Manchester United im Abstiegskampf
Schreckensszenario Abstiegskampf
26. Feb. 2025, 20:27 Uhr

Rúben Amorim hält das Team von Manchester United für das vielleicht schlechteste in der eigenen Historie. Der Klub ist sogar in den Abstiegskampf abgerutscht. Doch die Kritik am Trainer hält sich in Grenzen – weil es ohne ihn wohl noch düsterer aussehen würde.
«Coach stays», der Trainer bleibt: Mit diesem Machtwort versuchte Rio Ferdinand die Trainerdebatte um Rúben Amorim im Umfeld von Manchester United zu beruhigen. Der frühere Verteidiger, der mit United sechs Meisterschaften gewonnen hat, gilt bei den Fans als respektierter Experte. Die Anhänger sorgen sich momentan mehr denn je um die Zukunft ihres Klubs, nachdem man durch die ernüchternden Ergebnisse in den vergangenen Wochen erstmals seit Menschengedenken auf Platz 15 in der Premier League durchgereicht worden ist. Damit steht United sogar um einen Rang schlechter da als vor vier Monaten, als man sich nach ewigem Zaudern von Amorims Vorgänger Erik ten Hag getrennt hatte. Am Mittwochabend geht es für United im Heimspiel gegen den direkten Konkurrenten Ipswich Town darum, ein Horrorszenario zu verhindern: den Abstieg.
Trotz der prekären Tabellenlage wäre es «kindisch und idiotisch», den Trainer Amorim rauszuwerfen, findet Ferdinand. Mit dieser Ansicht steht Ferdinand nicht allein dar. Hinter vorgehaltener Hand heisst es bisweilen, ohne Rúben Amorim könnte die Situation vielleicht noch düsterer sein. Der Vorsprung auf die Abstiegsränge hat sich unter Amorim auf 13 Punkte vergrössert und in der Europa League erreichte man mit vier Siegen den Achtelfinal. Die Truppe wirkt zumindest auf bescheidenem Leistungsniveau einigermassen stabil. Das zeigt sich vor allem in den häufig engen Spielverläufen und den Duellen mit den Spitzenteams; kürzlich bezwang man den FC Arsenal im FA Cup.
Der Zustand der Mannschaft sei ihm peinlich, sagt Trainer Rúben Amorim
Bei der Analyse fällt auf, dass das weichgespülte United-Gebilde in Spielen ohne Druck besser abschneidet als bei erwarteten Pflichtsiegen gegen vermeintlich schwächere Klubs. Dieses Problem hat Amorim erkannt und ist dabei ein Leistungsklima zu etablieren. Der Zustand sei ihm «peinlich», sagt er unverblümt. Statt die Schuld auf seinen Vorgänger abzuwälzen, der die Launen der Mannschaft duldete und am Ende kaum noch Autorität besass, greift der 40-Jährige durch. Er machte den Spielern eine unmissverständliche Ansage: Diese hätten unter ten Hag in einem System agiert, für das sie verpflichtet worden wären, und hätten immer verloren. Deshalb ergebe es keinen Sinn, so weiterzumachen. Amorim setzt zurzeit auf seine bereits in anderen Klubs bewährte 3-4-3-Formation.
Seine Prinzipien bekam als erstes der hochbegabte Stürmer Marcus Rashford zu spüren. Zu dessen selbstgefälligem Verhalten stellte er klar, lieber den Torwarttrainer zu nominieren als einen Spieler, der nicht alles gebe. Im Winter wurde Rashford zu Aston Villa verliehen. Um den Deal zu ermöglichen, war United angeblich bereit, einen Teil dessen Gehalts zu übernehmen. Dasselbe wird über die Leihe von Flügelspieler Antony zu Real Betis berichtet, der für 95 Millionen Euro gekommen war. Beide Beispiele zeigen die bisweilen katastrophale Personalpolitik des Klubs in der Vergangenheit.
