US-Investoren in der Premier League

Fußball mit Spa-Bereich und Sterne-Restaurant

09. Jan. 2025, 12:26 Uhr

Fulham-Eigentümer Shahid Khan inpiziert im Oktober 2023 die Entstehung der neuen Haupttribüne des Klubs. (Foto: Javier Garcia /Shutterstock / Imago Images)
Fulham-Eigentümer Shahid Khan inpiziert im Oktober 2023 die Entstehung der neuen Haupttribüne des Klubs. (Foto: Javier Garcia /Shutterstock / Imago Images)

„Make England Great Again“: 10 von 20 Premier-League-Klubs befinden sich in US-Hand. Die Besitzer versuchen mit neuen Ideen, den englischen Fußball zu kommerzialisieren und Fans zu Konsumenten zu machen. Doch diese protestieren gegen die hohen Ticketpreise und die finanzielle Ausschlachtung des Spiels.

Von Sven Haist, London

„Make England Great Again“: Unter diesem Slogan könnte man die Invasion der US-Investoren im englischen Fußball zusammenfassen. Anschaffung und Führung von Klubs in der Premier League sind in den vergangenen Jahren derart kostspielig geworden, dass sie nur von vermögenden Investorenriesen gestemmt werden können. Davon besitzt kein Land so viele wie die durchkapitalisierten USA. Nach der kürzlich ratifizierten Übernahme des FC Everton befinden sich zehn von zwanzig englischen Erstligisten unter der Kontrolle von amerikanischen Firmen, darunter mehrere Spitzenvereine: Arsenal (Stan Kroenke), Aston Villa (V Sports), Bournemouth (Bill Foley), Chelsea (Clearlake), Crystal Palace (John Te­x­tor), Everton (Friedkin Group), Fulham (Shahid Khan), Ipswich Town (Gamechanger 20), Liverpool (Fenway Sports Group) und Manchester United (Glazer-Familie).

Auch in den unteren Spielklassen setzt sich der Trend fort: In der zweiten Liga gehören den Amerikanern ein Drittel der 24 Vereine. Vor knapp vier Jahren kaufte sich der US-Schauspieler Rob McElhenney mit seinem kanadischen Filmkollegen Ryan Reynolds sogar in den AFC Wrexham ein. Der damalige Fünftligist befindet sich nun in der Spitzengruppe der dritten Liga. Er könne sich nicht vorstellen, warum nicht alle Klubs in der Premier League „in fünf bis zehn Jahren“ Eigentümer aus den Staaten haben, sagt der bei einer Beratungsfirma angestellte Adam Sommerfeld der BBC. Der Sportinvestmentexperte versichert, jeder Klub stehe im Austausch mit US-Investoren.

Die Premier League wird in 189 von 193 UN-Mitgliedsstaaten übertragen

Der Reiz für die US-Kapitalgeber besteht in dem durch die Decke gehenden weltweiten Fan-Interesse am englischen Fußball. In der Vorsaison wurde die Premier League in 189 von 193 UN-Mitgliedsstaaten ausgestrahlt. Insgesamt verfolgen unglaubliche 1,87 Milliarden Menschen aktuellen Statistiken zur Folge das Geschehen in der Liga. Durch die explodierenden TV-, Sponsoren-, Merchandising- und Ticket-Erlöse haben die Spitzenvereine eine imposante Wertsteigerung erfahren, ihr Umsatz geht auf die Milliardengrenze zu. Zusammengerechnet nehmen die Klubs siebeneinhalb Milliarden Euro pro Saison ein. Nach der Liga-Gründung 1992 war es eine Viertelmilliarde.

Das Wachstum wollen die US-Investoren weiter kommerzialisieren – und dann monetarisieren. Allerdings verbuchten lediglich vier Erstligisten in der Saison 2022/23 laut dem Finanzreport von Deloitte einen Gewinn. Zum Vergleich: Nach Forbes-Angaben soll derzeit jede relevante American-Football-Franchise in den USA profitabel arbeiten, dasselbe gilt für viele Organisationen im Baseball, Basketball und Fußball. Die Diskrepanz liegt am sehr unterschiedlichen Sportsystem. Die US-Ligen kennen keinen Auf- und Abstieg, haben Regulierungselemente wie Salary Caps, Trades und Drafts. Auch deshalb beteiligten sich alle US-geführten englischen Topvereine an der Einführung einer geschlossenen europäischen Superliga. Weil dieses Projekt bisher fulminant scheiterte, entwickeln die US-Besitzer andere kuriose Ideen, um das Spiel finanziell auszuschlachten und Fans zu Konsumenten zu machen.

