bei seinem Ex-Klub Ajax Amsterdam losgeeist. Der Brasilianer kommt unter Amorim allenfalls zu Kurzeinsätzen.

In jedem Fall steht Manchester United wegen der Fehler aus der Vergangenheit eine komplizierte Rückrunde bevor. Sogar die Abstiegsränge müsse man im Auge behalten, warnte Amorim. Der Punktgewinn in Anfield beruhigt immerhin fürs Erste das angeschlagene Nervenkostüm des Klubs. Passend dazu räumte Gary Neville am Ende den Schnee, den er zunächst auf den Platz kippte, wieder zur Seite.

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