Manchester United am Tiefpunkt

Schlechter wäre nur noch der Abstieg

24. Mai 2025, 15:14 Uhr

Untergangsstimmung bei Manchester United. (Foto: Matteo Ciambelli / Sportphoto 24 / Imago Images)
Untergangsstimmung bei Manchester United. (Foto: Matteo Ciambelli / Sportphoto 24 / Imago Images)

Manchester United besiegelt die schlechteste Saison der Historie mit der Finalpleite in der Europa League. Es herrscht Untergangsstimmung im Klub. Hoffnung machen nur Trainer Amorim und ein paar Talente.

Von Sven Haist, Bilbao

„Lads, it’s Manchester United“, es ist nur Manchester United: So lautet die vermutlich unvermeidbare Häme in England gegenüber Manchester United nach der Finalniederlage gegen Tottenham Hotspur in der Europa League. Auf diese Weise hatte nämlich einst Uniteds Coach Alex Ferguson Tottenham vor einem Ligaspiel in einer Teambesprechung verspottet. Die Aussage fiel United nach dem 0:1 am Mittwochabend in Bilbao auf die Füße. Allerdings ist die Schadenfreude auf der Insel über die vierte (!) Saisonpleite gegen den früheren Lieblingsgegner Tottenham wohl das geringste Problem des Rekordmeisters (der sich diesen Status seit Kurzem mit Liverpool teilen muss).

Die Weltmarke Manchester United ist in den vergangenen Jahren so weit nach hinten durchgereicht worden, dass ein weiteres Absinken in der Rangordnung tatsächlich mit dem Abstieg aus der Premier League verbunden wäre. Die Saisonbilanz vor dem letzten Spieltag: Platz 16 in der Liga, Viertelfinale im League Cup, Achtelfinale im FA Cup, Finale in der Europa League. Nach dem verpassten Titel, mit dem man die Spielzeit einigermaßen hätte glattbügeln können, herrschte Klubuntergangsstimmung bei United. Die Fans verließen massenhaft vor der Siegerehrung das Stadion, die Spieler sanken desillusioniert zu Boden – und der Trainer Rúben Amorim bot kurz danach auf der Pressekonferenz dem Verein seinen Rücktritt an.

Trainer Amorim steht trotz der schlechten Bilanz außer Frage

Amorims Angebot („Wenn der Vorstand meint, ich bin nicht der richtige Kerl, trete ich ab“) wird der Verein um Minderheitsbesitzer Jim Ratcliffe, der den Fußballbereich verantwortet, derzeit auf keinen Fall in Betracht ziehen. Vielmehr dürfte Ratcliffe über eine andere Aussage des Trainers erleichtert sein, wonach dieser ausschloss, von sich aus hinzuschmeißen. Denn der Portugiese wirkt im heruntergewirtschafteten United wie eines der wenigen übrigen Assets. Das sehen auch die Spieler so, die sich durchgehend hinter ihren Trainer stellen und ihm die Wende zutrauen. Seit seiner Verpflichtung im vergangenen November hat Amorim der damals erledigten Mannschaft immerhin etwas auf die Beine verholfen – so grotesk das klingt ob der Bilanz von sechs Siegen in 27 Ligaspielen.

In seiner Amtszeit hat Amorim versucht, den Kader über die Förderung von Nachwuchsspielern neu aufzustellen. Und einige vorzeigbare Talente haben sich herauskristallisiert: die aus dem eigenen Haus stammenden Kobbie Mainoo, Amad Diallo und Alejandro Garnacho sowie die in dieser Saison geholten Leny Yoro und Patrick Dorgu. Sie könnten künftig das Gerüst bilden mit Kapitän Bruno Fernandes sowie den Stammspielern Harry Maguire, Lisandro Martínez und Luke Shaw. Durch das Verpassen jeglicher Europapokal-Wettbewerbe besitzt Manchester United fast keinen finanziellen Spielraum, um sich adäquat zu verstärken, sofern eigene Transfereinnahmen in beträchtlicher Höhe ausbleiben.

Das große Problem ist das Fehlen eines Torjägers

Das größte Problem besteht seit vielen Jahren in der Offensive, es fehlt ein treffsicherer Torjäger. Die zwei von Amorims Vorgänger Erik ten Hag aus der italienischen Liga geholten Stürmer Rasmus Höjlund und Joshua Zirkzee (Gesamtablöse 120 Millionen Euro) kommen gemeinsam nur auf sieben Ligatore. Die fehlende Durchschlagskraft zeigte sich gegen Tottenham erneut, es fehlte eine echte Torchance aus dem Spiel heraus. Die Misere wird noch insofern erschwert, als die Charakteristik der Mannschaft mit nicht besonders schnellen Abwehrspielern und dem nicht mehr laufstarken Mittelfeldabräumer Casemiro fast keine andere Spielweise zulässt als defensiven Konterfußball. Dem hat sich Amorim in dieser Saison notgedrungen angepasst. Für die nächste Saison kündigte er an, mehr von seinen Vorstellungen umsetzen zu wollen. An Trainingszeit wird es ohne Europapokalspiele immerhin nicht mangeln.

Der Ergebnisdruck wird allerdings bestehen bleiben, weil sich das hochverschuldete Manchester United mehrere Jahre ohne Erlöse aus internationalen Wettbewerben wahrscheinlich kaum leisten kann. Er habe nichts, was er den Fans derzeit vorzeigen könne, gestand Amorim nach dem Finale – außer weiterhin seiner Arbeit zu vertrauen.

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