Von Amorims Umdenken profitiert Harry Maguire
Amorims Umdenken lässt sich an der Personalie Harry Maguire festmachen. Vor einigen Wochen gab der Trainer bekannt, den zum Saisonende auslaufenden Vertrag des englischen Nationalspielers per Option durch die Klubseite um ein Jahr zu verlängern. «Wir brauchen ihn sehr», bekräftigte der Coach, denn es benötige Anführer auf dem Platz. Zuvor war der Abwehrhaudegen kaum mehr berücksichtigt worden. Auch die offensichtlichen Fitnessdefizite, die während einer Saison fast nicht zu korrigieren sind, hat Rúben Amorim adressiert. Man müsse angesichts der Laufdaten in erster Linie «bessere Athleten» werden, teilte er seinen Spielern mit.
Die Übernahme eines Krisenvereins ist für Rúben Amorim nicht unvertraut. Schon bei seinen Stationen in Portugal war das der Fall. Innert drei Monaten hatte er einst den SC Braga aus dem Tabellenmittelmass so furios in die Spitzengruppe geführt, dass er noch in der damals gleichen Saison zu Sporting Lissabon weiterzog. In der folgenden Spielzeit steuerte Amorim Sporting dann zur ersten portugiesischen Meisterschaft nach 19 Jahren. In gewisser Weise begann Amorims Trainerlaufbahn bei United – als einwöchiger Hospitant seines Landsmanns José Mourinho, der in Manchester von 2016 bis 2018 tätig gewesen war. Wie sein Vorbild Mourinho wird über ihn gesagt, er sei ein geschickter Taktiker. In seiner Sporting-Zeit gelang es ihm zudem, stets Spieler weiterzuentwickeln.
Das Problem liegt im Sturm: Es gab nur 30 Tore in 26 Spielen
Dennoch stösst auch Amorim bei Manchester United an Grenzen. Er findet keine Lösung für die eklatante Offensivschwäche seiner Mannschaft, es gab nur 30 Tore in 26 Ligaspielen. Die Mittelstürmer Joshua Zirkzee und Rasmus Hojlund, die United für zusammengerechnet 115 Millionen Euro von Bologna respektive Bergamo eingekauft hat, kommen insgesamt auf gerade mal fünf Premier-League-Tore in dieser Saison. Durch den fulminanten in den vergangenen Jahren gelingt es dem englischen Rekordmeister (20 Titel) nicht mehr, die Spitzenspieler von sich zu überzeugen. Aus diesem Grund versucht United nun, vermehrt auf Talente wie Hojlund, 22, und Zirkzee, 23, zu setzen, die dem öffentlichen Druck bei einem Weltverein allerdings noch nicht gewachsen scheinen.
Vielleicht sei dieses Team das schlechteste, das Manchester United in seiner Fussballhistorie gehabt habe, kritisierte Rúben Amorim kürzlich. Er warnte dabei, dass man sich «ziemlich unweigerlich» im Abstiegskampf befinde. Aus Sicht von Rio Ferdinand sollte der Klub jetzt Ruhe bewahren und dem Trainer Zeit und Geduld entgegenbringen. Nur im Fall eines wirklichen Abstiegs wäre ein Neuanfang angebracht, findet Ferdinand. Angesichts der angespannten Finanzlage des Klubs gibt es ohnehin wenig Alternativen zu Amorim. Vor ein paar Tagen machte das Gerücht die Runde, der einstige Erfolgstrainer Alex Ferguson könnte noch mal auf die Bank zurückkehren. Doch der sagte nur für ein Abschiedsspiel eines ehemaligen Spielers zu.

Ein Dichter für Manchester United
Rúben Amorim kommt von Sporting Lissabon und ist der jüngste Trainer von Manchester United seit 1969. Er hospitierte einst bei United unter seinem Vorbild José Mourinho - und soll den Klub jetzt ähnlich verwandeln, wie ihm das bei Sporting gelungen ist.