Manchester United holt Trainer Rúben Amorim
Ein Dichter für Manchester United
02. Nov 2024, 23:42 Uhr
Rúben Amorim kommt von Sporting Lissabon und ist der jüngste Trainer von Manchester United seit 1969. Er hospitierte einst bei United unter seinem Vorbild José Mourinho – und soll den Klub jetzt ähnlich verwandeln, wie ihm das bei Sporting gelungen ist.
Manchester United hat wieder einen Trainer, beziehungsweise erstmals überhaupt eigentlich. Bei der Verpflichtung des Trainers Rúben Amorim von Sporting Lissabon teilte United mit, der Portugiese werde der neue „Head Coach“ für das Männerteam. Bisher hatte der Klub seine Trainer offiziell stets als „Manager“ vorgestellt. Auch der soeben abberufene Erik ten Hag trug den englischen Manager-Titel bei United. Die Bezeichnung käme in Deutschland einem „Trainager“ gleich, einer Mischung aus Trainer und Manager.
Doch diesem Status, den der 27 Jahre währende allmächtige Trainager Sir Alex Ferguson begründet hatte, wurde seit dessen Rücktritt 2013 keiner seiner Nachfolger gerecht – weder David Moyes, Louis van Gaal, José Mourinho noch Ole Gunnar Solskjaer. Zuletzt versenkte ten Hag eine dreiviertel Milliarde Euro für Spielerablösen. Nach dem Rauswurf flog der Niederländer mit dem Privatjet in die Heimat, im Gepäck sein bis 2026 gültiger Arbeitsvertrag, der ihm noch eine zweistellige Millionensumme von United einbringen dürfte.
Manchester United muss sparen, das zeigt auch die Verpflichtung Amorims
Die Auswirkungen der finanziellen Maßlosigkeit im vergangenen Jahrzehnt treffen United jetzt wie einen Bumerang. Im vergangenen Geschäftsjahr bilanzierte man ein Minus von 130 Millionen Euro. Der Gesamtverlust der zurückliegenden fünf Saisons beläuft sich auf eine halbe Milliarde. Kürzlich erklärte United der eigenen Belegschaft, dass 250 Arbeitsstellen auf der Geschäftsstelle abgebaut werden müssen, um Kosten zu reduzieren. Die Sparmaßnahmen ließen selbst Ferguson nicht aus, der Klub löste die Vereinbarung mit ihm als Botschafter im Oktober auf: Der Schotte kassierte in dieser Funktion pro Jahr rund zweieinhalb Millionen Pfund.
Wegen der genannten Gründe wirkt die Anstellung des im Vergleich zu seinen Vorgängern international eher unbekannten Amorim wie der Versuch einer Vollbremsung auf abschüssiger Piste. Rúben Amorim erhält nur einen vorsichtig dotierten Zweieinhalbjahresvertrag bis Juni 2027, den allein der Klub einseitig um eine Saison verlängern kann. Der 39-Jährige ist der jüngste United-Trainer seit einem gewissen Wilf McGuiness; der Engländer übernahm als 31-Jähriger im Juni 1969 den Job von Matt Busby. Zwar ist davon auszugehen, dass Amorim auf die Transferpolitik des Klubs fortan ebenfalls Einfluss hat – dieselbe Gestaltungsfreiheit seiner Vorgänger wird er aber sicher nicht haben. Die Richtung gibt zukünftig Uniteds Führung um Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe vor.
Rúben Amorim wollte erst nach dieser Saison zu Manchester United wechseln
Das Agreement mit Amorim tritt mit Beginn des nächsten Länderspielblocks in einer Woche in Kraft. Bis dahin coacht Amorim Sporting und ten Hags Assistent Ruud van Nistelrooy United. Für den neuen Trainer entrichtet United die festgeschriebene Ablöse von zehn Millionen Euro an Sporting – plus eine weitere Million, um Amorim von seiner 30-tägigen Kündigungsfrist zu befreien. An sich habe er erst nach dem Ende dieser Saison wechseln wollen und drei Tage lang darum gebeten, sagte Amorim, aber das kriselnde United habe ihm geantwortet, dies sei „unmöglich“: Entweder er komme jetzt oder gar nicht. Daraufhin entschied er sich, doch sofort nach Manchester zu gehen, weil er ja ohnehin bereits Sportings Präsident informiert hatte, den Klub in jedem Fall im Sommer 2025 zu verlassen.
Amorims Schritt gleicht einer Kopie seines vergangenen Vereinswechsels. Nach drei Monaten als Trainer beim SC Braga, den er aus dem Tabellenmittelmaß furios in die Spitzengruppe manövrierte, siedelte er auf einmal im März 2020 mitten in der damaligen Saison zu Sporting um, ebenso für zehn Millionen Ablöse. Schon in der folgenden Spielzeit steuerte Amorim den Traditionsklub zur ersten portugiesischen Meisterschaft nach 19 Jahren. In dieser Saison liegt seine Mannschaft erneut ohne Punktverlust an der Tabellenspitze.
Rúben Amorim hospitierte einst bei United – unter Trainer José Mourinho
Eine solch spektakuläre Verwandlung des eigenen Vereins erhofft sich gleichfalls Uniteds Management von Amorim. Der Rekordmeister wartet mittlerweile seit elf Jahren auf einen Ligatitel. Den früheren Mittelfeldprofi von Benfica Lissabon, der als Spieler und Trainer jeweils mehrmals die portugiesische Meisterschaft gewonnen hat, begrüßte United als einen der „am meisten geschätzten jungen Trainer im europäischen Fußball“. In gewisser Weise begann Amorims Trainerlaufbahn sogar bei United – als einwöchiger Hospitant seines Landsmanns José Mourinho, der in Manchester einst von 2016 bis 2018 tätig gewesen war.
Amorims Aufstieg erinnert dann auch an den von ihm sehr verehrten Mourinho. Dieser kam im Sommer 2003 im fast gleichen Alter in die Premier League und holte auf Anhieb mit dem FC Chelsea zwei Meisterschaften in Serie. Allerdings verfügte Mourinho damals nochmals über ein anderes Standing, nachdem er den FC Porto zuvor zum Sieg in der Champions League geführt hatte. Immerhin schmachtete Cristiano Ronaldo einmal über Amorim, seinen einstigen Nationalelfkollegen, dieser drücke sich wie ein „Dichter“ aus – was er so wiederum nie über seinen Ex-Coach Mourinho formuliert hatte.
Rúben Amorim vermutet, dass sich sein Leben in Manchester „radikal“ verändern werde
Wie sein Vorbild Mourinho gilt Amorim als geschickter Taktiker. Er hat seine Mannschaften meistens auf einer Dreierabwehrreihe mit flexiblen Außenläufern aufgebaut – eine Formation, die United so bisher jedoch kaum in petto hatte. In seiner Sporting-Zeit gelang es Rúben Amorim zudem immer wieder, Spieler zu entwickeln und teuer zu verkaufen, darunter die Mittelfeldspieler Manuel Ugarte und João Palhinha: Ersterer spielt mittlerweile bei United, letzterer beim FC Bayern. Neben dem Uruguayer Ugarte gibt es fünf weitere spanisch-portugiesische Muttersprachler in Uniteds Kader. Manchesters Portugiese Diogo Dalot glaubt, Amorim und United könnten ein „perfektes Match“ werden.
Der Schritt nach England werde „sein Leben radikal“ verändern, vermutet Rúben Amorim. Das von Manchester United hat es wohl bereits. Denn der Verein besitzt ja mit ihm jetzt einen richtigen Trainer – und so einen hat die Mannschaft auch nötig.