Wolverhampton-Coach Vítor Pereira

Mit den Löwen runter, mit den Wölfen rauf

05. Jan. 2025, 14:07 Uhr

Nach dem Abstieg mit 1860 München verschwand Vítor Pereira im gehobenen Profifußball erst mal von der Bildfläche. Nun ist er als Trainer in Wolverhampton wieder aufgetaucht. (Foto: Katie Chan / Action Plus / Imago Images)
Nach dem Abstieg mit 1860 München verschwand Vítor Pereira im gehobenen Profifußball erst mal von der Bildfläche. Nun ist er als Trainer in Wolverhampton wieder aufgetaucht. (Foto: Katie Chan / Action Plus / Imago Images)

Mit dem TSV 1860 München stieg Vítor Pereira als Trainer einst aus der zweiten Liga ab. Danach ist er wie die Münchner Löwen im gehobenen Profifußball von der Bildfläche verschwunden. Nun ist er bei den Wolverhampton Wanderers aufgetaucht – mit Erfolg.

Von Sven Haist, London

Der TSV 1860 München ist selten zu beneiden, auch nicht in diesen Tagen. Damit ist zur Ausnahme mal nicht der 14. Tabellenplatz der Münchner in der dritten Liga zum Jahreswechsel gemeint, sondern die schmerzhafte Erinnerung an den eigenen Abstieg aus der zweiten in die vierte Liga vor siebeneinhalb Jahren. Denn der seinerzeit tätige Trainer, Vítor Pereira, der daraufhin wie der Klub 1860 erst mal keine Rolle mehr im gehobenen Profifußball spielte, ist vor zwei Wochen wie Phönix aus der Asche aufgetaucht – als Coach des Premier-League-Abstiegskandidaten Wolverhampton Wanderers.

Bei den Münchner Löwen blieb Pereira unvergessen, weil er zu Beginn seiner Amtszeit vollmundig angekündigt hatte, den Klub zum Bundesliga-Aufstieg zu führen („go to the top“). Stattdessen verlor man unter ihm das Abstiegs-Relegationsspiel gegen Jahn Regensburg und bekam daraufhin aus finanziellen Gründen nicht mal eine Spiellizenz für die dritte Liga. Bei den Wolves verhält es sich unter Pereira bisher eher umgekehrt: Es geht von unten langsam aufwärts.

Unter Pereira holte Wolverhampton zum Start sieben Punkte aus drei Spielen

Seit seinem Amtsantritt gelang es Vítor Pereira, die für die hinteren Ränge viel zu gute Mannschaft aus der Abstiegszone zu befreien. Die Wolves gewannen mit ihm die ersten beiden Matches gegen Mitkonkurrent Leicester City und Manchester United und holten zum Jahresabschluss ein Remis bei Tottenham Hotspur. Dadurch ist der Anschluss an das hintere Mittelfeld hergestellt, auf den drei Abstiegsplätzen befinden sich die Aufsteiger Ipswich, Leicester und Southampton. Das gleicht der Situation am Tabellenende in der Vorsaison, als letztlich alle Aufsteiger wieder den Rückweg in die zweite Liga antreten mussten. Der letzte Emporkömmling, der sich halten konnte, war bisher Nottingham Forest 2022. Dort wurde nach dem Aufstieg der gesamte Kader für 200 Millionen Euro getauscht, um die Qualitätsdefizite zu den Erstligisten zu schließen. Derzeit ist Nottingham sensationell Dritter.

Zuvor hatte Wolverhampton nur neun Punkte aus 16 Ligaspielen eingespielt. Nach der Pleite gegen Ipswich kam es sogar zum Eklat. Der brasilianische Stürmer Matheus Cunha, der einst für RB Leipzig und Hertha BSC auflief, wurde bei einer Massenkonfrontation nach Abpfiff handgreiflich, er versetzte einem Mitglied des Sicherheitsdienstes einen Ellbogenstoß an den Hinterkopf und entriss ihm die Brille. Englands Verband sperrte den besten Torschützen des Klubs (zehnTreffer) deshalb kürzlich überraschend glimpflich für nur zwei Spiele, dazu gab es eine Geldstrafe von 80 000 Pfund.

