Villa-Trainer Unai Emery
Der Schreck aller Favoriten
15. Apr. 2025, 13:53 Uhr

Nach der klaren Hinspielniederlage benötigt Unai Emery mit Aston Villa eine Aufholjagd gegen Paris Saint-Germain, um ins Halbfinale der Champions League einzuziehen. Doch für solche Aufgaben scheint Emery ein Speziakist zu sein. Ihm liegt die Außenseiterrolle – wie einst auch der FC Bayern schmerzhaft erfahren musste.
Unai Emery schien sich über den Gegentreffer seiner Mannschaft in der Nachspielzeit fast zu freuen, obwohl sich die Ausgangslage für das Viertelfinalrückspiel in der Champions League dadurch natürlich verschlechtert hat. Das Tor für Paris Saint-Germain ändere nichts, beteuerte der Trainer von Aston Villa. Seine Analyse dürfte Emery darauf gestützt haben, dass er schon mal eine ähnliche Spielpaarung erlebt hat wie nun das Duell zwischen Villa und PSG. Vor drei Jahren traf Emery im Halbfinale desselben Wettbewerbs mit Villarreal auf Liverpool. Trotz eines Zwei-Tore-Rückstands aus dem Hinspiel wäre Villarreal damals beinahe die Aufholjagd gelungen, man führte, schied aber dann doch aus. Diesmal gilt es erneut mit Villa wegen des erwähnten Treffers ein 1:3 wettzumachen.
Zu verlieren gibt es für den Klub aus dem rauen Birmingham-Vorort Aston beim Wiedersehen mit den Pariser Überfliegern am Dienstagabend (21 Uhr) im heimischen Villa Park nichts mehr. So hat es der Coach Unai Emery gemeinhin am liebsten, für ihn ist die Rolle des Außenseiters praktisch erfunden worden. Er gilt als der Schreck aller Favoriten. Als solcher gewann er einst mit Villarreal und Sevilla vier Mal die Europa League und eliminierte 2022 Julian Nagelsmanns FC Bayern im Viertelfinale der Champions League. Und mit Villa mischt „Mr. Europa League“ nun die Champions League auf, bei der ersten Teilnahme des Klubs.
Emerys schmerzhafteste Pleite: Als er mit PSG einen großen Vorsprung verspielte
Anders verhielt es sich bei seinen einstigen Spitzenengagements in Arsenal und Paris, wo seinen Mannschaften die Favoritenrolle oblag. Mit PSG kassierte er seinerzeit sogar die größte Blöße der Wettbewerbshistorie, als man nach einem 4:0-Vorsprung gegen Barcelona noch mit 1:6 gestürzt wurde. Dies sei sein „schlimmster Moment“ gewesen, gestand er. Er weiß seitdem, wie trügerisch Vorsprünge sein können. Dazu setzt er auf den Heimvorteil. Das Stadion an der Trinity Road ist ein raues Pflaster für Auswärtsteams, es zählt zu den ungemütlichen Spielorten.
Wie Emerys Vorgängerversionen in Sevilla und Villarreal ist sein Aston Villa ebenfalls auf die für den Trainer charakteristische mannschaftliche Geschlossenheit gedrillt. Die Laufwege seiner Spieler wirken in der Verteidigung so aufeinander abgestimmt wie die Schritte der königlichen Garde vor dem Buckingham Palace. Unai Emery bestehe darauf, wie man zu spielen habe, wo man stehen müsse und wie man das Beste aus sich heraushole, berichtete Villa-Angreifer über die Eigenheiten des perfektionistischen Basken.
Er sei keiner für ein paar Übungen, der dann zum Mittagessen gehe, sagt Unai Emery über sich
Der sagt über sich selbst, kein Coach zu sein, der „ein paar Übungen mit dem ‚Schweinchen‘ in der Mitte machen und dann zum Mittagessen nach Hause gehen“ würde. Entsprechend hat Emery seit seinem Amtsantritt im November 2022 den damals ambitionierten Mittelklasseklub – wie es zur Arbeitermentalität in Birmingham passt – Stein für Stein zu einer Vorzeigeversion aufgebaut. Die Mannschaft gleicht inzwischen einer Festung, die kaum einzunehmen ist. Um sie mal zu stürmen, benötigt es schon außergewöhnliche Tore, wie sie PSG gelangen.
Diese Analogie passt insofern, als Emery innerhalb des Vereins eine Art Wagenburgmentalität errichtet hat. Sie basiert auf seinen schlechten Erfahrungen in Paris und Arsenal. Bei beiden Klubs besaß er nicht den Rückhalt im Management, den er sich wünschte. Vielmehr schienen die Spieler damals einen größeren Einfluss auf die Vereinspolitik zu haben als er. In Villa durfte er zuletzt zahlreiche Weggefährten einstellen, mit denen er in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Allen voran der Fußballdirektor Ramón Rodríguez Verdejo, genannt Monchi, sein Kompagnon aus Sevilla. Er wechselte ein halbes Jahr nach Emery zu Villa und beaufsichtigt das wichtige Transfergeschäft.
Das Vertrauen in Unai Emery sei einzigartig, findet der Fußballautor Balagué
Das Vertrauen des Klubs in Emery sei „einzigartig“, urteilt der Fußballsachverständige Guillem Balagué, der ein Buch über Villas Aufstieg unter Emery verfasst hat. Ihm falle kein anderer Verein mit der Größe, Historie und dem Potenzial Villas ein, der einer einzigen Person einen solchen Freibrief erteilt hätte. Bisher ist der Klub in Emerys Händen gut aufgehoben.
Die Möglichkeiten mit Villa gehen für Emery über die Begebenheiten seiner früheren spanischen Klubs hinaus. Hinter den Villans stecken die Milliardäre Nassef Sawiris und Wes Edens, die den Klubs transformieren wollen. Um die Zusatzbelastung für die Spieler nach dem überraschenden Einzug in die K.-o.-Runde der Champions League zu meistern, lieh man im Januar kurzerhand die renommierten Stürmer Marcus Rashford von Manchester United und Marco Asensio von PSG aus. Beide kommen auf 17 Torbeteiligungen in drei Monaten. Um ihre Karrieren in Fahrt zu bringen, ließen sich die Individualisten Rashford und Asensio auf den Teamgedanken des Trainers ein. Und Emery holte sich erstmals in seiner Villa-Zeit Spieler mit Starfaktor in die Kabine.
Im Winter kamen Rashford und Asensio, das macht Villa so gefährlich
Diese Extraqualität macht Villa nun so gefährlich, es ist ein Asset, das frühere typische Emery-Mannschaften nicht hatten. Vor dem Saisonfinale befindet sich der siebenmalige englische Meister in einer Ausgangslage, wie es sie seit dem Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert nicht mehr gab. In der Liga spielt man um die erneute Qualifikation für die Champions League mit, auch steht man im FA-Cup-Halbfinale – und in der Königsklasse würde man bei einem Weiterkommen ein Coup sondergleichen landen. Allerdings warnte PSG-Trainer Luis Enrique sein Team, dass Favoriten im Duell mit Aston Villa nicht existieren würden.

«Mr. Europa League» in der Champions League
Unai Emery führt mit Aston Villa erstmals einen Klub aus Birmingham, der zweitgrößten Stadt in England, in die Champions League. Damit durchbricht er als dritter Trainer die Phalanx der Top Six in der Premier League - auch weil Villa so viel Geld wie nie ausgibt.