Aston Villa führte in der Vorsaison einen All-you-can-eat-Bereich ein

Die Richtung gab Josh Wander vor, einer der US-Mitgründer von 777 Partners, das vor einem Jahr eine am Ende wieder aufgelöste Kaufvereinbarung für Everton abschloss. Er legte einst völlig ungeniert die Vision dar, den Leuten irgendwann keine Stadion-Hot-Dogs mehr zu verkaufen, sondern Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Londons Nischenklub Fulham stellt gerade eine neue Haupttribüne fertig, die mit einer Sondergenehmigung in die Themse hineingebaut worden ist. Sie enthält ein Boutique-Hotel, ein Michelin-Stern-Restaurant – und einen Wellnessbereich mit Außenpool auf dem Dach. Als Vorbild dafür diente die Spielstätte des NFL-Vereins Jacksonville Jaguars, dem auch der amerikanisch-pakistanische Fulham-Besitzer Shahid Khan vorsteht. Und Aston Villa führte in der Vorsaison einen All-you-can-eat-Bereich im Stadion ein: Fans mit diesem Ticket können sich an Imbissständen bedienen und die Speisen an aufgestellten Biertischen verzehren. Dazu halten sich grundsätzlich bei Klubs Spekulationen über die Einführung eines Bedienungsservices am Sitzplatz.

Liverpool-Boss Tom Werner träumt von einem weltweiten Premier-League-Tag

Neben der angeblichen Verbesserung des Stadionerlebnisses geht es den US-Kapitalgebern um die Ausla­ndsvermarktung. Liverpools Vereinsboss Tom Werner erzählte der Financial Times, er sei fest entschlossen, dass ein Match der Premier League eines Tages in New York City stattfinden solle. Er habe sogar die verrückte Vorstellung, einen Tag einzuführen, an dem die Liga überall auf der Welt zelebriert werde: mit etwa abgestimmten Spielen in Tokio, Los Angeles, Rio de Janeiro und Riad. Zuvor hatte bereits Chelseas Miteigner Todd Boehly für einen sogenannten 39. Spieltag geworben – ein All-Star-Game in Übersee mit den besten Kickern der Premier League.

Dabei soll der frühere Chelsea-Profi Pat Nevin den Klub sogar vor einer weiteren ungewöhnlichen Überlegung gewarnt haben: die Einführung einer Kiss Cam, die in anderen Sportarten der Unterhaltung in Pausen dient. „Nein, macht keine Kiss Cam“, habe er Chelsea mitgeteilt, betonte Nevin in der BBC: „Das ist eine Kleinigkeit, aber ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Reaktion ihr bekommen würdet.“

Die Fans protestieren gegen die Preise – sie sind drei Mal so hoch wie in der Bundesliga

Englands Traditionspublikum steht der Amerikanisierung des eigenen Fußballs skeptisch gegenüber, auch a­u­f­grund der damit verbundenen immer weiter steigenden Ticketpreisen. Im Schnitt kostet eine Premier-League-Dauerkarte in dieser Saison 594 Pfund – drei Mal so viel wie in der Bundesliga. Zum Saisonstart kündigte Villa zum Beispiel an, für die Heimspiele während der Champions-League-Vorrunde einen Topzuschlag von bis zu 97 Pfund pro Eintrittskarte zu verlangen. Deshalb kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu flächendeckenden organisierten Protestaktionen der Fans in der Premier League. In Liverpool stellten die Anhänger im April sogar in einem wichtigen Europapokal-Match den ganzen Support ein.

In einem Essay der New York Times mit dem Titel „Als ein Haufen verdammter Amis den englischen Fussball holte …“ kritisiert der englische Edelfan Nick Hornby die Entwicklung: Fußballvereine seien zwar immerzu im Besitz reicher Personen gewesen, sagt Hornby: Aber dies sei früher in einer altmodischen und vornehmen Art geschehen. Ihm pflichtete Nevin bei, dass die Ausbeutung die englischen Anhänger ins Mark tre­ffe. Die britische Regierung hat auf das Profitstreben der Investoren reagiert, indem sie im Rahmen der gescheiterten Superliga eine unabhängige Aufsichtsbehörde gesetzlich verabschiedete. Ein solches Kontrollgremium soll in Zukunft mitunter den Einfluss der US-Kapitalgeber überwachen und begrenzen. Denn aus Sicht der Engländer ist die eigene Premier League bereits großartig genug.

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