Vítor Pereira kam für eine Million Euro Ablöse aus Saudi-Arabien

Als Reaktion auf die miserable sportliche Gesamtlage feuerte der Vorstadtklub aus Birmingham, den Engländer Gary O’Neil und stellte den Portugiesen Vítor Pereira ein. Um ihn aus seinem laufenden Vertrag bei Al-Shabab in Saudi-Arabien herauszukaufen, wurde eine Million Euro Ablöse fällig. Nach seinem Engagement in München von Januar bis Mai 2017 hatte der 56-Jährige mehrere Saisons in Brasilien und China verbracht. Beim Shanghai Port FC blieb er drei Jahre, so lange wie bei keinem anderen Klub in seiner Laufbahn. Seine Stationen in gewisser Hinsicht ins Vereinsprofil von Wolverhampton. Denn zum einen finden sich im Kader der Wolves vier Brasilianer und fünf Portugiesen. Und zum anderen sie sind seit 2016 im Geschäftsportfolio des chinesischen Milliardärs Guo Guangchang. Er hält die Anteile über das mehrheitlich ihm gehörende, sich nicht im Staatsbesitz befindende Konglomerat Fosun International. Der Verein ist ein Überbleibsel der erfolglosen chinesischen Fußballoffensive, die Präsident Xi Jinping 2015 ausgerufen hatte.

Zuletzt musste Wolverhampton die besten Spieler verkaufen

Seit Jahren plagen die Wolves finanzielle Probleme. Immer wieder wurde deswegen auch über einen Verkauf spekuliert, doch der chinesische Klubvorsitzende Jeff Shi relativierte stets alle Gerüchte und versicherte das fortbestehende Interesse am Klub. In den zurückliegenden Transferperioden musste man deutlich sparen, um nicht gegen die Finanz-Regularien der Liga zu verstoßen. Der Verein generierte durch den Verkauf seiner besten Spieler – unter anderem Matheus Nunes zu Manchester City und Pedro Neto zum FC Chelsea – seit Sommer 2023 knapp 300 Millionen Euro. Zunächst investierte man eher nach dem Aufstieg 2018.

Das Vorgehen auf dem Transfermarkt hat bisher direkten Einfluss auf das sportliche Abschneiden gehabt. Nach anfangs zwei respektablen siebten Plätzen rutschte der Klub ab und kommt nun seit Jahren kaum mehr aus der unteren Tabellenhälfte heraus. Wie in der Vorsaison fehlt es erneut an defensiver Stabilität. Die Wolves haben die mit Leicester zusammen schlechteste Defensive der Premier League. Im Winter will man sich in der Abwehr verstärken. Mitverantwortlich für zahlreiche Transfers des Klubs ist der Strippenzieher Jorge Mendes, der sich einst einen Namen als Berater von Cristiano Ronaldo machte.

Vítor Pereira ist überzeugt, mit den Wolves die Liga zu halten

Mendes gilt als enger Vertrauter des Klubchefs Shi, seine Agentur Gestifute besitzt eine Loge im Heimstadion Molineux. Derzeit stehen angeblich sechs Mendes-Spieler bei den Wolves unter Vertrag, auch Trainer Pereira zählt zu dessen Klienten. Bisher hat sich Wolverhampton mit dieser Strategie am Ende immer irgendwie über Wasser gehalten. Davon ist Vítor Pereira erneut überzeugt, er glaubt, mit der vorhandenen Qualität der Spieler könne man den Abstieg verhindern. Sollte das gelingen, könnte das dem TSV 1860 München Mut machen, eventuell selbst wieder irgendwann auf die große Fußballbühne zurückzukehren – so wie der einstige Trainer.

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